Zweite Szene

[492] Schachten unter dem Montblanc.


FAUST erscheint.

Zerstreuung in der Erde Tiefen!


Mit einem Hammer an die Felsen schlagend.


Schlacken

Und Gold, und Zinn und Blei und Kupfer! Schön

Für einen Mineralienkrämer – Gnom

Und Dämon steigt herauf!

ERSTER GNOM.

Heran! Heran!

Hier schlägt ein Herz!

ZWEITER GNOM.

So haust hier Qual!

ERSTER GNOM.

Den Gnomen Scherz!

ZWEITER GNOM.

Schaut allzumal,

Wie's klopft, wie's schwellt!

ERSTER GNOM.

Das wär der Held,

Der unsren Herrn

Um den Montblanc läßt zerrn?

FAUST.

Wer murmelt hier? – Ihr Geisterchen? Nur zu!

Nichts tu ich euch. Tobt nur und spottet. Grab

Ich auch zum Eingeweid des Erdballs – Ich

Vergrabe Mich nur!

ERSTER GNOM.

Höhnt, verhöhnt den Toren,

Der nachts das sucht, was er im Licht verloren!

VIELE GNOMEN Gesang.

»Was ist das Herz? Was schlägts so sehr?

Kennt ihr das Tierchen? Wo kommts her?

Es ist ein Vampyr, dick und rund,

Und saugt Fausts Blut zu jeder Stund!«

FAUST.

Das nennt ihr Hohn? Das ist nur Wahrheit. Wahrheit

Beleidigt nie den Faust. Sie schmerzt bloß!

ERSTER GNOM.

Umschwebt mit Leichenkälte ihn, Dämonen!

Erdwürmer, schwarz und meilenlang,

Umgarnet ihn und macht ihm bang!

FAUST.

Welch wilder, wüster Lärm! Hier wär gut wohnen!

DIE GNOMEN.

O Doktorchen,

Du bist umzingelt![492]

Es naht, es ringelt

Aus allen Gründen!

FAUST.

Nichts kann mich binden!

ERSTER GNOM.

Nicht konntest du dich selbst verwunden,

Hielt man von je dich fest gebunden!

FAUST.

Das freie Roß ist ein Gerippe,

Fett wirds, gefesselt an die Krippe!

DIE GNOMEN Gesang.

»O selig, wer im engen Kreis,

Umringt von seines Feldraums Hecken,

Zu leben, zu genießen weiß,

Er spielt mit aller Welt Verstecken.

Er blickt nicht sehnend nach den Fernen,

Der ganze Himmel engt sich für ihn ein,

Der Horizont mit seinen Sternen,

Ist im Bezirke seiner Äcker sein.«

FAUST.

Sie denken mich zu ärgern und zu rühren,

Und sie satirisieren! –

– Doch jetzt, ihr dummen Hunde, bebt und hört

Mein ernstes Wort: ich weiß, ihr sammeltet

In diamantner Schale jene Tränen,

Die einst Amalia um mich im Tod

Geweint, als ich in ihrer Liebe sie

Verließ, – auch sammeltet ihr volle Tränen

Beim Thronsturz der Usurpatoren, heiß

Entfallen wie nach langer Schlachtenglut

Gereifte Frucht, – und in der hohlen Brust

Zischt euch die ewge Rache: heiße Flamme –

Das alles mischt mir durcheinander, – reicht

Es mir als Trank der Labe, so voll Schmerz,

Daß jeden andern Schmerz ich drob vergesse!

DIE GNOMEN.

Der Kessel quillt, wir brauen, Faust, wir brauen

– Es schäumt – da! trink ihn aus den Trank voll Grauen!

FAUST.

Gesegne alle Hölle diesen Trunk,

Und mög er mich vernichten!

DIE GNOMEN.

Prosit! Prosit!

FAUST hat getrunken und wirft den Becher an den Boden.

Ha, Kinderei der Geisterspuk! Nichts nützt

Er mir! nichts schadet er! Der Riese, den

Ich fürchte, wohnt nur in mir selbst. Ich schreie[493]

Verachtung über euch! Ein Schall, ein Laut

Ist mächtger als ihr alle: Donna Anna!

O Donna Anna!


Ab.


ERSTER GNOM.

Hä, Donna Anna! Qual und Leid!

Herr Faust verliebt in eine Maid!

Herr, der wollt die Welt ergründen,

Und konnte seine Brust nicht finden!

DIE GNOMEN.

Laßt jauchzen uns und jubilieren,

Bei Menschenqual wir triumphieren!


Sie verschwinden.


Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 1, Emsdetten 1960–1970, S. 492-494.
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