Erste Szene

[77] Lustlager des Kaisers und Reichstag bei Mainz. Überall prächtige Zelte und aufgerichtete Schranken für Turniere. Aussicht auf die das Lager einschließenden Ströme, Rhein und Main, mit ihren Rebenhügeln, und in der Ferne die Kuppeln von Mainz usw.


HEINRICH VON OFTERDINGEN tritt auf.

Wenn ich soll wählen auf der Erde, wähl

Ich mir den Kaiser oder Dichter – Beiden

Gehorcht die Welt – Denn was der Kaiser schafft,

Das kann der Dichter zaubern! – Welch

Ein Glanz umschimmert hier Waiblingens Thronsitz!

EIN TURNIERHEROLD hinter der Szene.

Die Sonn ist gleich geteilt! Brecht los, ihr Kämpfer!

EIN RITTER h.d.S.

Die Lanzen sind gesplittert, und die Rosse

Liegen im Sand – Schwertkampf zu Fuß!

GRAF VON BARCELONA h.d.S.

Es ruft

Der Graf Alfons von Barcelona

Den kühnsten Ritter der Franzosen vor,

Zum Speereskampf um ihrer Länder Ehre!

GRAF VON MONTPELLIER h.d.S.

Wenn Barcelona ruft, so hörts sogleich

Der Graf von Montpellier – Hoch Frankreich, und

Die Dame Blanchefleur! –

GRAF VON BARCELONA h.d.S.

Hoch Spanien,

Und hoch die Dame, deren Bild mir tief

Im Herzen brennt, allein die ich nicht nenne!

HEINRICH VON OFTERDINGEN.

Allüberall Turnier und Klang der Waffen!

Zur Ehr der Schönheit und des Vaterlandes[77]

Mit Blut und Tod gespielt! Die Hengste stolz

Auf ihre edlen Reiter, – weiße Zelter

Die Damen tragend, wie der Wind die Flammen,

Die Augen all zur Seligkeit entzündend! Schärpen,

Gestickt von Liebeshänden, Ritterbrüste

Umfesselnd – Helmesfedern flutend in der Sonne!

O, welche Herrlichkeit und Fülle!

TURNIERHEROLDE h.d.S.

Wer

Will um den ersten Siegspreis kämpfen? Nur

Ein Kranz ländlicher Blumen ists, allein

Die Kaiserin verteilt ihn!

ERZHERZOG VON ÖSTERREICH über die Bühne eilend.

Österreich

Stürzt in die Schranken!

HOHENZOLLERN ebenso.

Hohenzollern folgt

Ihm nach!

PRINZ PLANTAGENET ebenso.

Plantagenet von England auch!

DIE KÖNIGE VON POLEN UND BÖHMEN ebenso.

Auch Böhm' und Pole kommen!

ERZBISCHOF VON MAINZ ebenso.

Der Erzbischof

Schwingt auf den Gast die Keule!

KAISER FRIEDRICH h.d.S.

Halt! Werft Lose!

Der Kämpfer sind zuviel und zwei nur können

Es sein!

TURNIERHEROLDE.

Ihr Fürsten, zieht das Los! –

– Es traf den Hohenzollern und Plantagenet. –

HEINRICH VON OFTERDINGEN.

– – – Und Sie dort, die Burgunderin! entfernt

Von mir auf Kaiserthrones Höhen,

Und doch geliebt, geehrt, von meinem Blick gesucht

Als meines Lebens einzger Stern! Sie kämpfen,

Aus ihrer Hand den Lohn des Sieges zu

Erhalten – Und ich bin nicht in den Schranken?

Ach Träumen ist der Dichter Los, und selbst

Die Wirklichkeit wird Traum in meiner Brust! – – –

TURNIERHEROLDE h.d.S.

Bringt frische Speere, neue Schilde, für

Plantagenet und Hohenzollern!

HOHENZOLLERN h.d.S.

Weg

Die Schilde – Unsre Herzen sind schon fest[78]

Genug!

PRINZ PLANTAGENET h.d.S.

Du redest als ein edler Held!

TURNIERHEROLDE h.d.S.

Der dritte Gang

HOHENZOLLERN h.d.S.

Er ist vollendet! Mein

Der Sieg!

TURNIERHEROLDE h.d.S.

Erhebt Plantagenet vom Boden!

VIELE STIMMEN h.d.S.

Heil, Heil, dem Sieger Hohenzollern!


Kaiser Friedrich mit Beatrice, Erzbischof von Mainz, Fürsten, Ritter und Gefolge treten ein.


KAISER FRIEDRICH.

Mein Deutschland ist doch wunderschön!

Sieh diese Ebne jetzt, gleich der von Troja,

Die Bühne der Heroen, eingefaßt

Vom Silberarm des Mains und dunklem Rhein!

