[Auch jetzt bist du entflohn, und immer]

[67] Auch jetzt bist du entflohn, und immer,

sooft der Freund zu deiner Klause wallt,

sprich; ziert denn die Chemie ein höhrer Schimmer

als jener, der der Freundschaft Haupt umstrahlt?

aus ihren Armen hast du dich gerissen,

um jene kalte an dein Herz zu schließen!


O Freund, aus Tiegeln und aus Töpfen

sproßt nicht des Lebens blüteschwerer Baum,

auch wirst du Süßes nie aus ihnen schöpfen,

als höchstens Zucker und wohl das auch kaum.

Nur Freundes Glut macht deinen Trübsinn heller,

Nicht Küchenfeur im Augustinerkeller.


Drum steig herauf aus jenen kalten Schlünden,

in denen nichts Warmes liegt, als etwa Klosterwein,

an meinem Herzen wirst du Wärme finden,[67]

mehr als bei deines chemschen Ofens Schein,

hör auf, dort dein Talent an Rüben zu verschwenden,

denn schönre Frucht lacht dir in meinen Händen.


Die Freundschaft ists, der Menschheit höchste Zierde,

die Auserwählten nur der Himmel schenkt,

wirf sie von dir, die ekelhafte Bürde,

die dir das Herz mit schmutzgen Banden engt,

fort, Freundschaft beut dir schönre Kronen,

und Spartakus mag dich belohnen!

Quelle:
Franz Grillparzer: Sämtliche Werke. Band 1, München [1960–1965], S. 67-68.
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