3.

[31] Brunnenhold und Brunnenstark zogen aber fort und immer weiter fort, und kamen endlich an einen dichten Wald, der so verwachsen war, daß die Sonne mit ihrem Scheine gar nicht durchdringen konnte, daß es fast nie recht Tag drin ward. Der Weg ward eng, auf dem sie gingen, und hatten kaum Raum, neben einander darauf zu gehen. Und wie sie recht in der Mitte des dichten Waldes waren, da hörten sie plötzlich ein Gebrülle, das war stärker, als sie je noch eins vernommen. Und ihnen grausete halb, als sie es vernahmen, und halb freuten sie sich; denn sie dachten, es gäbe nun ein Abentheuer zu bestehen. Da kam das Gebrülle immer näher und immer näher, und sie hörten's jetzt ganz dicht am Wege, und hörten's rauschen durch den Wald. Siehe da trat eine Löwin in die Mitte des Weges, und schaute sie ruhig an, und brüllte laut, und ging zurück in den dichten Wald.

Da sprach Brunnenhold zu Brunnenstark: »War's mir doch gerade, als ob sie brüllend zu uns gesagt, wir sollten hier warten.«[31]

»Wars denn nicht so?« fragte Brunnenstark. Und sie standen noch und sprachen davon, da rauscht' es wieder nahe vor ihnen, und heraus trat die Löwin, und in ihrem Rachen trug sie zwei junge Löwen, und warf sie nieder vor ihnen, und brüllte. Und sie verstanden deutlich die Worte. »Da nehmt sie; ihr werdet sie brauchen können.« Darauf verschwand die Löwin, und ließ die jungen Löwen vor ihnen. Aber Brunnenhold und Brunnenstark machten Ketten für sie von gewundenen Weiden, und führten die jungen Löwen daran nach sich, und sprachen davon, wie wunderbar es doch sei, was ihnen begegnet mit dieser Löwin.

Aber sie hatten noch nicht davon ausgeredet, da brummte und brummte etwas durch den Wald, und rauschte vor ihnen durch die Büsche, und eine Bärin trat heraus, und sah sie an, und brummte laut, und ging zurück in den Wald. Es verging eine kurze Zeit; da kam sie wieder heraus, und schleppte zwei junge Bären mit sich, und warf sie vor sie hin auf den Weg, und brummte deutlich: »Nehmt sie, ihr werdet sie brauchen können.«

Und sie erstaunten noch mehr darüber, daß dies das zweite unbändige Thier war, das ihnen die eigenen Jungen hingab. Aber sie wandten sich wieder Gerten zu einer Kette, und banden die jungen Bären daran, und führten sie nach sich.

So gingen sie weiter. Da hörten sie plötzlich ein fürchterliches[32] Geheule um sich. Und es kam näher und immer näher, und eine Wölfin trat heulend hervor aus den Gebüschen, und schaute sie an, und lief wieder zurück. Und sie harreten erstaunt, zu sehen, ob denn die Wölfin ein Gleiches thun werde, wie die Löwin und Bärin. Aber sie standen nicht lange, da kam sie, und brachte ihnen zwei junge Wölfe, warf sie ihnen vor die Füße, und sie hörten sie in ihrer Sprache und Stimme sagen: »Nehmet sie; ihr werdet sie brauchen können!« Und sie machten jeder auch für die jungen Wölfe eine Kette von gewundenen Gerten, und führten sie daran.

Dann sprach endlich Brunnenhold zu Brunnenstark: »Es ist recht schön, daß uns jedem das Gleiche begegnet. Aber doch dünkte mir schöner, wir schieden, und bestimmten uns einen Ort, wo wir wieder zusammen treffen wollten. So würde jedem ein ander Abentheuer begegnen, und wenn wir uns dann wieder einmal fänden in der Welt, so könnte einer dem andern erzählen, wie es ihm gegangen, und wir würden ein doppelt Leben voll Abentheuer führen.«

Diese Rede gefiel Brunnenstark, denn er hatte dasselbe auch schon bei sich gedacht, und nur darum nicht seinem Bruder gesagt, weil er fürchtete, dieser möcht's nicht gerne thun. Denn er meinte, sie könnten auch so über kurz oder über lang, der Eine oder der Andere ihre Mutter antreffen in[33] der Welt. So wurden sie denn eins, am ersten Scheideweg sich zu trennen, und einer rechts, der Andere links zu ziehen.

