Erste Szene

[92] Schlachtfeld an der Weser.


KAISER FRIEDRICH mit Gefolge.

Vom frühen Morgen schon bis Nachmittag

Währt dieser Schreckenskampf – Die Heere schmelzen

Zusammen, – aber keines weicht – Noch immer

Bebt mir die Kaiserkrone auf dem Haupte,

Noch immer reißt an ihr des Löwen Klaue!

– Sahst du je Ähnliches, Graf Barcelona?

GRAF VON BARCELONA.

Nie in der Welt. Und diese Wut, mit der

Der Gegner sucht den Gegner – diese Stöße,

Sicher und tödlich! – in dem Aug der Schwaben

Und Franken braunes, in der Sachsen Augen

Ein blaues Feuer lodernd –

Ha, dort droht

Gefahr! Ich muß dahin! Leb wohl, o Kaiser!

Wir sehn uns schwerlich wieder!

KAISER FRIEDRICH.

Laß das Best

Uns hoffen!


Graf Barcelona ab.


Hoch muß ich den Löwen achten!

Selbst jetzt, da er mein Heer durchrast verzweifelnd,

Welch unermeßliche, welch große Kraft!

JORDANUS TRUCHSESS hinter der Szene.

Was will der Geck hier? Der Franzose? Was

Hat er zu suchen? Wilhelm, spieß ihn mit

Der Lanze!

WILHELM h.d.S.

Das ist bald geschehn!

KAISER FRIEDRICH.

Da fällt[92]

Der Montpellier! – – Sie bringen ihn hieher!

GRAF VON MONTPELLIER zum Tode verwundet, wird auf die Szene gebracht.

Der Tag ist aus, mein Kaiser, und es naht die Nacht!

– Wirst du nur Einen Wunsch dem Sterbenden

Gewähren?

KAISER FRIEDRICH.

Jeden!

GRAF VON MONTPELLIER.

An der lieblichen Garonne

Erhebt in Blumengärten sich das Schloß

Vicomtes von Leval – Und darin wandelt

'Ne junge Dame – leicht am Glanz

Der dunklen Lock erkennt der Bote sie –

Ihr laß berichten, Montpellier sei heut

Gefallen, und sein letzter Atem sei

Gewesen: Blanchefleur!


Er stirbt.


KAISER FRIEDRICH.

Es soll geschehn

Wie ers gewünscht.


Zu einem Reisigen.


Auf, sattle du dein Roß

Und bring die Todesnachricht!

Tragt mit Kriegesehren

Vom Schauplatz ihn! –


Montpelliers Leiche wird weggebracht.


GRAF VON BARCELONA h.d.S.

He! Hülfe! Hülfe wider

Den Truchseß!

JORDANUS TRUCHSESS h.d.S.

Span'scher Narr, du bist verloren!

KAISER FRIEDRICH.

Verzweiflung kreischt in Barcelonas Stimme!

Die Not muß schrecklich sein! Ich komme selbst!


Abstürzend.


Hoch! Waiblingen!

JORDANUS TRUCHSESS h.d.S.

Und zehnmal höher Welf!

HEINRICH VON OFTERDINGEN.

Der Leu und seine Leute rasen wie der Tod,

Und unerschreckt greift Schwab und Franke

Sie immer wieder an. Mich faßt wahnsinniges

Entzücken – Wahrlich, ich könnt singen! – Doch[93]

Hinein in das Gefecht, zur Seit' dem Kaiser!


Ab.


ERZBISCHOF VON MAINZ tritt auf mit Truppen.

Verdammte Schlacht – Ich werde endlich müde! –

– Der Leu und Kaiser scheinen sich zu meiden –

Der Erste kämpft dort wider Polen, Böhmen,

Der Andre hilft dem Barcelona gegen

Den Truchseß!

Kinder, schlagt mir ja

Die armen Leute tot, und betet für

Die Seelen – Würget tüchtig, aber alles christlich!


Mit den Truppen ab.


GESCHREI DER SACHSEN h.d.S.

Weh, da stürzt Truchseß!

