[34] Die Heerstraße nach Legnano.
Heinrich der Löwe mit seinen Truppen im Marsche.
HEINRICH DER LÖWE.
Haltet!
Beruft zu mir die Feldherrn!
Die Truppen halten; mehrere Krieger gehen ab, die Feldherrn zu rufen.
LANDOLPH.
Herzog,
Des Kaisers Heer ist schon sehr weit voraus.
HEINRICH DER LÖWE.
Glaubst du, ich wäre blind, daß ichs nicht sähe?
LANDOLPH für sich.
Er zürnt!
HEINRICH DER LÖWE.
Bleib mit dem Wilhelm und ein paar
Handfesten Burschen in der Nähe.
Verseht euch auch mit tüchtgen Eisenketten.
LANDOLPH.
Wie du befiehlst.
Ab.
HEINRICH DER LÖWE allein.
Der Elbstrom braust mir durch
Die Adern, und der Harz mit seinen Schrecken,
Mit seinen Felsen, Bäumen, Geiern, zieht
In meinen Geist und wird lebendig! Nicht
Mehr zag und zweifle ich – Er
Ist da, der Tag, wo sich der Welfe trennt
Vom Hohenstaufen, wo die deutsche Erde
Zerrissen wird nach Nord und Süd, und wie
Ich ahne, auf Jahrtausende! – Ich falle
Von ihm noch diese Stunde ab – Er spüre,[34]
Wie tolle Feldzüge sich enden! –
– Allein nachher – Wenn er zornatmend nun
Nach Deutschland heimkehrt – Hei, dann wird
Er nicht vergessen, und ich werde nicht
Verzeihung flehn – Für ihn gilts Kampf dann um
Mein Leben, und für mich um seine Krone –
Zwei Kampfespreise, die einander wert sind!
– Mathildis,
Mathildis! Deutschlands Kaiserkrone würde
Ein schöner Schmuck sein deines blonden Haares!
Vielleicht, daß diese Hand sie einst aufs Haupt
Dir drückt! Sie zittert schon vor Wollust!
Jordanus Truchseß, Graf von Orla, Albrecht von
Roden, Graf von Andechs und andere sächsische und baiersche Feldherrn kommen.
HEINRICH DER LÖWE tritt unter sie.
Vasallen, denkt ihr an die Heimat?
GRAF VON ORLA.
Kann man in diesem Land der List und Tücke,
Von Sonnenglut gedörrt, verhunzt
Mit winzigen Olivenbäumen, und
Von süßem, ekelhaftem Weine voll,
An andres denken, als an deutsche Herzen,
An deutsche Eichen und des Rheinweins Rosen?
JORDANUS TRUCHSESS.
Orla! Vergiß mir nicht des Breihahns Mark
Und Schaum!
HEINRICH DER LÖWE.
So freu dich Orla! denn wir ziehn
Noch heute zu der Heimat wieder!
GRAF VON ORLA, JORDANUS TRUCHSESS, ALBRECHT VON RODEN UND DIE ÜBRIGEN SÄCHSISCHEN FELDHERRN.
Wie?
Zur Heimat? Ha, die Heimat! Wo die Weser –
Die Elbe – Nordmeer – Ostsee fluten, –
Vertraut mit uns, der Kindheit Spielgefährten!
Wo Gattinnen gleich nach dem Sieg mit Küssen
Uns danken, wo den Slaven wir, den Hunden,
Die unser Eigentum verheeren wollen,
Gleich mit dem Speer entgegen treten
Und sie zu Boden werfen – Vaterland!
Wir atmen wieder deine rauhe, aber
Gesunde, lebenskräftge, teure Luft![35]
GRAF VON ANDECHS.
Und dieser Rückzug ist des Kaisers Wille?
HEINRICH DER LÖWE.
Mein Wille ists! Ist der dir nicht genug?
Verlangst du etwa mehr zu wissen, Andechs?
JORDANUS TRUCHSESS.