Als sie aber an den ersten Scheideweg kamen, blieb Brunnenhold stehn, und zog sein Messerlein neben dem Jagdmesser hervor, und steckts bis an das Heft in einen starken Eichenstamm, der an der Scheide des Weges stand, und sagte: »Thue Du auch so, auf daß jeder ein Zeichen habe, wenn er zurückkommt, ob der Andere noch am Leben ist.« Und Brunnenstark zog auch sein Messerlein, und steckts in den Eichenstamm bis an das Heft. Dann umarmten sie sich, und schieden von einander, und versprachen, nach etlichen Jahren wieder zu kommen, und zu sehen nach den Messern, ob sie nicht rosteten. Und sie zogen ein jeder sekne Straße, einer rechts, der andere links.

Brunnenhold war aber die Straße rechts gezogen vom Kreuzweg, und zog weiter und immer weiter durch Feld und Flur, über Berg und Thal, und trieb sein Waidwerk nach Lust und Gefallen, heute hier, morgen dort. Und so kam er eines Tages an eine große Stadt. Als er aber eintrat ins Thor, war Alles an den Häusern behangen mit schwarzen Tüchern, und statt der Fahnen weheten vom Rathhause lange Trauerflöre. Auf den Straßen herrschte überall eine Todtenstille, und kein Mensch ließ sich sehen.

Da trat er in eine Herberge und forderte sich beim[34] Wirthe einen frischen Trunk. Aber der Wirth ging, und holte ihm einen frischen Trunk, und stellte ihm selbigen vor auf den Tisch, und redete nicht, und sagte nicht einmal: »Wohlbekomm's.«

Da ward Brunnenhold neugierig, zu hören, warum die ganze Stadt also traurig wäre, und wandte sich zu dem Wirthe, und sprach: »Ei, sagt mir doch, mein Freund, was ist Euch denn begegnet und Eurer Stadt? Ihr geht in schwarzen Kleidern, und überall seh ich schwarze Tücher ausgehängt und Trauerflöre wehen. Wer ist Euch denn gestorben?«

Aber der Wirth seufzte schwer, und sprach: »Ach, Herr, wir haben ein groß Unglück! Seht, stellt Euch da her an das Fenster, und schaut da hinüber! Was seht Ihr drüben auf dem Berge?«

»Ich sehe nichts,« sprach Brunnenhold, »als einen großen viereckigen Fels.«

»Nun ja!« sagte der Wirth, »so seht Ihr unser ganz Unglück vor Augen.«

Da verwunderte sich Brunnenhold und sprach: »Wie kann aber der Stein Euer ganzes Unglück seyn? das begreif' ich nicht! Er liegt ja recht fest auf dem Rücken jenes Berges, und mag da noch lange liegen, ehe er herunterfällt und Euer Haus zusammenschlägt.«[35]

»Ja,« sagte der Wirth, »da hat's freilich keine Noth. Seht, der Stein heißt aber der Drachenstein, und da müssen wir alle Neumond die Jungfrau darauf stellen, die zuletzt in der Zeit von Neumond zu Neumond in der Stadt sechzehn Jahre alt worden ist. Die wird dann von einem fürchterlichen, siebenköpfigen Drachen mit Haut und Haaren verschlungen. Thun wir es aber nicht, so hat der Drache gedroht, über unsere Stadt und alle Städte und Dörfer des Reiches zu kommen, und aus seinen sieben Köpfen Feuer zu speien, und alles zu verschlingen, was ihm unter seine vierzehn Feueraugen kommt. Darum werden allemal am ersten Tage nach dem Neumond schon wieder für's nächstemal die Register von den Jungfrauen durchsehen, die in der Zeit ihr sechzehntes Jahr erreichen. Und die Jüngste kommt dann auf den Drachenstein. Seht, nun ist aber in den letzten vier Wochen gerade allein des Königs einzige Tochter sechzehn Jahre alt worden, und so muß diese heute Mittag hinausgeführt werden. Und die solltet Ihr erst sehen. Sie ist ein wahres Muster aller Jungfrauen an Schönheit und Tugend.«