JORDANUS TRUCHSESS h.d.S.

Nicht verzagt um Einen,

Mein Geist soll schweben über euch!

KAISER FRIEDRICH kommt zurück, voller Blut, Ofterdingen ebenso, bei ihm.

Aus dem Gewog kommt man bluttriefend –

Der Truchseß fiel, und Barcelona kann

Sich nunmehr wider Braunschweig wenden!

HOHENZOLLERN kommt mit Soldaten.

Mein Kaiser, ich muß weichen – Steh mir bei,

Ich trags nicht länger – Lieber tot – Ich kehre

Zum Streit zurück!


Erzbischof von Mainz, Erzherzog von Österreich, die Könige von Polen und Böhmen kommen.


ERZBISCHOF VON MAINZ.

Verwundet, Kaiser, alle!

Der Leu hat ungeheure Tatzen! – Lach

Ich auch darob, so glaub mir doch, nicht weiß er,

Was Spaß ist – Bändigst du ihn nicht, sind wir

Geschlagen!

KAISER FRIEDRICH.

Vorwärts! Greift ihn an! Zeit ists,

Daß ich ihm selbst begegne!

ERZBISCHOF VON MAINZ.

Nach dem Kaiser!


Alle ab.

Andrer Teil des Schlachtfeldes.


HEINRICH DER LÖWE und sächsische Truppen.

Einsam wirds um mich, – Truchseß fiel, es fiel

Der Orla – fiel der Roden – Waldemar

Ist tot, Litaun gefangen – Doch was kümmerts?[94]

Sind Leu'n nicht immer einsam in der Wüste? –

LANDOLPH.

Laß fallen, Herzog, – immer noch genug der Treuen!

HEINRICH DER LÖWE.

Du blutest, Landolph?

LANDOLPH.

Eh, das bißchen Blut

Und die paar Wunden! 's ist nicht wert, daß man

Dran denkt! Ich rettete die Fahne!

HEINRICH DER LÖWE nimmt ihm die Fahne ab und trägt sie selbst.

Rot

Ist sie – sie trieft! In solchem Regen steh

Ich gern!

LANDOLPH.

Dein Harnisch ist zerschmettert, Herzog!

Verbinden laß mich deine Wunden!

HEINRICH DER LÖWE.

Mich

Verbinden? Sieh, vom Schlag der Axt ist mir

Das Haupt verletzt – Und Ein Verband nur, das

Mich heute heilt – die römsche Kaiserkrone!

ERZBISCHOF VON MAINZ kommt.

Blut! Blut! Den Wilden da! den Leu'n! Gegrüßt

Mit meiner Keule! – Eins, zwei, drei! Drei Schläge,

Und noch zu Stücken nicht! Westfale, kein

Lombarde!

HEINRICH DER LÖWE.

Unsre Knochen sind ein bißchen eisern! –

– Erzbischof, danke sehr!


Er haut auf ihn ein.


ERZBISCHOF VON MAINZ fechtend.

Ich fühls! – Mein Guter,

Der Kampf mit Leu'n und Bischöfen ist rar –

– Wie wird er enden?

HEINRICH DER LÖWE schlägt ihn zu Boden.

So!

ERZBISCHOF VON MAINZ.

Ja, ja, dein »So« –

Es ist der Tod! der Teufel hol die »So's«!

Ich sterbe – sterbe – Sela!

HEINRICH DER LÖWE.

Sela, Tapfrer!


Zu seinen Truppen.


Da stehn die Münsterer – Bis auf den Letzten

Vertilgt sie, die Verräter! Dort kommt Polen,

Und Böhmen, und auch Österreich! – Zu Boden

Die Schwächlinge!


Ein Teil der Truppen ab.


Wir streiten heut ums Höchste![95]

Verlieren wir, wird unser Land zerstückelt,

Gewinnen wir, so soll der Papst in Rom

Den Fuß mir küssen!


Erzherzog von Österreich, der König von Polen und der von Böhmen treten auf.


ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.

Leu, du bist dreifach

Von uns umringt!

HEINRICH DER LÖWE.

