Auf meines Erlösers Bande / im Oelgarten

[137] Was Wunder! lässt sich dann der Erzerlöser binden?

die selbste Freyheit man mit Banden hier bestrickt.

von Sünden-Fässeln wird der Heiligste gedrückt.

Die unbegreifflichkeit / lässt sich mit Seil umwinden.

Den unerforschlichen sie hie / zum Binden / finden.

Die Ewig Ewigkeit / in Kerker wird gerückt.

Die Welt-Erbauungs-Hand / sich in die Stricke schmückt.

Ach hätt / durch Allmacht / Er doch können wol verschwinden.

Ja! eben dieses ist der Wunder Mittelpunct /

daß der Allherrschend' Herr so willig war zu Leiden /

wolt Gottheits-Erbe-Recht mit Lust im Leiden meiden:

daß nur die klare Lieb' hell' aus dem Herzen funkt'.

Er hat durch seine Band der unsern uns entbunden /

und selbe von uns ab-auf seinem Leib gewunden.

Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. 137-138.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Geistliche Sonnette, Lieder und Gedichte
Geistliche Sonnette, Lieder und Gedichte