Darob verwunderte sich Brunnenhold, und sprach: »Jetzt begreife ich, warum solche Trauer herrscht in Eurer Stadt. Aber sprecht, war denn noch kein Mann in Eurem Lande so beherzt, der es wagte, den Drachen zu erlegen?«

»Ja, erlegt Ihr!« antwortete der Wirth, »das ist[36] kein Kerlchen, wie Ihr, so ein Drache, mit rothwangigem, glattem Gesicht und sanften blauen Aeuglein. Nein, der hat Schuppen auf sich, wie von Stahl, und um den ganzen Leib Schuppen. Nur um seine gefräßigen Hälse hat er schmale Ringe, wo er zu verwunden ist. Aber da mag der Henker drein hauen.«

»Warum denn?« fragte Brunnenhold.

»Warum denn?« antwortete der Wirth. »Weil's dem Lasterthiere von Drachen gerade recht ist, wenn man ihm einen von den sieben Köpfen abhackt. Denn auf der Stelle wachsen ihm aus dem hervorquellenden Blute zwei neue Köpfe heraus. Meint Ihr, es hätt's noch keiner gewagt mit ihm? Er hatte im Anfang auch nicht mehr Köpfe, als ich auch. Da haben's schon sechse mit ihm gewagt, aber allemal ist der Drache um einen Kopf reicher worden, und die Wagehälse um ihren einzigen Kopf ärmer. Der Drache hat sie allemal rein aufgefressen.«

Als sie aber noch so zusammen sprachen, kam ein Herold durch die Straße gezogen, der ließ vor sich her posaunen, und rief mit lauter Stimme: »Der König hat bei seinem Haupte geschworen, der solle sein Eidam werden, der heute den siebenköpfigen Drachen erlegt, und so die Königstochter vom Drachenstein erlöset.« Darauf zog er weiter durch die Straßen. Und der Wirth sagte: »Ja, ruf' du, so lang du[37] willst. Es wird Keiner ein Narr sein, und den Hals dran wagen.«

Aber Brunnenhold schwieg still, trank seinen Becher leer, und stand auf und fragte den Wirth, was er schuldig wäre, und bezahlte seinen Trunk, und wollte weiter gehen. Da sah ihm der Wirth in's Gesicht, schüttelte den Kopf, und sprach: »Hört, junger Herr, was habt Ihr im Sinne? Ich seh's Euch an, Ihr führt was im Schilde. Warum wollt Ihr so schnell wieder fort? Ihr werdet's Euch doch nicht gelüsten lassen nach dem Drachen?«

Da sprach Brunnenhold: »Nun, und wenn auch, was wär's denn?«

Aber der Wirth schrie: »Was? Ihr wollt Euer junges Leben auf's Spiel setzen? Denn verloren seid Ihr mit sammt Euerm glatten Gesicht und Euern blonden Löcklein, und Euern blauen Augen, wenn Euch der Drache ansieht mit seinen Feueraugen. Das ist kein Spaß, Herr, so ein Drache. Ihr mögt ein guter Waidmann sein; aber so ein Drache gehört nicht in's Waidwerk. Das ist ein gar erschreckliches Wildbret. An den haben sich schon Ritter und Helden gemacht, und haben nichts ausgerichtet. Nein, folgt meinem Rathe, und bleibt hübsch hier, und wohnt den Trauerfesten mit bei. Es wird einen gewaltigen Zug heut geben nach dem Drachenstein. Der König, hab' ich gehört, will selbst[38] mitziehen. Und sie müssen gerade vor meinem Hause vorbei; da könnt Ihr's am besten sehen.«

Aber Brunnenhold antwortete dem geschwätzigen Wirthe nicht, und ging hinaus, und nahm vor dem Hofthore seine Thiere mit sich und ging nach dem Drachensteine.

