Das XII. Kapitel.

Springinsfeld wird ein Trommelschlager, darnach ein Muskedierer; item wie ihn ein Bauer zaubern lernet.

[161] Als Springinsfeld obiges von diesen dreien namhaften Verschwendern erzählt hatte und nun ein wenig pausierte, sagte Simplicissimus: »Dieser letzte tät zwar törlich gnug, aber gleichwohl weislicher als die zween erstere; und ich kann mir keine größere Torheit unter den Menschen einbilden, als derjenige eine begehet, der viel Gelds hat und mit einem anfahet zu spielen, der wenig vermag. Aber mit dieser Erzählung bist du aus dem Gleis deines eignen Lebenslaufs gefahren, welchen ich so herzlich zu vernehmen verlange. Wir verblieben bei den Spanischen in Niederland; wie gieng dirs daselbst weiters?«

Springinsfeld antwortet: »Ich kann nicht anders sagen als wohl; dann wann ich denselben Krieg gegen dem letzteren vergleichen soll, so war jener gülden und dieser eisern. In jenem wurden die Soldaten ausbezahlt und gebraucht, doch aber ihr Leben nicht leichtlich hazardiert; in diesem aber wurden sie ohnbezahlt gelassen, die Länder ruiniert und beides, Bauern und Soldaten, durch Schwerd und Hunger aufgeopfert, also daß man auf die letzte schier nit mehr kriegen konnte.« Simplicius fiele ihm in die Rede und sagte: »Entweder redest du im Schlaf oder willst wieder aus dem Weg tretten; du willst den Krieg unterscheiden[161] und vergißt abermal deiner eigenen Person. Sage darvor, wie es dir selbst gangen.« – »Ich muß ja wohl«, antwort Springinsfeld, »ein wenig Umstände machen, wann ich der vorigen guten Täge gedenke und mich zugleich des nachfolgenden Elends erinnere. Aber die Folge meiner Histori ist diese: Ich kam mit den Spanischen in die untere Pfalz, als Ambrosius Spinola dasselbige glückselige Land gleichwie mit einer Sündflut überfiele und in kurzer Zeit wunder viel Städte unter seinen Gewalt brachte. Da machte ichs mit unordentlichen Leben so grob, daß ich darüber erkrankte und zu Worms (allwohin sich Don Gonsales de Cordua retiriert, nachdem er die Frankenthalische Belägerung wegen Ankunft des Mansfelders, welchen Tilly zu Mannheim über den Rhein gejagt, aufheben müssen) krank zuruckgeblieben, allwo ich den ersten Tuck empfand, den mir das Glück im Krieg erwiesen; dann ich mußte mich mit Betteln behelfen und viel schmähliche Reden hören, weil ich nichts zu verzehren hatte. Sobald ich aber wieder ein wenig erstarkte, ließe ich mich durch zween andere Kerl überreden, daß ich mit ihnen gegen der Tillyschen Armee gieng, welche wir durch Abweg erreichten, eben als sie auf Wiseloch zugleich dem Mansfelder, und ihrem Unglück entgegenmarschierte.

Ich war damals ein aufgeschossen Bürschlein von 17 Jahren, und gleichwohl wurde ich noch nicht vor kapabel gehalten, mich unter die Tirones aufzunehmen; aber zu einem Tambour hätte man keinen ärgern Ausbund kriegen können; maßen ich auch vor einen solchen aufgenommen und, solang ich mich darzu gebrauchen ließe, auch darvor gehalten wurde. Wir bekamen damal zwar ein wenig Stöße, es war aber nichts gegen denen zu rechnen, die wir hernach vor Wimpfen wieder austeileten. Hier kam unser Regiment nicht einmal zum Treffen, weil es sich in dem Nachzug befande; dort aber erwiese es seinen Valor desto tapferer. Ich selbst tät damals etwas Ohngewöhnliches: ich henkte meine Trommel auf den Buckel und nahm hingegen eines Totbliebenen Musket und Bandelier und gebrauchte mich damit im allervördersten Glied dermaßen, daß es mein Hauptmann nicht allein geschehen, sondern ihm auch mein Obrister selbst gefallen lassen mußte; und damit erlangte ich dasselbige mal nicht allein Beuten, sondern auch ein ziemlich Ansehen, und daß ich meine Trommel gar ablegen und fürterhin ein Muskete tragen dörfte.

