Das XIX. Kapitel.

Springinsfelds fernere Historia bis auf das bayrische Armistitium.

[185] »Die Früchte dieser erhaltenen ansehenlichen Viktori waren ohne die Beuten und die Gefangene nichts anders, als daß unsere Armee bis an die niederhessische Grenze hinuntergieng und Amöneburg entsetzte, vor Kirchheim sich vergeblich bemühete und dardurch in ein Wespennest stache, das ist, daß sie den Tourenne, sich mit dem Hessen zu konjungiern, verursachten, wessentwegen sie dann den Rückweg wieder dahin nehmen mußte, woher sie kommen waren. Ich lag damals im Taubergrund mit andern Beschädigten mehr und ließe mich an meiner empfangenen Wunden kuriern; aber als sich unsere Armee mit einem Sukkurs von ungefähr fünfthalbtausend Mann, den ihr der Graf von Geleen zugebracht, nach Heilbrunn zoge und selbige Stadt mit Völkern unter dem Obristen Fugger, Obristen[185] Caspar und meinem Obristen verstärkte, muhte ich auch dort liegen bleiben.

Indessen giengen die konjungierte hessische, Tourennische und Königsmarckische Völker in die Unterpfalz, nahmen den Duc de Anguin zu sich und marschierten dem Neckar hinauf, uns und die unserige zu erfolgen. Zwar ließen sie uns zu Heilbrunn wohl liegen, aber Wimpfen wurde ihr erster Raub, als welches sie beschossen, mit stürmenter Hand eingenommen und auf 600 Mann von uns darinnen so gefangen bekommen als niedergemacht haben. Daselbst seind sie über den Neckar an die Tauber gangen und haben sich vieler ohnbesetzten Örter, auch der Stadt Rothenburg bemächtiget. Endlich brachten sie unsere Armee zum Stand, erhielten von ihnen einen blutigen Sieg bei Allerheim, warbei unser tapferer Generalfeldmarschall von Mercy das Leben auch eingebüßt. Folgends nahmen sie Nördlingen mit Akkord ein und zwangen den Obristwachtmeister von meinem Regiment, der mit 400 von unsern Dragonern und 200 Musketierern in Dinckelspiel lag, daß er sich ihnen nicht mit Akkord, sondern auf Gnad und Ungnad ergeben mußte; und weilen sich die Völker mußten unterstellen, wurde unser Regiment mehr dardurch geschwächt, als wann es auch in dem Treffen gewesen wäre. Von dar giengen sie über Schwäbischen Hall gegen uns los, weil es uns auch gelten sollte, und fiengen an, gegen uns zu agiern und sich zu verschanzen. Sobald sie aber der Unseren Ankunft vermerkten, als welche Erzherzog Leopold Wilhelm mit 16 Kaiserlichen Regimentern verstärkt hatte, siehe, da verschwanden sie wie Quecksilber oder zerstoben doch aufs wenigst von einander, als wann sie die Schlacht vor Allerheim nicht erhalten hätten; und ich kann auch nicht sehen, was sie diese teure Viktori anders genutzt, als daß sie die Unserige ein wenig geschwächt und den berühmten Mercy aus den Weg geraumet; dann sie wurden bis nach Philippsburg verfolget und verloren alle Örter wiederum, die sie zuvor erobert hatten. Wir bekamen auch zu Wimpffen 8 schöne halbe Kartaunen, 1 Feldstuck, 1 Feurmörsel und hin und wieder viel Mannschaft von ihnen, davon sich die Teutsche alle unterstellen und also unsere Armee wieder verstärken mußten. Folgends giengen wir wieder in unseren gewöhnlichen Gäu, das ist in Franken, im ansbachischen und württenbergischen Lande in die Winterquartier, die Kaiserlichen aber in Böhmen.

Ehe das Jahr gar zu End liefe, marschierte der Kern unserer Armee in Böhmen zu den Kaiserlichen, der Hoffnung, denen daselbst befindlichen Schweden einen guten Streich zu versetzen;[186] weil es aber außer der Zeit und hierzu gar unbequem Wetter war, zumalen die Schweden auch von sich selbsten dasselbe Königreich quittierten, wurde nichts anders draus, als daß wiederum etliche Örter von den Schweden in der Kaiserlichen Hände kamen.

