[84] Feldlager Heinrichs des Löwen am Fuße des Harzes. Viele Wachtfeuer auf den Bergen, und in der Mitte der Szene ein großes, von sächsischen Feldherrn, Graf von Orla, Albrecht von Roden usw. umringt. Wachen und Soldaten. Unter den letztern Landolph und Wilhelm.
Jordanus Truchseß kommt.
EINE SCHILDWACHE den Speer vorstreckend.
Wer da?
JORDANUS TRUCHSESS.
Weg mit dem Eschenschaft – Hier sind
Nur treue Welfen!
GRAF VON ORLA.
Ha, Jordanus Truchseß!
Willkommen hier am Feuer!
JORDANUS TRUCHSESS.
Seid gegrüßt!
ALBRECHT VON RODEN.
Hier Bier von Goslar – Wein von Würzburg – Wähl
Und trink den Brüdern zu!
JORDANUS TRUCHSESS.
Zum Teufel
Der Wein von Würzburg und zum Teufel
Der Kaiser! Seine Herrlichkeit zu Scherben
Wie diese Flasche!
Er zerschmettert die Flasche Wein am Boden.
DAS SACHSENHEER von allen Bergen und aus allen Tälern.
Seine Herrlichkeit
Zu Scherben, wie die Flasche!
JORDANUS TRUCHSESS.
Horcht! Der Harz
Reißt alle Schlünde seiner Täler auf,[84]
Und brüllt die Antwort!
Brüder, lebt
Als Helden, sterbt als Sieger! Mit dem Trank
Walhallas wünsch ichs euch!
GRAF VON ORLA.
Der Ahnen Geist
Durchschäumt das Bier! Mir ists, als säße ich
Bei Alf und Wittekind, und tränken Met
Aus goldumfaßten Hörnern!
JORDANUS TRUCHSESS.
Alle
Erinnrungen der Vorzeit laßt erwachen! Alfs
Und Wittekinds Trinkhörner erbt ich von
Den Vätern! Knechte, bringt sie her!
Mehrere Knechte ab.
Krieg, bis
Die Schädel uns zerspringen, den Waiblingern,
Wie einst dem fränkschen Karl!
DAS SACHSENHEER.
Bis uns die Schädel
Zerspringen!
ALBRECHT VON RODEN.
Mehrers können wir nicht tun!
JORDANUS TRUCHSESS.
Nicht? Auch noch in dem Pfuhl der Hölle ring
Ich mit dem Schwaben! – Jahr für Jahr führt' er
Uns nach Italien, wie zur Schlachtbank,
Um da für seines Hauses Groß zu bluten –
Sein einzger Dank war Lächeln – Gott gelobt,
Der Herzog sah es ein! wir sind jetzt klüger
Und fechten für uns selbst!
Die Knechte bringen die Trinkhörner; sie werden gefüllt und umhergegeben.
Und gehn die Hörner!
Kein Judas unter uns! Nur sächsische
Gesichter, stark und frei!
Ein Trinkhorn ergreifend.
Da lag vielleicht
Die Lippe Wittekinds!
Ich trinke! Mit wem
Ich trinke, mit dem sterb ich!
GRAF VON ORLA trinkend.
Arme Sonne
Des Südens! Flau das Blut erhitzend, Schweiß
Austreibend! – Hier um Brand von Nordlands Fichten[85]
Schließt sich der Freundesbund am festesten!
JORDANUS TRUCHSESS.
Da glühts nicht nur, da flammts und brennts – Und weil
Es draußen kalt ist, weiß man auch warum! –
ALBRECHT VON RODEN.
Hifthörner, hört!
JORDANUS TRUCHSESS.
Hifthörner sind das nicht!
Es ist der Klang von Seemuscheln und Pfeifen,
Wie man sie hört, wenn mit dem Sturm der Ostsee
Seekön'ge kämpfen, und ins Mastbaums Segelwerk
Die zaglosen Matrosen jagen! – Waldemar,
Der Dänen König ists mit seinen Scharen –
Der Herzog winkte, und er kommt zur Hülfe!
ALBRECHT VON RODEN.
Und welche dumpfe Trommeln schallen dort
Durch Sturm und Nacht!
JORDANUS TRUCHSESS.
Der ganze Nord vernahm
Es, als der Löwe schrie – Litauens Großfürst
Mit seinen Slaven ist es!
König Waldemar von Dänemark und der Großfürst von Litauen treten ein.
WALDEMAR UND DER GROSSFÜRST.
Heil euch, Sachsen!
JORDANUS TRUCHSESS UND DIE ÜBRIGEN.
Willkommen, Bundsgenossen!
GRAF VON ORLA.
Wenn Slav und Däne sich mit uns vereinen,
So wird man Hohenstaufen bald beweinen!
JORDANUS TRUCHSESS.
Wem schwillt die Brust nicht, blickt er um sich?
