[26] 24. Der Jud im Dorn.

Dramatisch lebendig, wie der Schmidt und Teufel. Eine mündliche Erzählung aus Hessen leitet anders ein. Der Vater entläßt seine drei Söhne, die auf drei Wegen in die Welt ziehen. Dem einen begegnet der gute Geist und schenkt ihm die drei Wünsche; er wünscht einen Hut, der aus der Irre auf den rechten Weg führt; einen Wünschring; die Geige, die alles zum Tanzen zwingt. Darauf die Begebenheit mit dem Juden und dem Richter. Endlich wünscht er sich an den Scheideweg mit seinen Brüdern zusammen und macht sie alle reich. Diese größere Verwickelung scheint aber den Eindruck mehr zu schwächen und eine andere ganz einfache mündliche Erzählung aus dem Paderbörn. und die alten gedruckten Bearbeitungen wissen nichts davon. Albrecht Dieterich »Historig von einem Bauernknecht und München, welcher in der Dornhecken hat müssen tanzen« s.I. 1618. 8. (auf der Götting. Bibl.) ein[26] Lustspiel, das aber vermuthlich im 16. Jahrh. verfaßt ist. Etwa gleichzeitig damit: I. Ayrer's Faßnachtspiel von Fritz Dolla mit der gewünschten Geigen im opus theatricum Bl. 97 – 101. Auch bei Dieterich heißt der Bauernknecht Dulla ein mythischer Name, der an Till oder Dill Eulenspiegel den lustigen Schalksknecht erinnert (s. oben Num. 4.) und das schwed. und altnordische Wort: Tule, Thulr, (homo facetus, nugator, Spielmann.) der Narr und Sänger des Volks ist, und sonst stimmen beide sehr zusammen, so daß sie aus einer Quelle schöpfen konnten, schwerlich aber sich gegenseitig benutzt haben. Die Wünsche sind wie hier; statt des Juden, haben beide einen klosterentlaufenen Mönch; bei Dietrich hält er die gerühmte Kunst des Knechts für Prahlerei und spricht: »in jener Hecke sitzt ein Rab, trifst du den mit deiner Armbrust, so zieh ich mich nackend aus und hol ihn hervor.« Beim Ayrer schießt er einen Vogel vom Baum; vom Kleiderausziehen ist keine Rede. – Nach Diet. Albrecht die dänischen Reime: om Munken og Bondedrengen (Nyerup in der Iris og Hebe 1796. 310 – 312.) – Vielleicht bezieht sich auf unser Märchen eine sonst unverständliche Anspielung im Parcifal 8539. vom Fasan (Vogel) im Dornbach.

Die Sage vom Tanzen in den Dornen ist sehr verbreitet und greift in ein ganz anderes Märchen des ersten Bandes S. 258. ein. Für die mündliche Ueberlieferung wird eine von Otmar in Beckers Erhol. 1797. aufgezeichnete Erzählung wichtig, wo sie aber sehr entstellt und in falschen Ton versetzt ist. Ein auf Tod und Leben gefangener Zauberer hat einen nie fehlenden Pfeil und schießt damit einen Falken aus hoher Luft, der in Sumpf und Dornen fällt. Die Häscher sollen ihn suchen, da hebt er den Schwabentanz zu pfeifen an, das ganze Gericht tanzt und so wird er von seiner Hinrichtung hernach befreit.

Die letzte Bitte und die Rettung aus dem Tod durch Blasen und Spielen kommt häufig vor, (vgl. oben Nr. 30 das blaue Licht) von Arion bis auf Gunnar, der durch Harfenschlag die Schlangen abhält. Die Kraft Tanz zu erregen lag auch in Oberons Pfeife, besonders merkwürdig ist das Beispiel[27] in der Herrauds ok Bosa Saga S. 49 – 51. wo gar Tische, Stühle Messer und Becher mit tanzen müssen. Vielleicht stammt selbst das Wort Geige von dem dort auch vorkommenden Gugiarslag (Zauberschlag) von Gygur, Zauberin, Riesin. Man hat vom Fandango eine ähnliche Erzählung, Pabst und Cardinäle, die ihn verdammen wollen, müssen ihn anheben und freisprechen.

Quelle:
Jacob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen. 2 Bände, Band 2, Berlin 1812/15, S. XXVI26-XXVIII28.
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