Unter diesem Regiment half ich den Braunschweiger bei dem Main schlagen: item bei Stadtloh, und kam auch endlich mit demselbigen im Dännemärkischen Krieg in Holstein, ohne[162] daß ich noch ein einzig Härlein Bart oder eine empfangene Wunden aufzuweisen gehabt hätte. Und nachdem ich bei Lutter den König selbst besiegen helfen, wurde ich kurz hernach in ebensolcher Jugend gebraucht, Steinbruck, Verden, Langwedel, Rotenburg, Ottersberg und andere Ort mehr einnehmen zu helfen, und endlich um meines Wohlverhaltens, auch meiner Offizierer Gunst willen, ein lange Zeit an ein fettes Ort auf Salva Quardi gelegt, allwo ich beides, meinen Leib erquickte und meinen Beutel spickte. So kriegte ich auch unter diesem Regiment drei seltsame Nachnamen. In der erste nannte man mich den General-Farzer, weil ich, da ich noch ein Trommelschlager war, auf einer Bank liegend, den Zapfenstreich ein ganze Stund lang, auch wohl länger, mit dem Hindern verrichten oder hören lassen konnte; zum andern wurde ich der hörnen Seifried genannt, weil ich mich einsmals allein mit einem breiten Banddegen, den ich in beiden Händen führte, dreier Kerl erwehrete und sie übel zuschanden hauete; den dritten brachte mir ein Diebsbaur auf, als welcher verursachte, daß man der ersten beiden Namen vergaß und mich wegen eines lächerlichen Possens, den ich mit ihm anstellete, forthin den Teufelsbanner nennete. Das fügte sich also: Demnach ich einsmals etliche Roßhändler mit friesländischen Pferden aus unserm Quartier in ein anders convoierte und selbigen Tag nicht wieder heimkommen konnte, übernachtet ich bei gedachtem Bauren, der auch ein paar Kerl von unserm Regiment bei sich in Quartier liegen und ebendenselbigen Tag ein paar feister Schwein gemetzelt hatte. Er war nicht wohl mit übrigem Bettwerk versehen und hatte auch keine warme Stub, wie dann selbigerorten der gemeine Brauch auf dem Land ist, und derowegen logierte ich im Heu, nachdem er mich zuvor mit allerhand Sorten guter neugebachener Würste abgespeiset hatte. Dieselbige schmeckten mir so wohl, daß ich nicht darvor schlafen konnte, sondern lag und spintisierte, wie ich auch der Schweine selbst teilhaftig werden möchte. Und weil ich wohl wußte, wo sie hiengen, nahm ich die Mühe, stunde auf und trug ein halb Schwein nach dem andern in einen Nebenbau und verbarg sie daselbst unter das Stroh, der Meinung, solche die künftige Nacht mit Hülfe meiner Kameraten zu holen. Des Morgens aber, als es tagen wollte, nahm ich beides, von dem Bauren und seinen Söhnen, das ist, den Soldaten, die bei ihm lagen, einen freundlichen Abschied und gieng meines Wegs. Aber der Bauer war so bald in meinem Quartier als ich selbsten und klagte mir, daß ihm die verwichne Nacht zwei Schwein gestohlen worden wären. ›Was?‹ sagte ich, ›du schlimmer Vogel, willst[163] du mich mit Diebsaugen ansehen?‹ Ich machte auch so gräßliche Mienen, daß dem Tropfen angst und bang bei mir wurde, sonderlich als ich ihn fragte, ob er Stöße von mir haben wollte? Weil er ihm nun leicht die Rechnung machen konnte, wo es hinauslaufen würde, wann er mich desjenigen, so ich verrichtet, bezüchtigte, das zwar auch sonst niemand als eben ich getan haben, er aber gleichwohl nicht auf mich erweisen könnte, da kam der schlaue Vokativus auf ein andern Schlag und sagte: ›Min Heer, ik vertruwe ju nichtes Böse, mär iken hebbe mi segen laten, dat welche Kriegers wat Künste konden macken, derlichen Sachen weder bytobrengen. Wann gii dat künnt, ik fall ju twen Richstaler gewen.‹ Ich überschlug die Sach, weil wir gleichwohl alls in unsern Quartiern Ordre halten mußten, und ersanne bald, wie ihm zu tun wäre, damit ich die zween Taler mit Manier bekommen möchte, sagte derohalben zum Bauern: ›Mein Vatter, das wäre ein anders! Er bitte meinen Offizier, daß er mir erlaube, mit dir heimzugehen, so will ich sehen, was ich kann ausrichten.‹ Dessen war er zufrieden und gieng alsobalden mit mir zu meinem Korporal, der mir um so viel desto ehender erlaubte, mitzugehen, weil ei mir an dem Winken meiner Augen ansahe, daß ich den Bauren betriegen wollte; dann wir hatten in den Quartiern sonst nichts zu tun als zu kurzweilen, sintemal wir den König von Dännemark aus dem Feld gejagt und alle Belägerung geendigt hatten, maßen wir damals der Cimbrier ganzen Chersonesum, alles, was zwischen dem Baltischen Meer und Großen Oceano, zwischen Norwegen, der Elb und Weser lag, geruhiglich beherrschten.