Groß ist der Leu! Der Harz liegt rot im Licht
Der Fichten, schaut mit seiner Berge Stirnen,
Umglüht von Kriegesflammen, zornig in das Land,
Ein zweiter, hundertköpfiger Typhöus,
Und unterm schweren Schritte der Westfalen
Ertönen seine Felsen – Hohenstauf,
Hier gilts 'nen andren Kampf, als bei Legnano!
ALBRECHT VON RODEN.
Dort wollen die Wachtfeuer löschen. – Sturm
Durchbraust die Forsten![86]
JORDANUS TRUCHSESS.
Blitze seine Flügel,
Und Wolken sein Gefieder!
– Zündet
Die Feuer an aufs neue! – Trotzt der Windsbraut! –
Die Adler fliegen wie bewegter Sand
Vor ihr dahin – doch wir stehn unverrückt!
ALLE UM DAS FEUER VERSAMMELTE GROSSEN DES HEERES singend.
Laßt stürmen, toben, sausen,
Wir fechten, trinken, schmausen!
ALBRECHT VON RODEN.
Da auf der Eiche sitzt eine Uhu, rollt
Das Aug und heult!
JORDANUS TRUCHSESS.
Er wittert schon die Leichen,
Die bald mit Blut der Weser Ufer tränken!
LANDOLPH.
Wilhelm!
WILHELM.
Nun?
LANDOLPH.
Du, der Uhu da, ist ein
Verdächtger Kerl! Ihn trifft die Schwerenot!
Laß uns ihn fangen!
WILHELM.
Ists nur keine Hexe!
Er dreht das Auge, schwingt die Fittiche,
Als wär er ein Pastor, predigte,
Und hätte Verstand!
LANDOLPH.
Was Hexe, Wilhelm! – Heult
Er nicht in unsres Herzogs Lager? Duldest
Du das?
WILHELM.
Landolph, du kennst ja gut den Wilhelm –
– Wer unsren Herzog schimpft, den krieg ich unter,
Und kostets auch mein bißchen Leben!
LANDOLPH.
Komm!
Beide ab.
Herzog Heinrich der Löwe mit seiner Gemahlin Mathildis tritt aus dem Gebirge. Hinter ihm Gefolge.
GRAF VON ORLA ihn erblickend.
Ha, Er!
JORDANUS TRUCHSESS.
Den schwarzen Helm stolz auf dem Haupte,
Umflüstert und umgrünt vom Laub der Eiche!
GROSSFÜRST LITAUENS.
Und welch ein wunderholder, schlanker Engel
Geht ihm in Ritterrüstung an der Seite?[87]
JORDANUS TRUCHSESS.
Es ist der Stern, der ihm aus Abend aufging!
Mathildis, Tochter Englands, und sein Weib!
ALBRECHT VON RODEN.
Ringsum wirds still!
JORDANUS TRUCHSESS.
Die Stille vorm
Gewitter – Gleich wirds desto lauter donnern:
Hoch Braunschweigs Leu und hoch Mathildis!
DAS SACHSENHEER.
Hoch Braunschweigs Leu und hoch Mathildis!
Sie schlagen die Schilde aneinander.
HEINRICH DER LÖWE zu seinen Feldherrn und dem Heere.
Verlassen hat mich Baiern – nie dacht es
Mir wohl, vergaß nie, daß ich hier geboren –
Ihm ist verziehn! – Wo sind die Baiergrafen,
Die wir gefangen aus Italien führten?
JORDANUS TRUCHSESS.
Kennst du die Roßtrapp, und den Abgrund, der
Darunter gähnt? Da liegen sie mitsamt
Drei Herolden des Reichs – Da mögen sie
Verfluchen uns und sich verschwören, und
Die drei Herolde ein Zeter schreien
Um ihr zerschmettertes Gebein!
HEINRICH DER LÖWE.
Trier
Und Köln sind wider mich gewaffnet – Münster
Und Bremen, eine Menge Ortschaften,
Die Friedrich schlau auf meine Kosten frei
Erklärt hat, werden zu Verräterinnen, –
Die Städt und Lande fallen von mir ab
Wie welkes Laub – Es herbstet ja im Harze! –
– Doch mag es herbsten – Ich und dieser Harz,
Den ich am Fels hier fasse, stehn noch da,
Zwei unerschütterte Gebirge, stark
Genug, um tausend neue Frühlinge
Zu zeugen!
JORDANUS TRUCHSESS.
Wie der Waldbrand hinter dir
Dort aufflammt, angelegt von rohen Händen,
Die dich damit zu ehren wähnten, glühn
Die Sachsenherzen alle, dich zu rächen!
HEINRICH DER LÖWE.
Den Herzen leget tüchtig Holz nach! Denn[88]
Die Treue scheint im Sturm leicht zu erlöschen!
JORDANUS TRUCHSESS.
Und ob du schmälst, und ob du uns verkennst,
Für dich allein nur klopfen unsre Pulse!
KÖNIG WALDEMAR UND DER GROSSFÜRST LITAUENS.
