580. Hermann von Treffurt

[581] In der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts lebte zu Treffurt ein Ritter, Hermann von Treffen genannt, der gern auf die Buhlschaft gegangen und viel ehrbare Frauen und Jungfrauen um ihre Ehre gebracht, also daß kein Mann in seinem Gebiet seine Tochter über zwölf Jahre daheim behalten durfte. Daneben aber ist er andächtig gewesen, fleißig in die Messe gegangen, hat auch die Gezeiten St. Marien mit großer Andacht gesprochen. Dieser hat einsmals zu seiner Buhlschaft reiten wollen und zuvor, seinem Gebrauch nach, die Gezeiten St. Marien mit großer Andacht gesprochen; wie er nun in der Nacht im Finstern allein über den Hellerstein geritten, hat er des rechten Weges gefehlt und ist auf den hohen Felsen des Berges gekommen, wo das Pferd zwar stutzte, der Ritter aber meinte, es scheue vor irgendeinem Tier; gab ihm deswegen im Zorn den Sporn, also daß das Roß mit ihm den hohen Felsen hinabgesprungen und sich zu Tod gefallen; auch ist der Sattel mitsamt dem Schwert in der Scheide an vielen Stücken zerbrochen. Der Ritter aber hat in dem Fall noch die Muttergottes angerufen, und da hat ihn gedeucht, als werde er von einer Frau empfangen, die ihn sanft und unverletzt auf die Erde gesetzt.

Nach dieser wunderbaren Errettung ist er nach Eisenach in ein Kloster gegangen, hat sein Leben gebessert, all sein Gut um Gottes willen von sich gegeben und als ein Mönch barfuß und in Wolle sein Brot gebettelt. Auch als 1347 sein Tod herannahete, hat er nicht bei andern frommen Christen sein Ruhebettlein haben wollen, sondern an einem heimlichen, unsaubern Orte, zwischen der Liebfrauenkirche und der Stadtmauer, begraben sein wollen, seine unreinen Taten desto härter zu büßen; wie auch geschehen ist.[581]

Quelle:
Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsche Sagen. Zwei Bände in einem Band. München [1965], S. 581-582.
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