Und als er nun am Drachensteine war, ließ er seine Thiere los von ihren Ketten, und stellte sich hin mit ihnen in's nahe Gebüsch. Da war es Mittag. Und es kam ein großer Trauerzug aus der Stadt. Voraus ging der König mit Thränen, und seine Tochter, die eingehüllt war in einen langen schwarzen Schleier, so daß man kaum ihre Gestalt erkennen mochte, ward hinter ihm getragen in einer schwarzen Sänfte. Nach ihr gingen die Großen des Reiches; dann folgten über hundert junge Mädchen, die trugen jede einen Todtenkranz von Rosmarin und weißen Rosen, und eben so viel junge Knaben mit Cypressenzweigen. Und hinter ihnen kam noch ein unabsehbar langer Zug von Bürgern aus der Stadt und von den Einwohnern des Landes.

Als der Zug aber nun ankam auf dem Drachensteine, hoben sie die Königstochter aus ihrer Sänfte, und ihr Vater fiel ihr nochmals um den Hals, und nahm weinend von ihr den letzten Abschied. Dann wurden ihr die Augen verbunden und der Schleier abgenommen, und die acht Männer, die sie getragen hatten in der Sänfte, führten sie nun die Stufen[39] hinan auf den Drachenstein. Die Knaben pflanzten aber rings um den Drachenstein ihre Cypressenzweige, und die Mädchen schwangen ihre Todtenkränze, und warfen sie im Kreise umher um die jammernde Jungfrau.

Als das aber geschehen, eilten sie alle, schnell wieder herab zu kommen. Und der Zug eilte zur Stadt zurück, und Keiner von Allen sah mehr um nach der zitternden Königstochter. Nur ihr Vater wendete sich oft um, und Thränen flossen ihm über die Wangen. Aber seine Räthe führten ihn eilend weiter, und ließen ihm nicht Zeit, lange hin zu sehen.

Und bald war der Zug wieder in der Stadt, und es ward still um den Drachenstein. Nur die zarte Königstochter stand oben und bebte, und wimmerte hinaus in die stille Oede, die den Drachenberg umwohnete. Da kam Brunnenhold hervor, und stieg den Drachenstein stille hinan mit seinen Thieren, mit dem Löwen, dem Bären und dem Wolfe, die jetzt kaum ein Jahr alt waren, aber doch größer und stärker, als die ältesten und größten ihrer Art.

Und als er oben war, blieb er stehen vor der Jungfrau und staunte sie an. Denn er hatte noch keine gesehen von größerer Anmuth und Schönheit. Dann faßte er sie bei ihrer Hand. Da schrie sie laut, denn sie glaubte, der Drache[40] wär's, der sich ihr nahe. Er aber sprach: »Fürchtet Euch nicht, hochedle Jungfrau, denn sehet, ich bin kommen, Euch zu erretten von dem Drachen.« Und damit knüpfte er ihr das Tuch ab von den Augen, und sprach ihr Trost ein, und führte sie herab von dem Drachensteine.

Als er aber wieder hinaufsteigen wollte auf den Drachenstein, und die Königstochter ihn ansah, und bedachte, wie er so schöne blonde Locken habe, und wie ein mildes Licht aus seinen blauen Augen leuchte, und wie er ein so edler Jüngling sein müsse, daß er also kühnes Wagniß unternehme, da wollte sie wieder an seiner Statt hinaufsteigen, und wollte nicht gestatten, daß er sich dem Drachen darstellte. Er aber beruhigte sie durch muthiges Zureden, und stieg hinauf, und zog sein Jagdmesser, und um ihn stand der Leu und der Bär und der Wolf. Und den Thieren leuchtete ein kampflustiges Feuer in den Augen, daß man glauben mochte, sie wüßten schon, was ihrer jetzt warte.

