366. Der heilige Wald der Semnonen

[342] Unter den Sweben waren die Semnonen das älteste und edelste Volk. Zu gewissen Zeiten hielten sie in einem Wald, heilig durch den Gottesdienst der Vorfahren und durch alten Schauer, Zusammenkünfte, wozu alle aus demselben Blute entsprungene Stämme Abgesandte schickten, und brachten ein öffentliches Menschenopfer. Vor dem Haine tragen sie solche Ehrfurcht, daß niemand hineintritt, der sich nicht vorher in Bande hätte binden lassen, zur Anerkennung seiner Schwäche und der göttlichen Allmacht. Fällt er von ungefähr zur Erde, so ist ihm nicht erlaubt, aufzustehn oder aufgehoben zu werden, sondern er wird auf dem Erdboden hinausgeschleift. Dieser Gebrauch weist dahin, wie aus dem Heiligtum das Volk entsprungen und der allwaltende Gott da gegenwärtig sei, dem alles andere unterwürfig und gehorsam sein müsse.[342]

Quelle:
Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsche Sagen. Zwei Bände in einem Band. München [1965], S. 342-343.
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