Vor uns die Stadt des Erzbischofs, voll von

Großartigen Erinnerungen, und seit

Jahrhunderten, inmitten aller Zeitenstürme,

Mit ihren Türmen zu dem Himmel weisend, –

Dahinter in bläulicher Dämmerung

Die Kathedralen Gottes, die Gebirge,

Und nirgends in Europa, so erhaben

Und ausgeschmückt mit Laub und Eise als

Vom Rheinquell bis zum Harze. – Unersteiglich

Erregen sie des Menschen Kühnheit

Zu dem Erklimmen auf, und wenn sie scheitert,

Beweisen sie ihr doch, daß es ein Größres

Als Menschenkräfte gibt!

BEATRICE.

Und jene Trauben

Als Festgehäng des Rheines, wie Rubinen

An ihm hinziehend – Gleich dem Abendrot

Des Herbstes leuchten sie! – Selbst mein Burgund

Kennt sie nicht schöner!

KAISER FRIEDRICH.

Durch die Adern braust

Burgunder – der Champagner stürmt zum Himmel –

Doch will ich schmecken und genießen – mir

Die Brust mit ernstem Heldentranke stärken,

So ists der alte Rhenus, der den duftenden

Pokal mir bietet![79]

REICHSHEROLDE mit Gesandten von England und Frankreich vortretend.

Die Gesandten Englands

Und Frankreichs!

DIE GESANDTEN.

Unsre Kön'ge senden uns und grüßen

Dich unterwürfig, und sie beugen sich

Vor deiner Krone Macht und Ruhm.

KAISER FRIEDRICH.

Es dankt

Der Kaiser ihrem Wohlwollen.

HEINRICH VON OFTERDINGEN.

– – Wie zuckts

So wehmutsvoll durch meinen Geist! –

Verschwinden

Wird einstmals alle diese Glorie!

Sie ist zu groß! Und Größe ist im Reich

Der Phantasie nur ewig. Oft geweint

Hab ich im Glück, doch nichts versteht davon

Die Menge!

EIN PROVENZALISCHER TROUBADOUR mit seinen Begleitern tritt ein.

Troubadoure der Provence

Versuchten es, mit leichtem Lied dich zu

Ergötzen – Doch verzeihe – Sie sind nicht im Stand,

Die Herrlichkeit des Kaisers zu besingen!

KAISER FRIEDRICH.

Gern höre ich den Ton des Landes d'oc,

Ich lernt ihn aus dem Mund der Kaiserin.

Die Antwort nehmt auf eure lieblichen Trouvaden

Zur Ehre eurem Vaterland, zur Ehre

Den Damen, die ihr feiertet

Von Arragonien bis nach Toscana!

Plas mi cavalier Françes,

E la donna Catalana,

E l'onrar dal Ginoës,

E la court' del Castellana,

Lou cantar Provençales,

E la dansa Trevisana,

E lou corps Arragones,

E la perla Juliana,

La man i Kora d'Anglés,

E lou douzel de Toscana!

ERZBISCHOF VON MAINZ.

Herr, das klingt gut – Doch sieht man zu, so ists

Verdorbenes Latein! Ich lobe mir das Deutsche![80]

KAISER FRIEDRICH.

Recht hast du! Der Franzose scherzt und künstelt,

Der Deutsche dichtet!


Deutet auf Heinrich von Ofterdingen.


Siehst du den da stehen?

ERZBISCHOF VON MAINZ.

Ich lud ihn ein.

KAISER FRIEDRICH.

Du tatest wohl. Ich merk

Auf ihn schon lange. Er ist meinesgleichen!

– Er schweigt, doch ists des Ozeans Stille, wenn

Er Erd und Himmel blinkend widerspiegelt.

Kein Laut wird hier gesprochen, keine Lanze

Zersplittert, und kein Liebesblick versandt,

Er fühlts in seiner Brust, und fort wirkts drin

In wunderbaren Kreisen!

HEINRICH VON OFTERDINGEN hat des Kaisers Worte gehört und tritt vor.

Kaiser, du

Erkennst den Dichter!

KAISER FRIEDRICH.

Ritter du und Dichter!

– Rinnen noch immer der Chriemhilde Tränen?

HEINRICH VON OFTERDINGEN.

Sie rinnen ewig, bis mit Hagens Blut

Sie sich vermischen!

BEATRICE.

Ist ein Weib so unversöhnlich?

HEINRICH VON OFTERDINGEN.

Sie kannte nur Ein Glück – Sie hat geliebt,

Und Siegfrieds blutbefleckter Schatten schwebt

Um sie in Attilas Umarmung!

BEATRICE.

Wahr

Ist es! Wir Armen kennen nur Ein Glück,

Doch ist es end- und grenzlos – Liebe!

KAISER FRIEDRICH.

Volker,

Der kühne Sänger?

HEINRICH VON OFTERDINGEN.

Er bewachte in

Der Nacht die Recken, und mit süßen Tönen

Schwor er den Schlummer auf sie nieder. Der

Verrat hat sie erweckt. Da ist sein Schwert

Ihm Fiedel worden, – mit dem grimmen Hagen

Verbündet, stürzt er in den Tod!