Da verfinsterte sich der Tag, und der Drache erschien ferne am Abendhimmel, und verfinsterte die Sonne, wie eine Wolke. Und er kam immer näher und immer näher, und stand jetzt auf dem Steine, und riß den Rachen seines mittelsten Kopfes weit auf gegen Brunnenhold, ihn zu verschlingen. Aber Brunnenhold faßte einen gewaltigen Zug[41] mit seinem Jagdmesser, und schlug ihm das Haupt ab gerade am Halsringe. Und der Löwe hängte sich mit seinen gewaltigen Vordertatzen an den Halsstumpf, und sog das hervorquellende Blut ein, also daß keine neuen Köpfe hervor wachsen konnten. Da sperrte aber der Drache den zweiten Rachen auf nach ihm, und spie Feuer gegen ihn. Aber ehe die Flamme ihn noch erreichte, hieb ihm Brunnenhold auch den zweiten Kopf von dem Halse, und so auch den dritten, und den vierten, und fünften, und sechsten, und den siebenten Kopf. Und seine Thiere sogen das hervorquellende Blut ein, und wurden so stark davon, daß sie den ungeheuern Drachenleib herunter schleppten vom Drachensteine, und in tausend Stücke zerrissen.

Aber die schöne Königstochter stand mit abgewandtem Gesichte, denn sie litt große Angst, der heldenmüthige Jüngling möchte unterliegen dem ungeheuern Drachen. Als er ihr aber jetzt zurief, und herabstieg vom Drachensteine und vor sie trat, sie hinzuführen, und ihr den erlegten Drachen zu zeigen, an dem seine Thiere noch rissen und zerrten, da liefen ihr die Thränen der Freude über die Wangen, und fiel ihrem Retter um den Hals, und dankte ihm mit stummer Rührung, und ein himmlisches Lächeln ergoß sich darauf über ihr Angesicht, und nannte ihn ihren Bräutigam, darum daß ihr Vater versprochen und geschworen habe, sie[42] demjenigen zur Gemahlin zu geben, und ihm dereinst das Reich zu hinterlassen, der sie von dem Drachen errette.

Dessen freuete sich Brunnenhold von Herzen, und nannte sie seine schöne fromme Braut, und sprach zu ihr: »Gehet jetzt hinunter, edle Jungfrau, in die Stadt, und stellet Euch Eurem Vater dar, und sagt ihm, wer Euch errettet, und daß ich heute über Jahr und Tag erscheinen würde, das Fest der Trauung mit Euch zu feiern. Ich möchte wohl gerne gleich mit Euch ziehen, doch weiß ich, daß mich Euer Vater nicht mehr von hinnen ließe. Nun hab' ich aber auch noch eine Mutter, die ich vorher noch aufsuchen möchte, daß sie auch mir ihren Segen gebe. Denn man sagt ja auf der Ehe ruhe doppeltes Glück, die man anfange mit Vater- und Muttersegen. Jahr und Tag will ich sie suchen in der Welt umher. Finde ich sie früher auf meinen Wegen, so komm ich auch früher zurück. Find' ich sie aber nicht in Jahresfrist, so will ich's ansehen als eine Fügung des Himmels, und will ohne ihren Segen zurückkehren.«

Damit sie ihn aber sicher erkenne, wenn er wieder käme, schlug er die äußerste Spitze seines Jagdmessers ab, und gab sie der Jungfrau. Und sie machte sich auf zur Stadt zurück zu gehen. Brunnenhold aber blieb auf dem Drachensteine zurück, und nahm die Zähne aus den Drachenköpfen[43] heraus, und steckte sie zu sich. Dann ging er jenseits den Drachenstein hinab, und irrte herum ein ganzes Jahr, und suchte seine Mutter da und dort, und fand sie nirgend.

Quelle:
Albert Ludewig Grimm: Lina’s Mährchenbuch 1–2. Band 2, Grimma 21837, S. 31-44.
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