Erste Szene

[235] Der Saal im Schlosse.


TEUFEL tritt auf; er hat den Pferdefuß wieder zugewickelt. Es schleicht hier ein riesenhafter Kerl herum, dessen lange Finger ununterbrochen auf den Galgen hinzudeuten scheinen, an welchem man ihn noch einmal aufhängen wird. Vielleicht paßt er in meinen Plan! – Still, da ist er! Ich will auf die Seite treten und hören was er sagt.


Der Freiherr Mordax tritt auf.


FREIHERR. Die Liddy ist ein prächtges Tier und behagt mir superbe! Sie hat, soviel ich von außen sehen kann, ein paar Zitzen, wie kein König! Ich will sie heiraten oder totstechen!

TEUFEL hervortretend; für sich. Ein schätzenswerter Mann! Laut. Graf Rindvieh, wenn ich nicht irre?

FREIHERR. Freiherr Mordax, wenn Sie keine Prügel haben wollen!

TEUFEL. Euer Gnaden sind in die junge Baronin verblüfft?

FREIHERR stöhnend. Über die Maßen!

TEUFEL. Ich verschaffe sie Ihnen.

FREIHERR. Wie?

TEUFEL. Aber auf Bedingungen!

FREIHERR. Bedingen Sie, was Ihnen beliebt.

TEUFEL. Erstlich müssen Sie Ihren ältesten Sohn Philosophie studieren lassen.

FREIHERR. Gut.

TEUFEL. Zweitens müssen Sie dreizehn Schneidergesellen ermorden.

FREIHERR. Hast du mich zum Narren, Schurke? Was sind das[235] für wahnsinnige Forderungen? Dreizehn Schneidergesellen ermorden! Weswegen denn grade Schneidergesellen?

TEUFEL. Weil es die unschuldigsten sind.

FREIHERR. Ja so! – Doch dreizehn! Welche Menge! Nein, sieben will ich zur Not abkappen, aber auch keinen einzigen drüber!

TEUFEL beleidigt. Meinen Sie, ich ließe mit mir handeln, wie ein Jude? Er will gehen.

FREIHERR hält ihn zurück. Hören Sie, Herr, ich will neun – elf – ja zwölf umbringen; nur den dreizehnten erlassen Sie mir! Das wäre über die grade Zahl hinaus!

TEUFEL. Gut, damit bin ich zufrieden, wenn Sie nämlich dem dreizehnten doch wenigstens einige Rippen zerbrechen wollen.

FREIHERR. Nu, auf die paar lausigen Rippen soll es mir nicht ankommen! – Aber – aber –

TEUFEL. Noch ein Aber?

FREIHERR. Ja, sehen Sie! ich habe einen neuen Rock und eine neue weiße Weste an, und die würden bei dem Totschlagen gewiß sehr beschmutzt werden!

TEUFEL. Wenns weiter nichts ist! Sie können ja eine Serviette vormachen.

FREIHERR. Hol mich der Geier, das ist wahr! Ich will 'ne Serviette vormachen!

TEUFEL. Und morgen erwarte ich Sie bei dem Waldhäuschen zu Lopsbrunn; da machen Sie sich die Serviette wieder ab und nehmen die Baronin in die Arme.

FREIHERR. Hohoho! Dazu werde ich freilich keiner Serviette bedürfen!


Er geht ab.


TEUFEL. Das gelang, sagt Octavio Piccolomini! – Nach meinen physiognomischen Kenntnissen zu urteilen, wird es bei dem Herrn von Wernthal nicht viel schwerer halten, denn der sieht akkurat so aus wie der fromme Äneas, als ich denselben gestern mittag vor dreitausend Jahren von der Dido weglaufen sah.

WERNTHAL tritt auf im Selbstgespräch. Bald ist also Hochzeit! – Meine Braut ist witzig, schön und edel. – Aber ich habe 12000 Rtlr. Schulden, und sie ist zu klug, um mir ein so großes Kapital ohne weiteres in die Hände zu geben, – ich wollte, sie säße auf dem Blocksberge und ich hätte[236] ihren Geldbeutel auf meinem Buckel!

TEUFEL hervortretend; für sich. Auch ein schätzenswerter Mann! Laut. Ihr Diener, Herr von Wernthal! Wie gehts?

WERNTHAL. Schlecht, Herr Generalsuperintendent.

TEUFEL. Was soll ich Ihnen für Ihre Braut bezahlen?

WERNTHAL erzürnt. Herr, Sie –!

TEUFEL. Ich bin ein leidenschaftlicher Sammler von unehlichen Maikäfern, fetten Gastwirten und jungen Bräuten, und würde mit dem Preise eben nicht knickerig sein.

