[19] 11. Das Wasser des Lebens.

Nach einer hessischen und paderbörn. Recension. Nach der hessischen kommt die erlöste Prinzessin gar nicht vor und sie schließt damit, daß der König, um den Schuldigen aus seinen drey Söhnen zu erforschen, drei Decken machen läßt, eine goldene, eine silberne und eine gewöhnliche: wer über die goldene reiten werde, sey der unschuldige und das ist dann der jüngste. In der paderbörn. abweichend, und überhaupt viel unvollkommener, gibt den drei Prinzen, die zusammen reisen, statt des Zwergs ein Fischer Auskunft. Sie können in das verzauberte Schloß nicht eher gelangen, bis jeder drei Federn von einem Falken hat, der alle drei Tage dreimal[19] geflogen kommt und jedesmal eine fallen läßt. Im Schloß müssen sie mit einem siebenköpfigen Drachen kämpfen, wer ihn nicht in drei Tagen beflegt, der wird in Stein verwandelt, wer ihn aber tödtet, bekommt das Wasser des Lebens. Sie gelangen mit den Falkenfedern ins Schloß; der Kampf wird angeordnet; die Prinzessin und der Hof, alles ganz schwarz gekleidet, sehen zu. Die beiden ältesten können dem Drachen nichts anhaben und werden zu Stein; nun kommt der jüngste daran, der in einem Schlag die sieben Köpfe abhaut: die Prinzessin gibt ihm also das Lebenswasser und, auf seine Bitte, den Brüdern das Leben wieder.

Die Verwandtschaft mit dem vorhergehenden Märchen und dem arabischen und ital. fällt sogleich in die Augen, eben so nähert sich das vom Vogel Phönix (I. 57.) in allen Hauptzügen. Am reinsten ist die Sage hier in dem Umstand, das Lebenswasser gesucht wird, um einen alten kranken König zu heilen. (Im trojan. Krieg, den Conrad von Würzb. bearbeitete, hat Medea um den alten Vater des Jafon zu verjüngen, Wasser aus dem Paradies (V. 10651) Licht von Gold roth (10658) darin kocht sie den Zaubertrank). Das Versteinen ist in der paderbörn. wie in der arab. Erzählung Strafe dessen, der nicht siegt. Im plattdeutschen kommt es eigentlich nicht vor, doch der schwarze Hund (denn es sind schwarze Steine in der 1001 Nacht) nach welchem man sich ebenfalls nicht umsehen darf, deutet offenbar darauf; er wird auch hernach in einen schönen Prinzen, wie jene Steine verwandelt. Zugleich gibt dieses Versteinen, wozu in der 1001 Nacht kommt, daß die Brüder ihrer Schwester ein Zeichen zurück lassen, namentlich der älteste ein Messer, das bei seinem Leben glänzend, bei seinem Tod sich blutig zeigen wird, eine unleugbare Grundähnlichkeit und Verbindung mit dem Märchen Nr. 74. im ersten Theil.

Quelle:
Jacob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen. 2 Bände, Band 2, Berlin 1812/15, S. XIX19-XX20.
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