[Gegen Zedlitz]

[258] Gott erhalte unsern **

Gott erhalt ihn fett und feist,

Allen Menschen Gutes gönnend,

Doch, wie billig, sich zumeist.


Halt ihn frei von Nahrungsorgen,

Münz ihm durch die Presse Geld,

Und will Harpagon nicht borgen,

Sei ein Sosias geprellt.


Von der tiefsten Herzensmeinung

Schneid er ab der Verse Zahl,

Ists mit den Koupons zu Ende,

Geht zu Markt das Kapital.


Wahre gnädig seinen Leichnam,

Der du Bauch und Sphären wölbst,

Daß die abgeschoßne Kugel

Streng sich drehe um sich selbst,


Deck ihm täglich seine Tafel,

Im Palast, im Mäklersaal,

Bei Karlisten, bei Christinos,

Wer traktiert, ist liberal.


Halt geläufig seine Zunge,

Gönnt im höchsten Freiheitston

Er zur leichteren Verdauung

Ihr nach Tische Motion,


Aber auch laß nie ihn ahnen,

Daß ein Wort zugleich ein Mann,[258]

Und der Mund, der eitel geifert,

Seinen Eigner spucket an.


Und so leb er bis ans Ende,

Ein verzärtelt glücklich Kind,

Weiß man doch, daß Dichterworte

Dichtung, ei, und Worte sind.

Quelle:
Franz Grillparzer: Sämtliche Werke. Band 1, München [1960–1965], S. 258-259.
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