WERNTHAL. So so!! Ein Sammler! Nicht knickerig sein! – Was bieten Sie mir denn für Liddy? Sie ist ausgezeichnet schön!

TEUFEL. Für ihre Schönheit gebe ich 2000 Rtlr. in Konventionsmünze.

WERNTHAL. Sie hat Verstand!

TEUFEL. Dafür ziehe ich 5 Gr. 2 Pf. ab, denn der ist bei einem Mädchen ein Fehler.

WERNTHAL. Sie hat eine feine, weiche Hand.

TEUFEL. Das macht sanfte Ohrfeigen; dafür bezahle ich Ihnen 7000 Rtlr. in Gold.

WERNTHAL. Sie ist noch unschuldig!

TEUFEL zieht ein saures Gesicht. Ach, Unschuld hin, Unschuld her; dafür gebe ich Ihnen nicht mehr als 3 Gr. 1 Pf. in Kupfer!

WERNTHAL. Herr, wissen Sie auch, daß das Pfund Hammelfleisch über 4 Gr. Kurant kostet?

TEUFEL. Pah, seit der verschlechterten Straßenbeleuchtung und der Einführung der neuen Grenzakzise ist das Hammelfleisch sehr teuer und die Unschuld außerordentlich wohlfeil geworden. In Berlin zum Exempel erhält man in der Abenddämmerung die Portion Unschuld für zwei, drei, oder wenn es hoch kommt, für vier falsche Silbergroschen, den Rabatt noch ungerechnet.

WERNTHAL. Aber Liddy hat zugleich Gefühl, Einbildungskraft –

TEUFEL. Gefühl schadet dem Teint, Einbildungskraft macht blaue Ringe um die Augen und verdirbt die Suppe. Für den ganzen Rummel gebe ich aus Ironie einen Dreier.

WERNTHAL. Sie haben einen ziemlich ekeln Geschmack![237]

TEUFEL. Kurz und gut, ich bezahle Ihnen dafür, daß Sie von den etwaigen sittlichen, meiner Gesundheit nicht zuträglichen Eigenschaften der Baronin endlich einmal still schweigen, noch 11000 Rtlr. in holländischen Randdukaten, und frage Sie nun, ob Ihnen meine Anerbietungen annehmbar scheinen?

WERNTHAL. Was macht demnach alles in allem?

TEUFEL an den Fingern abzählend.

Für die Schönheit 2000 Rtlr. in Konventionsmünze,

für die Unschuld 3 Gr. 1 Pf. in Kupfer,

für die weiche Hand 7000 Rtlr. in Gold,

für das Gefühl und die Einbildungskraft 1 Dreier aus Ironie,

weil von den sittlichen Eigenschaften still geschwiegen wird, 11000 Rtlr. in holländischen Randdukaten, – macht zusammen 20000 Rtlr. 3 Gr. 4 Pf. Davon ziehe ich jedoch 5 Gr. 2 Pf. für den Verstand ab, – bleibt also Rest: 19999 Rtlr. 22 Gr. 2 Pf.

WERNTHAL. Topp, Herr Bräute- und Maikäfer- Sammler! Wann erhalte ich das Geld?

TEUFEL. Gleich! – Versprechen Sie mir indes zuvor, die Liddy morgen in das Waldhäuschen von Lopsbrunn zu locken, die Begleitung von Bedienten zu verhindern, und denjenigen, welche dort das Fräulein wegrauben werden, nicht weiter nachzuspüren.

WERNTHAL. Ich verpflichte mich dazu, mit Ausnahme der Bedingung, daß ich die Baronin nach Lopsbrunn locken soll, weil man das von mir verdächtig finden würde. Ich rate Ihnen, den Ästheticus Rattengift zu bewegen, der Liddy eine Spazierfahrt dahin vorzuschlagen; er liest viel in den Schriften der neuromantischen Schule und ist in die Waldhäuschen wie vernarrt!

TEUFEL. Ich will es mit ihm versuchen; – aber für diese Beschränkung müssen Sie sich gefallen lassen, daß ich Ihnen die Hälfte der schuldigen Summe in österreichischem Papiergelde entrichte.

WERNTHAL. Ei, Herr, Sie sind verdammt filzig!

TEUFEL fühlt sich geschmeichelt und schmunzelt. O ich bitte – Sie machen mich erröten! Ich bin zwar gerne verdammt, bin zwar gerne filzig, rasend gerne filzig, bin aber noch lange nicht filzig genug! Geht mit Wernthal ab.[238]


Quelle:
Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Band 1, Emsdetten 1960–1970, S. 235-239.
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