Zu unserer Hinkunft ins Baurenhaus fanden wir den Tisch schon gedeckt und mit einem Botthast, einem Stück kalten Rindfleisch aus dem Salz mit trögen Schunken, Knackwürsten und dergleichen Dings, wie auch mit einem guten Trunk Hamburger Bier gezieret; mir aber beliebte, zuvor die Kunst zu brauchen und alsdann erst zu schlampampen. Zu solchem Ende machte ich mit einem bloßen Degen en mits oper deelen zween Ring ineinander und zwischen dieselbige etliche Pentalpes und ander närrisch Gribis-Grabes, wie mirs einfiele; und als ich fertig damit war, sagte ich zum Umstand, wer sich förchte oder zum Erschröcken geneigt sei und derohalben den leibhaftigen Teufel und sein Mutter selbst in grausamer Gestalt nicht anzusehen getraue, der möge wohl abtretten. Darauf gieng alles von mir weg bis auf einen Böhmen, der auch bei dem Bauren in Quartier lag, welcher bei mir verblieb, mehr weil er auch gern zaubern[164] gelernet, wann er nur einen Lehrmeister gehabt, als daß er vor anderen beherzter gewesen wäre. Wir wurden beide beschlossen und verriegelt, damit ja niemand das Werk verhinderte, und nachdem ich dem Böhmen bei Leib- und Lebensgefahr stillzuschweigen auferlegt, tratte ich mit ihm in den Ring, wie er eben anfieng wie ein Espenlaub zu zittern. Weil ich dann nun einen Zuseher hatte, so mußte ich der Sach auch ein Ansehen machen und eine Beschwerung brauchen, so in einer fremden Sprach geschehen mußte; derowegen tät ich solche auf Sclavonisch und sagte mit verkehrten Augen und seltsamen Gebärden: ›Hier stehe ich zwischen den Zeichen, welche die Einfältige betören und Narren den Kolben lausen; derohalben so sag du mir, du General Farzer, wohin der hörnen Seifried die vier halbe Schwein versteckt, welche er verwichene Nacht diesen närrischen Bauren gestohlen, um solche künftige Nacht mit seinen guten Brüdern vollends abzuholen.‹ Und nachdem ich solche Beschwerung ein paarmal wiederholet, machte ich so seltsame Gauklerspring in meinem Ring und ließe so vielerlei Tierer Stimme mithin hören, daß der Böhm, wie er mir hernach selbst bekannt, vor Angst in die Hosen getan hätte, wann er meine schnackische Beschwerung nicht verstanden. Wie ich nun des Dings bald müd wurde, antwortet ich mir selber mit einer hohlen dümpern Stimme, gleichsam als wann sie von fernen gehöret würde: ›Die 4 halbe Schwein liegen im Nebenbau auf dem Stall unterm Stroh verborgen.‹ Und damit hatte das ganze Werk meiner Zauberei ein Ende. Der Böhm aber konnte das Lachen kaum verhalten, bis wir aus dem Ring kamen. ›O Bruder,‹ sagte er auf Böhmisch zu mir, ›du bist wohl ein Schalk, die Leute zu äffen.‹ Ich aber antwortet ihm in gleicher Sprach: ›Und du bist wohl ein Schelm, wann du die Geheimnus dieses Stücks nicht verschweigest, bis wir aus diesen Quartieren kommen; dann solchergestalt muß man die Bauren kratzen, wo sie es bedörfen.‹ Er versprach, reinen Mund zu halten, und hielte es nicht nur schlechthinweg, sondern log noch einen solchen Haufen Dings darzu, was er nämlich in währender Aktion vor Spektra gesehen, daß die, so mich vorm Hause nur gehöret hatten, alles glaubten und mit ihrer Autorität so viel bezeugten, daß man mich vor ein Schwarzkünstler hielte und mich beides, Baurn und Soldaten, den Teufelsbanner nenneten. Ich bekam auch bald mehr Kundenarbeit und glaube, wann ich noch länger bei demselbigen Regiment verblieben wäre, es hätten mir etliche auch zugemutet, ich sollte Reuter in Feld und hingegen ganze Parteien und Eskadronen unsichtbar machen. Der Bauer, nachdem[165] er sein schweinen Fleisch wieder, gab mir die zween Reichstaler mit großen Dank und samt seinen Soldaten den ganzen Tag Fressen und Saufen vollauf.«

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 161-166.
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