Bin ich dreifach umringt,

So hau ich dreifach mir den Weg!

Jetzt, Mann,

Lern Welfens Hiebe kennen!

DER ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.

Österreich

Sinkt hin, durchbohrt das Herz – doch stark der Geist noch!


Er fällt.


HEINRICH DER LÖWE.

Du Pole, krümme dich im Schmerz, du Wurm,

Der Löwen nahet!

Und du, lieber Böhme,

Verzeih, daß ich so ungeschickt, grad in

Die Brust den Speer zu stoßen!


Pole und Böhme fallen.


Landolph, Landolph,

Du braver Knecht – Wo ist der Wilhelm?

LANDOLPH.

Ja,

Der hat Geschäfte. Wie ich sehe, schlägt er eben

Den Barcelona nieder!


Kaiser Friedrich kommt.


Weh, der Kaiser!

KAISER FRIEDRICH.

Nie

Nimmt diese Schlacht ein Ende! Mann bei Mann

Fällt hin! Der Zweikampf beider Herrscher nur

Kann ihn entscheiden!

– Ha, da sind des Löwen Spuren!

Tot liegt hier Mainz, da Österreich, hier Polen,

Da Böheim an dem Wege, blutgefärbt,

Die Königskronen ganz zerschmettert –

Nah

Bin ich des Leuen Lager!


Er erblickt ihn.


Ha, da ist Er! –[96]

– – O Heinrich, Leu, o Leu, wie haben

Wir uns geliebt!


Er stürzt ihm in die Arme.


HEINRICH DER LÖWE.

Zurück! Beschmutz dich nicht!

Du siehst, mein Blut strömt aus den Adern!

KAISER FRIEDRICH.

Blut' ich nicht ebenso wie du?

HEINRICH DER LÖWE.

So scheints!


Auf sein Herz zeigend.


Doch blutest hier auch in dem Abgrund?

KAISER FRIEDRICH.

Zweifelst

Du dran?

– Mein Heinrich, wie die Morgensonn

Aus Nebeln, bricht dein Antlitz durch die Schlacht!

Von deines Auges Licht umflossen, flammt

Er wieder da, der Jugend schönster Tag,

Ein auferstandenes Gestirn!

HEINRICH DER LÖWE.

O Friedrich! Friedrich!

Mein Blut ist nichts! Wenn nur das schlechtste Eisen

Mich ritzt, so fließt es!

Doch sieh diese Träne,

Sie quillt von dort, wo niemand hinschaut! Sie

Fließt dir, fließt dem Gedanken heiterer

Und beßrer Zeit!

KAISER FRIEDRICH.

Wo wir, zwei Heldenjünglinge,

Uns trafen in des Rheines grünen Gauen,

Und unsren Wert erkennend, uns umarmten!

HEINRICH DER LÖWE.

Wo unsrer Busen Erz in Freundschaftsglut

Dahinschmolz, Eines in das Andere!

KAISER FRIEDRICH.

Wo

Wir Toren wähnten, durch den Bund den Groll

Der Welfen und Waiblinger zu vernichten!

HEINRICH DER LÖWE.

Ein Stern der Ferne glänzt noch jene Stunde,

Und doch stehn wir nun hier auf Tod und Leben!

DAS SACHSENHEER h.d.S.

Hie Welf!

DAS HEER DES KAISERS h.d.S.

Hie Waiblingen!


Laute Kriegsmusik.


HEINRICH DER LÖWE.

Vernahmst

Du das? Nicht nenn mich Feind! In jenen Stimmen

Rollen des Schicksals Donner über uns![97]

KAISER FRIEDRICH.

Ich lag

Zu Fuß dir bei Legnano!

HEINRICH DER LÖWE.

Ja, du lagst,

Und wild durchbrauste mich der Welfen Freude!

KAISER FRIEDRICH.

Zu meinem Fuß mußt du jetzt wieder sinken!

HEINRICH DER LÖWE.

Solang mein Schwert hält, steh ich hoch und fest!

KAISER FRIEDRICH.

Ich weiß es! Drum zum Kampf!

