33. Morgen-Lied

[335] 1.

Das ewig unvergänglich Liecht /

das Gnadensafftig einher bricht

und Seegen auf uns thauet /

schafft / daß die Sonn der Klärheit Thron /

des Sternen-Reichs verguldte Kron /

man frölich wider schauet.

Ehret / mehret

Gottes Würde / eur Begierde /

soll itzt ringen /

Gott am ersten Lob zu bringen.


2.

Die kleine folg der grossen Welt /

und werd nächst ihr zugleich erhellt:

doch mit viel edlern Strahlen /

die nicht / wann dieses grosse Rund

wird gehen ganz und gar zu grundt /

mit solchem auch hinfallen.

Herzen / Kerzen /

Geistes glänzen / kan bekränzen /

wann die Erden /

muß zu Staub und Aschen werden.
[336]

3.

Gib / daß der Geistes-Sonnen Krafft

geb meiner Sinnen-Erde Safft:

viel Tugend-Blüh zu zeigen.

Laß solche / wie die Sonnen-Ros' /

erhebend von dem Erden-Kloß

zu dir sich wider neigen.

Anfang / Fortgang /

glücklichs Schicken / quickends Glücken /

seeligs Enden /

kommt / O Gott / aus deinen Händen.


4.

Wann deine Gnaden-Hand mich führt /

mein Geist dein Geist-Bestrahlung spürt /

dein' Allmacht mir beyspringet:

so ist mir nichts unmüglich hoch.

Wann tausend Hydren wären noch /

wann mich die Höll umringet /

wolt' ich / kecklich

sie verlachen / meine Sachen /

wohl vollbringen /

dir / Herr / Lob und Sank zu singen.

Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. 335-337.
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