491. Kaiser Heinrich versucht die Kaiserin

[462] Der König nahm da Rat von den Herren, was er mit seines Vaters (Kaiser Heinrich IV.) Leichnam schaffen oder tun sollte; der war begraben in St. Lamprechts Münster zu Ludeke (Lüttich). Sie rieten, daß er ihn ausgrübe und legen ließe in ein ungeweiht Münster, bis daß er seinen Boten nach Rom gesandt hätte. Also getan Ende nahm der Kaiser. Dies war Kaiser Heinrich der Übele. Er ließ das beste Roß, das er im Lande fand, binden und in den Rhein werfen, bis es ertrank. Er ließ einen seiner Mannen die Kaiserin um ihre Minne bitten. Das war ihr leid. Der Ritter bat sie sehr, da sprach die Fraue, sie wolle tun, als ihr Herr raten würde. Da dies der Kaiser vernahm, gebärdete er, als er ausreiten wollte; legte des Mannes, der nach seinem Rate das geworben hatte, Kleider an und kam des Nachts zu der Kaiserin. Die Kaiserin hatte bereit starke Männer in Weibsgewand, die trugen große Knüttel, sie nahmen den Kaiser unter sich und schlugen ihn sehr. Der Kaiser rief, daß er es wäre. Die Kaiserin erschrak und sprach: »Herr, Ihr habt übel an mir getan.«[462]

Quelle:
Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsche Sagen. Zwei Bände in einem Band. München [1965], S. 462-463.
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