Bei Ankunft ihrer Majestät Maria Anna, der jüngeren Königin von Ungarn, in Wiener-Neustadt, von einem Mädchen mit einem Blumenstrauß überreicht

[193] O Fürstin, du, dem schönen Land entnommen,

Wo Myrt und Lorbeer steht, wo die Orangen blühn,

Sei du auf deutschem Boden uns willkommen,

Im Land der Eichen, die nicht minder grün.


Und sahst du, kommend, schneebedeckte Flächen,

Des Baches Lauf gehemmt von starrem Eis;

Wir konnten doch dir diese Blumen brechen,

Was dort Natur, gibt Neigung hier und Fleiß.


Und so auch! Harre nur noch kurze Stunden!

Wir haben einen Lenz, und er ist schön;

Hat erst die Flur des Frühlings Hauch empfunden,

Wird prangend sie, gleich deiner Heimat stehn.


Sei du die Sonne! laß die Decke schwinden,

Die unsrer Zukunft Boden halb verhüllt,

Und in Hesperien sollst du froh dich finden,

Mit Herzen, nicht mit Blumen nur erfüllt.

Quelle:
Franz Grillparzer: Sämtliche Werke. Band 1, München [1960–1965], S. 193.
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