Selbst Dän und Slave stehen dir zu Dienst!
HEINRICH DER LÖWE zu den Sachsen.
Es werden eure Häuser lodern!
JORDANUS TRUCHSESS.
Laß sie lodern!
Es brennen ja schon unsre Herzen!
HEINRICH DER LÖWE.
Der Kaiser zieht mit halb Europa
Von Mainz herauf, mich zu erdrücken!
JORDANUS TRUCHSESS.
Speer
An Speer starrt hier, ihn würdig zu empfangen –
Er sehe Niedersachsens Dornenhecken!
HEINRICH DER LÖWE.
Er hat des Herzogtumes mich entsetzt!
JORDANUS TRUCHSESS.
Daß wir in Aachen dich zum Kaiserthron
Erheben!
HEINRICH DER LÖWE zu Mathildis.
Was sagst du zu meinen Kriegern?
MATHILDIS.
Es
Sind die Verwegnen, die mein Heimatsland
Eroberten.
HEINRICH DER LÖWE.
Wer nicht des Meeres Fluten scheute,
Scheut nicht des Schwaben Andrang!
MATHILDIS.
Heinrich,
Laß dich umfassen! Endlich bist du, was
Du sollst! Entzügelt hast du deine Kraft –
Du trittst jetzt auf, und Main und Rhein erbeben
Bis zu den Quellen, die sich bang im Busch
Verstecken!
HEINRICH DER LÖWE.
Weißt du auch, daß wir
Auf Einen Satz des Lebens Würfel wagen?
MATHILDIS.
Gerüstet stehe ich ja da,
Um kräftig jedes Los mit dir zu tragen!
Landolph und Wilhelm kommen mit dem gefangenen und getöteten Uhu.
LANDOLPH den Uhu in der Hand.
Der Schurke krächzt sein Totenlied nicht wieder.[89]
– Herr Herzog, hat er nicht etwas vom Rotbart?
WILHELM.
Nein, gleich sieht er dem Erzbischof von Mainz,
Ein bißchen gräulich bläulich, einen Kopf
Dick wie 'ne Keule, und die Nase krumm!
HEINRICH DER LÖWE.
Ein starkes, mächtges Tier! Welche Krallen!
MATHILDIS.
Furchtbar!
HEINRICH DER LÖWE.
Das Schwert des Mainzers ist weit furchtbarer!
MATHILDIS.
Den Mainzer fürcht ich nicht, ich hasse ihn,
Denn er will dich vertilgen. Mich erschreckt
Die Eule aber, weil sie mich anwidert.
HEINRICH DER LÖWE.
– Mathildis, wär ich doch auf jenem Stern,
Der da so ferne blinkt und schön, geboren!
Ich könnte niederschaun, den Kaiser lieben,
Und brauchte nicht mit ihm die Schlacht beginnen! –
Er ist ein Mann, – so lang die Sonne leuchtet,
Nie strahlte sie um einen Herrlichren!
MATHILDIS.
Und denkt der Kaiser so von dir?
HEINRICH DER LÖWE.
Er tuts
Gewiß!
MATHILDIS.
So ist die Welt zu klein für ihn
Und dich – Seht klar eur Los voraus
Und bebt nicht vor dem Unvermeidlichen:
Der Eine von euch beiden muß zu Grunde!
HEINRICH DER LÖWE.
Muß!
Er sucht mich, ich begegn ihm! – Auf, ihr Welfen!
DAS SACHSENREER.
Auf, Welfen! Welfen! auf! zum Kampf!
Trommeln wirbeln, Stierhörner werden geblasen, und in Näh und Ferne beantwortet.
HEINRICH DER LÖWE.
Löscht aus die großen Feuer auf den Bergen!
In Asche soll der ganze Harz mit Haupt
Und Nacken trauern! – An der Weser gilts,
Den einzgen Freund der Jugend zu bekriegen!
DAS SACHSENREER.
Wir Hegen tot vor ihm,[90]
Sonst soll er tot vor deinen Füßen liegen!
Alle ab, bis auf Landolph und Wilhelm.
WILHELM.
Landolph! Hörst über uns den Hackelberg,
Den wilden Jäger? Gott beschütze mich!
Wie saust der Wald, wie schreit das Hochwild!
Und in der Luft die Rüden, Kliff und Klaff!
LANDOLPH.
Wilhelm, ich merke, es geschehen große Zeichen!
Es geht was Großes unter! Laß uns beten,
Daß es nicht unser Herzog sei!
WILHELM kniet und betet, Landolph mit ihm.
Gott schirme
Den Herzog!
LANDOLPH.
Amen – – – Komm! – Wo blickst du hin?
WILHELM.
Da in das Buschwerk – Sieh, mein Großvater,
Im weißen Hemd, wie er im Sarge lag,
Geht drin umher und blickt bisweilen trüb
Uns an!
LANDOLPH.
Ich sehs – Blick weg – Denk an den Herzog.
Beide ab, dem Heere nach.
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