SCHWÄBISCHE UND FRÄNKISCHE KRIEGER sächsische Truppen verfolgend.

Endlich gesiegt!

Die Welfen fliehen oder sind erschlagen!

HEINRICH DER LÖWE zu seinen Leuten.

Schließt euch, ihr Tapfern, wieder!

KAISER FRIEDRICH.

Außer

Dem Hohenzollern, fielen meine Großen! –

– O Grimm und Zorn!

HEINRICH DER LÖWE.

Ja, Grimm, Zorn und Gefecht!


Er und der Kaiser fechten. Der Kaiser verwundet ihn.


KAISER FRIEDRICH.

O Heinrich, diese Wunde! Schmerzt sie?

HEINRICH DER LÖWE.

Friedrich wars,

Der sie mir schlug!

KAISER FRIEDRICH.

Also den Kampf erneut!


Er und Heinrich der Löwe fechten wieder.


HEINRICH DER LÖWE.

Ich stürze! Mit mir Sachsen!

KAISER FRIEDRICH über ihm das Schwert schwingend.

Ich bin Herr

Der Welt!


Die Sachsen flüchten.


HEINRICH DER LÖWE.

Mein Reich wird Raub der kleinen Hunde!

KAISER FRIEDRICH.

Es wirds – Doch tausend kleine Hunde zähm

Ich eher als den einen Leu'n!

HEINRICH DER LÖWE.

– Mathildis! –

Sie hat kein Land mehr, hat fortan nur mich.

Anfangs der Schlacht ward sie durch fränkschen Pfeil

Verwundet – Allzuhell schien ihr Gesicht –

Man zielte nur nach ihr –


[98] Leise und schmerzlich zum Kaiser.


Nicht meinetwegen,

Laß ihrethalb mich ziehen – den, der einst

In Roma dich gerettet!

KAISER FRIEDRICH gleichfalls leise und schmerzbewegt.

Heinrich, zieh –

Verfolgung soll dich nimmer stören –

Und glaub, du ziehst nicht einsam – meine Wehmut

Und mein Gedank begleiten dich!


Heinrich der Löwe ab.


– – O welch

Gefühl, auf diesem Feld zu stehn, wo Deutscher

Den Deutschen hat zerrissen! – –


Hohenzollern tritt ein.


Hohenzollern,

Sieh da die Weser!

Blutrot, wie Deutschlands aufgerißne Ader, strömt

Sie zu dem Meer, in ihm sich zu verstecken!

– Nach Goslar, über Sachsens Ende zu entscheiden! –


Ab mit seinem Heere.

Landolph und Wilhelm, beide schwer verwundet, sind unbemerkt an der Erde liegend, zurückgeblieben.


WILHELM.

Landolph, leb wohl! Grüß meine Mutter!

LANDOLPH.

Mutter!

Was soll die Mutter! Aus mit unsrem Sachsen!

WILHELM.

Aus! aus! – Ist auch die Liese tot?

LANDOLPH.

Sie stürzte!

Sie wußts, in Herzogs Dienst könnt ich nicht mehr

Sie brauchen!

WILHELM.

Landolph, Wilhelm hat dich sehr

Geliebt – Und auch die Muter und den Herzog! –

Er könnt es nur nicht sagen – Und

Stritt er nicht brav? Und scheut' er je den Tod?

LANDOLPH.

Du strittest stark und fielest ruhmvoll!

WILHELM.

Landolph,

Aus ist es mit den Träumen – Vaterland

Und auch gottlob! das Leben sinkt dahin – Ich sterbe!


Er stirbt.


LANDOLPH.

Mein Wilhelm! Deine Mutter weinet weniger

Um dich, als ich!


Will sich vom Boden erheben und kann es nicht.
[99]

Wohl, wohl, mit mir gehts auch zu Ende!

Die Wunden brennen überall –

Doch nach kriech ich

Des Herzogs Spuren!


Er kriecht auf dem Wege, auf dem Heinrich der Löwe die Bühne verlassen hat, fort.


Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 2, Emsdetten 1960–1970, S. 92-100.
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