An einen geschiedenen Freund

[272] Bist du gegangen, müd der ewgen Kriege,

Die Einsicht mit der Torheit ficht und schlägt,

Und hast, verzweifelnd an dem späten Siege,

Die wohlgebrauchten Waffen hingelegt?


Wohl gut! denn ob man steh, ob unterliege,

Der Feind bleibt ewig ganz und unbewegt;

Ist Allgemeinheit der Gemeinheit Wiege,

Tilgt man ein Kraut, des Same wieder trägt.


Dir stand es frei, du hast mit eignem Wählen

Der Waffen edlen Dienst dir ausersehn,

Auf Freigescharte darf das Heer nicht zählen;
[272]

Doch wir, die zu der Fahne wir geschworen,

Uns ziemt es, bis zum letzten Hauch zu stehn,

Daß, ob der Sieg, die Ehre nicht verloren.

Quelle:
Franz Grillparzer: Sämtliche Werke. Band 1, München [1960–1965], S. 272-273.
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