Auf die aller grausamste und erbärmlichste Creutzigung / meines Erlösers

[146] Seht Wunder / was ist das? Gott / an das Creutz anhäfften!

jetzt siht die Brunnen man der Lieb recht offen stehn:

die liebe Lebens-Flüß' aus allen Adern gehn;

jetzt springt Erlösungs-Quell aus allen Leibes-Kräfften.

Die wesentliche Gnad / vermängt in diesen Säfften /

wir sichtbar nun vor uns in Blut-Rubinen sehn.

Doch muß der Heilig Geist die Krafft ins Herze wehn:

ohn Ihn / verstehn wir nichts in diesen Heilgeschäfften.

Du wirst ans Creutz / und wir an Himmels-Thron / erhaben:

hängst bloß / damit uns dort dein' Heiligkeit bekleid.

Je reicher herrscht die Lieb / je mehr die Schmerzen toben.

Viel eh die Seel vom Leib / als unsre Lieb / sich scheidt.

Er ist gecreutziget / daß wir gekrönet werden.

Daß uns der Himmel lab / verschmacht Er auf der Erden.

Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. 146-147.
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