Zweite Szene

[385] Vor den Tuilerien. – Abenddämmerung.

Alte Gardegrenadiere zu Fuß, und polnische Lanzenreiter auf Wache. Überall Volk.


ALTER GARDEGRENADIER. Was hast du da?

EIN ANDERER ALTER GARDEGRENADIER. Betten aus dem Schloß.

ALTER GARDEGRENADIER. Wer schlief darin?

DER ANDERE. Die königlichen Haustruppen.

ALTER GARDEGRENADIER. Die haben ja einen Geschmack wie die Wickelkinder der – Ich wenigstens kannte außer Stroh und Straßenpflaster seit vierzehn Jahren kein Bett, und schlafe so besser, je härter ich liege.

DER ANDERE. Volk, nimm dich in Acht! Es stäuben Federn!


Er wirft die Betten unter das Volk, und legt sich zum Schlafe auf das Pflaster, viele seiner Kameraden ebenfalls. – Das Volk streitet sich um die Betten und reißt sie bei der Gelegenheit zu Stücken.


JOUVE kommt mit seinen Vorstädtern. Für sich. Wie es hier stehen mag? – Hm, schlimm – Hat der Kaiser hunderttausend Mann, die so wie diese für ihn sich in den Dreck lagern, so macht ganz Europa mit allen diplomatischen[385] Sofas nichts gegen ihn.

EIN BÜRGER. Auf die Seite, Platz gemacht!

EIN VORSTÄDTER. Weshalb, Kerl?

DER BÜRGER. Es sprengen zwanzig, dreißig Estafetten aus dem Tor des Palastes.

EIN ANDERER BÜRGER. Und da kommen grade dreißig wieder an – Gleich und gleich hebt sich!

ERSTER BÜRGER. Da fliegen Adjutanten heraus!

ZWEITER BÜRGER. Und da jagen Kaleschen hinein!

JOUVE für sich. Er ist da – und schon reißt er Frankreich in seinen Strudel – – Aber hier ein kaiserlicher Wagen, die Hortense darin – Die Wache liegt zum Teil schlafend auf den Boden – Macht sie nicht die Honneurs oder kommt sie in Unordnung, so faß ich frischen Mut, stürme noch heute nacht die Tuilerien, und pflanze auf seiner Leiche den Freiheitsbaum auf!

SCHILDWACHE ruft. Ins Gewehr! – Königin Hortense!


Die ganze Wache kommt in Bewegung, und hält gleich darauf zu Pferde und zu Fuß in Ordnung.


OFFIZIER DER GARDEGRENADIERE ZU FUSS. Präsentiert das Gewehr! Trommel gerührt!

OFFIZIER DER POLNISCHEN LANZENREITER. Säbel heraus! Trompete geblasen!


Trommeln und Trompeten.


VOLK. Es lebe Hortense!

HORTENSE blickt aus dem Wagenfenster. Ich danke!

VIELE DES VOLKES. Die ist doch hübscher als die Angoulême.

JOUVE für sich. Hier ist nichts zu machen – Die Leute sind zu einexerziert und zu begeistert – Weg meine Träume – Es lebe der Kaiser!

VOLK. Hoch der Kaiser!

OFFIZIER DER GARDEGRENADIERE ZU FUSS. Gewehr ab!


Es geschieht.


OFFIZIER DER POLNISCHEN LANZENREITER. Säbel ein!


Es geschieht.


DIE OFFIZIERE. Nun schlaft bis die Schildwachen euch wecken.[386]


Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 2, Emsdetten 1960–1970, S. 385-387.
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