Den folgenden Sommer aber, als das Gegenteil zwischen den Fürstentumen des niedern und obern Hessen anfieng, um sich zu greifen, seind wir auch gegen denselben mit Ernst zu Feld gangen und durch die Wetterau bis zwischen Kirchheim und Amöneburg ihme entgegengezogen, da es zwar zu keiner Hauptaktion kommen, aber gleichwohl durch kommandierte Völker an der Ohm ein lustiges Soldatenexerzitium gesetzt, worin ich einen Leutenant von den Hessen gefangen und ein schönes Pferd samt 60 Reichstalern an Geld von ihm kriegte. Weil dann der Feind nicht schlagen wollte, sondern Kirchheim in seinem verschanzten und wohlproviantierten Läger verbliebe, wir aber an Fourage Mangel litten, zogen wir uns zuruck in die Wetterau. Uns folgten die Schweden und Hessen, als die sich mit dem Tourenne konjungiert hatten; da stunde ein Seit dies-, das ander Teil jenseit der Nidda in Battalia, spielten mit Stücken zusammen und sahen einander an wie zween zähnbleckende Hunde, die einander ohne Vorteil nicht anfallen wollen. Endlich ließen sie uns gegen dem Kamberger Grund marschiern, sie aber giengen in vollen Sprüngen über den Main und der Donau zu und ließen uns das Nachsehen.

Unser Obrister wurde geschickt samt den Jungen-Kolbischen, den vereinigten Feindsarmeen vorzukommen, um ein und anders der unserigen Örter zu besetzen; und ob uns gleich Königsmark bei Schrobenhausen zwackte, so seind wir jedoch noch in 800 Pferd stark in Augsburg angelangt, eben als sich die Schweden vergebliche Hoffnung gemacht, selbe Stadt in Güte einzubekommen. Gleich darauf kam der Obriste Rouyer noch mit Vierthalbhundert Dragonern zu uns, worauf die Schweden uns in aller Eil belägerten und in kurzer Zeit mit Approchieren unter die Stücke auf den Graben kamen; und ich glaube auch, sie würden uns gewaltig heiß gemacht und endlich auch die Stadt gar überkommen haben, wann sich die Unserige nicht bald darvor präsentiert hätten, als welche sich nunmehr wieder mit neuem Sukkurs verstärkt hatten und die Feindsvölker desto kühner von der Belägerung hinwegschröckten.

In dieser Stadt mußte ich neben andern kommandierten Dragonern liegen, bis Bayern und Köln mit den Franzosen, Schweden und Hessen einen halben Frieden oder wenigst (ich[187] weiß selbst nit, was es war) ein Stillstand der Waffen machte. Als solcher geschlossen, wurde ich und andere mehr durch Fußvölker abgelöst und kam wieder zu meinem Regiment, als es um Deggendorf herum auf der faulen Bärenhaut müßig lag.

Es konnten aber etliche unserer Generalspersonen und Obristen eine solche Ruhe schwerlich ertragen, also daß sie sich unterstunden, mit ihren unterhabenden Völkern zu den Kaiserlichen überzugehen, zuvor aber ihres eignen Feldherrn Länder, vor welche sie bishero so ritterlich gefochten, zu plündern, unter welchen vornehmlich mein Obrister auch gewesen, der doch ein Soldat von Fortun und in seinem Stand durch seines größten Kurfürsten Mildigkeit und Gnad befördert worden war. Er erlangte aber anderster nichts damit, als daß ihm ein schändlicher Ehrentitul konzipiert und hin und wieder in Bayern an einem aufgerichteten Holz mit einem Arm angeschlagen wurde, maßen ich ein Exemplar solcher Ehrensäulen zu S. Nicolao bei Passau gesehen. Andern wurde solches Unterfangen wegen ihrer hohen Verdienste und großer Ästimation nachgesehen, als welche um ihrer Treu und Tapferkeit willen auch ein bessers meritierten. Nachdem solcher Lärme wieder gestillt, weiß ich nichts Denkwürdigs von mir zu erzählen, ich wollte dann sagen, wie ich löffeln gangen und den bayerischen Dirnen aufgewartet, bis wir die Degen wieder in die Hände genommen.«

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 185-188.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der seltzame Springinsfeld
Der seltzame Springinsfeld