KAISER FRIEDRICH.

Und Hagen?

HEINRICH VON OFTERDINGEN.

Die Flamm umlodert schon die Burgundionen[81]

Und saugt sie aus bis auf das Mark! Sie dürsten!

Doch Hagen ruft: reißt euch die Pulse auf,

Und trinkt eur eignes Blut!

KAISER FRIEDRICH mit einem scharfen und prüfenden Blicke.

Und liefern

Sie ihn nicht aus?

HEINRICH VON OFTERDINGEN.

Ausliefern ihn? Den wilden,

Doch treuen Knecht? Hei, nun und nimmer! Eher

Zu Grunde die burgundschen Berge!

KAISER FRIEDRICH.

Wie

Im klaren Stromesbett der Kiesel, zeigt

In deiner Dichtung sich dein Herz! – So lang

In Deutschlands Gauen deutsche Männer stehen,

Wird auch dein Liedeshauch zu ihnen wehen!

HEINRICH VON OFTERDINGEN.

Hätt ich nicht Hohenstaufens Groß erblickt,

Nie wäre Nibelungen mir geglückt!

TURNIERHEROLDE treten vor.

Der Hohenzollern naht, den Siegeskranz zu fodern!

BEATRICE zu einer Dame ihres Gefolges.

Den Kranz!

HOHENZOLLERN von der Kaiserin knieend.

Mir glänzt des Lebens schönste Stunde!

BEATRICE.

Den Hohenzollern kränzt die Hohenstaufin!

Streit' stets für Tugend, Ruhm und Liebe, und

Dein Stamm grünt fort, wie heute diese Blätter!

HOHENZOLLERN.

O, wie ein Wald umrauschet meine Stirn

Der Lorbeer! Kaum vermag ich aufzustehn! –


Sich erhebend.


O Kaisrin, zeige mir das Feld der Schlacht,

Auf dem ich ihn verdiene! – Wär der Wittelsbacher

Nicht bei Legnano ruhmvoll hingesunken,

Jetzt schmückt' ihn dieser Preis!

BEATRICE.

Bescheidenheit

War immerdar des Mutes erste Zierde!

Und, Hohenzollern, sie schmückt dich!


Pause.


KAISER FRIEDRICH.

Ich seh[82]

Und seh – Seh nicht der Helden mächtigsten!

– Wo bleibt der Leu von Braunschweig?

REICHSHEROLDE.

Dreimal ward

Er vorgeladen, und ist nicht erschienen.

KAISER FRIEDRICH.

Nun,

So wagt er, wie ich es gedacht, den Kampf

Mit mir! Er sei versucht! –

Der Lehenspflicht

Entbind ich seine Lehensmannen alle,

Des Wittelsbachers Erben schenk ich Baiern!

Die Erzbischöfe Kölns und Triers, Bremens

Und Halberstadts Bischöfe, Holsteins Herzog,

Und Lippes edle Grafen, mögen sich

In sein Besitztum teilen, es zerstücken!

Geächtet ist er hiermit und gebannt,

Und alle Ritterschaft, die mich umgibt,

Ruf ich zum Heerzug wider ihn!

ALLE ANWESENDEN.

Wir folgen

Vom Ebro bis zur Weser deinem Rufe!

KAISER FRIEDRICH zu Beatrice.

O Weib! Du kennst nur Liebe, nicht die Freundschaft!

Die Liebe schmückt das Leben, wie den Baum

Die Rebe, – doch die Freundschaft bindet fest

Wie Ketten – Weh, wenn sie zerreißen! – Weh,

Wenn mir der Leu zum Fuß liegt, und da muß

Er liegen!

– – Öffnet Waffenspiel und Tänzen

Die Schranken! Laßt die Winzerinnen,

Die dort vom Rheingau nahn mit Blumen, kommen!

– Und, Ofterdingen, mit dir bricht der Kaiser

Heut seine erste Lanze!

HEINRICH VON OFTERDINGEN.

Wie werd ich

Mich mühn, den Sieg dir ehrenvoll und schwer

Zu machen!

DIE TURNIERHEROLDE nach allen Seiten rufend.

Abermals Spiel und Turniere!

Auf, Deutschland! auf, Hispania! auf, Frankreich!

HEINRICH VON OFTERDINGEN.

Der deutsche Adler regt sich schon im Winde,

Und Spaniens Leoparde streckt sich aus,

Und Frankreichs Lilien blühn, als könnte niemand[83]

Sie brechen! – Kaiser, zu dem Lanzenrennen!


Kaiser, die Kaiserin und die übrigen ab, bis auf den Erzbischof von Mainz.


ERZBISCHOF VON MAINZ.

Bei diesem Kaiser lebt es sich doch lustig,

Ist man gleich Erzbischof und Christian!

Ach, Christian! Verfluchter Name! Hätt ich mich

Bedacht: Sankt Christoph hätt ich mich genannt!


Ab.


Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 2, Emsdetten 1960–1970, S. 77-84.
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