Das Birnli will nit fallen. [47] No. 72.

Mündlich aus der Schweiz. In derselben Art ist No. 30 und 80. Auch die Juden haben ein damit zusammenhängendes Volkslied, welches Wagenseil (jüd. teutsche Red- und Schreibart Frankf. 1715. 4. S. 108-110.) mittheilt, und in den Kinderliedern S. 44-47. (Wunderhorn III.) abgedruckt ist.


Ein Zicklein! ein Zicklein!

das hat gekauft das Väterlein

um zwei Schilling Pfenning:

ein Zicklein!


Da kam das Kätzlein und aß das Zicklein, das hat gekauft u.s.w.

da kam das Hündlein und biß das Kätzlein,

da kam das Stecklein und schlug das Hündelein,

da kam das Feuerlein und verbrennt das Steckelein,

da kam das Wässerlein und verlöscht das Feuerlein,

da kam der Ochs und trank das Wässerlein,

da kam der Schóchet (Metzger) und schecht den Ochsen,

da kam der Málach Hammóves (Todesengel) und schecht den Schóchet,

da kam unser lieber Herr Gott und schecht den Málach Hammoves.[47]


Der vorstehende Refrain ist aus einem chaldäischen Osterlied der Juden, welches sich wie auch das bei Wagenseil in Bodenschatzens kirchlicher Verfassung der Juden (II, 2. Sect. 8) findet.

Herr Gräter theilt dies alles in seiner Alterthumszeitung No. 40. u. 41. 1812. unser Volkslied aber nicht ganz vollständig, mit, auch bemerkt er ein anderes jüdisches, das durch eine etwas ähnliche Manier auf dieses zu deuten scheint, indessen ergiebt sich durch das aus Wagenseil der vermuthete Zusammenhang viel näher. Die mystische Bedeutung eines Leberecht, die dort gleichfalls angeführt wird, ist uns nicht so wahrscheinlich als Herrn Gräter: das Lied scheint die Macht Gottes, als die letzte und größte darstellen zu wollen, nennt man es albern, so sind es die Mythen der Rabbiner, und im Talmud noch mehr. Interessant ist noch die ebendaselbst abgedruckte lateinische Recension des Volkslieds, welche nicht bloß an manche Studentenlieder (in dem bekannten: Laurentia schönste Laurentia mein etc., wachsen die Strophen gleichfalls immer mehr an), sondern an andere Kinderlieder erinnert, worin lateinische Brocken angebracht sind. Viele Rhein- und Mainbewohner gedenken wenigstens noch des Lieds von einem Hund, der in der Küche die Bratwurst frißt und dem der Koch den Schwanz abhaut, worin auch ähnliche Wiederholungen vorkommen.

Quelle:
Jacob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen. 2 Bände, Band 1, Berlin 1812/15, S. XLVII47-XLVIII48.
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