Zweite Szene

[118] Ein anderer Teil der Ostseeküste.

Der König Olaf, der alte Gothland und der Graf Holm treten feldflüchtig auf.


HOLM.

Wer unrecht hat, hat Glück! Wir sind

Geschlagen, und zerstoben ist das Heer!

KÖNIG.

Ich schiffe mich sofort nach Rußland ein

Und werbe dort ein neues an!

DER ALTE GOTHLAND.

Ich wandere nach Norwegs Tälern[118]

Und wenn sie dort die Väter ehren,

So müssen sich die Streiter um mich scharen!

HOLM.

Ich eile zum hochherzgen Volk der Deutschen,

Das für das Gute nur die Waffen schwingt,

Und fleh um Hülfe für die Unterdrückten!

KÖNIG.

Gib mir die Hand, verlaßner Vater!

DER ALTE GOTHLAND.

Gib mir die Hand, vertriebner König!

HOLM.

Und nehmt auch mich in euren Bund!


Sie halten sich umarmt. – Ferne Trompetenstöße.


KÖNIG.

Horcht, die Rebellen nahn; wir müssen scheiden!

– Am Kiölgebirg, wo sich die Heerstraßen

Von Dänmark, Schweden und Norwegen kreuzen,

Steht einsam eine unbewohnte Hütte,

Für den verirrten Wanderer erbaut –

Dort sehn wir uns am ersten Mai, in der

Begleitung neugeworbner Heere wieder!

HOLM UND DER ALTE GOTHLAND.

Am ersten Mai sehn wir uns wieder!

KÖNIG.

Lebt wohl, verzweifelt nicht und harret aus!

Denn sicher wie der Frühling auf

Den Fluren wiederkehrt, so sicher muß

Das Gute in dem Leben wiederkehren!

Die Wolkenzüge kommen und vergehn,

Die Himmelswölbung blieb seit ewig stehn!


Sie trennen sich und gehen ab.

Gothland, Gustav, Arboga, Rossan, Irnak, Berdoa, Erik, schwedische und finnische Krieger, treten auf. – Siegsmusik.


ARBOGA zu Gothland.

Feldflüchtig ward der Schwedenkönig Olaf –

Im Namen meiner Scharen biet ich Euch

An seiner Statt die schwedsche Krone dar.

GOTHLAND.

Ich nehm sie an!


Beiseit.


So hab ichs denn erreicht:

König bin ich von Schweden und von Finnland!


Laut.


Die Finnen und die Schweden sollen künftig

Den wechselseitgen Haß vergessen, und,

Vereinet unter meinem Herrscherstabe

In ewgem Frieden miteinander leben!


Zu Arboga.


Graf, herrlich habt Ihr in der Schlacht gefochten;[119]

Zum Zeichen meiner Dankbarkeit

Ernenn ich Euch noch auf dem Schlachtfelde,

Dem Boden Eurer Heldentaten,

Zum Fürsten von Arboga! –

– Sieh da der Neger.


Hämisch.


Nu, wie geht es dir?

BERDOA.

Recht gut.

GOTHLAND.

Das freut mich.


Er zieht ihn beiseit.


Auf ein Wort; – Mohr, du

Bist weit gereist; du sahst Timbuktu und

Sahst Samarkand, den Niger und den Nil,

Mehr als ein anderer hast du erfahren –

– Weißt du ein Mittel gegen die Blitze

Und gegen den Donner?

BERDOA.

Den Frommen, hört ich, sollen sie verschonen!

GOTHLAND wendet sich ärgerlich von ihm weg; zu Rossan.

Mich dünkt, es wär jetzt Zeit den Mohren aufs

Schafott zu schleppen!

ROSSAN.

Herr, so gern ichs täte, –

Es geht noch nicht; wir müssen ihn

Noch ein paar Tage laufen lassen, –

Ich kenne ja das finnische Gesindel!

GOTHLAND.

Der

Elende Pöbel! – Doch, ich will mich zu

Gedulden suchen!


Roßgetrappel.


He! wer reitet dort vorbei?

IRNAK.

Es ist Usbek mit seinen Reiterscharen.

– Wohin, Usbek?

USBEK im Hintergrunde.

Den Feind verfolgen!

IRNAK.

Es

Wird Abend und kaum scheint ein Stern heut nacht!

Du solltest warten bis zur Morgenröte!

USBEK.

Pah! Feuerkugeln sind der Schlacht Gestirne,

Pechkränze ihre Sonnen!

GOTHLAND.

Brav, Usbek!

Laß dich nicht Nacht und Dämmrung schrecken!

Die meisten Flüchtgen wandten sich gen Norweg;

Verfolg sie rastlos bis ans Kiölgebirg!

Ich komme mit dem Heere nach! Glück auf!

USBEK.

Hussah, so stürmt denn los, ihr Reiterscharen,

Wie tausendfüßge, erzbeschlagene[120]

Orkane!


Ab; Trompeten.


GOTHLAND.

Rüstet euch zum Nachtmarsche.

IRNAK zu Berdoa.

Die Dirne ist bereit.

BERDOA.

So will ich mit

Dem Buben sprechen!


Redet heimlich mit Gustav.


GOTHLAND in die Gegend blickend.

Dort eilt ein müder Landmann nach

Vollbrachtem Tagewerk zu seiner Hütte.

Er hat das letzte Korn gesät und hofft

Zu Gott, daß es gedeihen wird

Im künftgen Lenz. – Ein liebes Weib empfängt

Ihn vor der Tür und trocknet ihm den Schweiß ab –

(– Wer trocknet mir das Blut ab? –)

Ein traulich Feur winkt ihm auf seinem Herde

Und Kinder spielen um die Kniee ihm;

Ein süßer Schlummer, ungestört

Von Träumen, stärkt ihn für den künftgen Tag,

Und Friedensengel schweben über seiner Wohnung!

– Ich seh nicht ein, wie er vor mir

Dies schöne Los verdient; wär er

Versucht wie ich, so wär er auch wie ich

Gefallen –

Fort! reißet seine Hütte

Ihm nieder und zerstampfet seine Fluren!


Mehrere Soldaten ab.


GOTHLAND.

– Ihr göttlichen Gewalten, gebt mir, wenn

Ihr seid, ein langes Leben auf der Erde;

Es ist so wenig – ein unseliges

Bewußtsein seiner Nichtigkeit,

Ein Kriechen auf dem Schlamme, eine Kette

Von Qualen – und dennoch ists

Mein Alles! – Gönnt es mir!

Ich hab ja keine Ewigkeit, kein Glück

Und keine Hoffnung mehr, – peinigt mich, aber

Laßt mir das Einzge, was mir blieb, laßt mir

Das arme, nackte Leben! laßt es mir!

Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 1, Emsdetten 1960–1970, S. 118-121.
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