Was kümmert uns der Waiblinger! Du selbst
Bist Kaiser, wenn du's sein willst. – Lange
Schon närrte uns der Schwabe – Welfe,
Erheb dich!
ALLE SÄCHSISCHEN FELDHERRN aufspringend.
Welfen, empor!
HEINRICH DER LÖWE.
Kein Schwerterzücken!
Kein Aufstand!
Von seinem Sitze, den er auf einem abgehauenen Baumstamme genommen, Stille winkend.
Auch im Ruhen furchtbar!
GRAF VON ANDECHS.
Herzog, ich wag mein Haupt und sage Wahrheit! –
– Verpflichtet sind wir, dir zu folgen, doch
Nie gegen deines Kaisers Willen, der
Mit deinen Herzogtümern dich belieh!
Getreuer als der Sachse scheint der Baier –
Abfallen jetzt
Von Friedrich? Jetzt, wo ihn die Not umdrängt?
HEINRICH DER LÖWE.
Ist er ein Mann, so seh er, wie er sich
Heraushilft. – Denn er selbst zog sie sich zu! –
Er danke Gott, daß Sachsens Herzog so
Großmütig, ihn nur zu verlassen, statt
Mit seinen Gegnern sich auch zu verbünden. –
Auch möcht ich, müßt ich jemals mit ihm kämpfen,
Selbst nicht mit Gott die Ehre teilen,
Allein ihn zu bestreiten! –
Graf von Andechs,
Der Baier liebt mich minder als der Sachse –
Und du gar wagst es mir zu trotzen! Deine
Genossen schweigen, flau und tückisch! Gelt,
Wenn ich euch wieder zu dem Heere ließe,
Ihr würdet eure Leute schon bewegen,
Dem Sachsenherzog nicht zu folgen! – Doch
[36] Nunmehr erkennt den Leu'n, wenn er zum Sprung
Ausholt – Still wie der schwüle Sommerhimmel
Und doch urplötzlich wetterflammend!
Er richtet sich zornig auf.
Lanzknechte! Landolph! Wilhelm eilt herbei!
Ergreift die Baiergrafen! schließet sie
In Ketten, führt sie mit uns nach
Der Harzburg, – dort laß ich sie richten!
Landolph, Wilhelm und Lanzknechte sind hereingestürzt, und haben die baierschen Feldherrn gefesselt, und führen sie mit sich fort.
HEINRICH DER LÖWE zu den Baierfeldherrn, indem sie abgeführt werden, auf Landolph und dessen Gefährten deutend.
He,
Fühlt ihr jetzt meine Löwenklaun? Sie sind
Gepanzert und gewaltig!
Zu den sächsischen Feldherrn.
Nach Legnano! –
– Ich bins dem Herzen, bins dem Kaiser schuldig,
Nicht hinterrücks von ihm zu weichen! Selbst
Meld ich ihm meinen Entschluß – Möglich,
Daß er alsdann noch, wo's die höchste Zeit ist,
Den Starrsinn einsieht und sich fügt!
JORDANUS TRUCHSESS.
Ich zweifle!
HEINRICH DER LÖWE finster.
Dann – bald der Freund dem Freunde gegenüber! –
– Bei Gott, ich wollt, ich wäre nie geboren!
Entsetzlich drückt die Last des Lebens, drückt
Die irdsche Größe – Kronen sind so schwer
Als wie die Reiche, welche sie bezeichnen!
Heil, Heil dem freien Mann, der sich ernährt
Durch seiner Hände Werk, und seinem Nachbar
Des Abends ohne Furcht, daß er am Morgen
Als Feind im Schlachtfeld ihm begegne,
Die »gute Nacht« wünscht! Könige sind nur
Herausgeputzte Sklaven von Millionen! –
– – Brecht auf! und achtet, daß die Baiern mitmarschieren![37]
Mischt sichre Leute unter ihre Reihn,
Und unterdrücket Widerstand mit Schrecken!
Aufbruch und Abmarsch des Heeres Heinrichs des Löwen.
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