Das XX. Kapitel.

Kontinuation solcher Histori bis zum Friedenschluß und endlicher Abdankung.

[188] »Der alte Stern wollte uns aber zur Erneuerung unsers alten Kriegs wie etwan hiebevor zum alten Glück nicht mehr leuchten. Mercy war tot; Joan de Werth nicht mehr unser, und der Holzapfel, sonst Melander, den Schweden und Franzosen nicht so herb und handig wie etwan zuvor den Kaiserischen da er noch den Hessen dienete, wiewohl der rechtschaffene Soldat das seinige tät, ja sein Leben dargab, als uns der Feind über den Lech und über die Isar jagte. Damals schrieen uns etliche vom Gegenteil über das Wasser zu (als wir nämlich wie eine Maur stunden und uns durch des Feinds Geschütz so viel als nichts bewegen ließen), wir sollten nur eilen mit der Flucht, so wollten sie uns an Örter jagen, allwo eine Kuh einen halben Batzen gelten sollte. Diese haben erraten, was sie so wahrsagten; und als wir, ihrem Rat zu folgen, durch ihre[188] Menge gezwungen wurden, hab ich endlich erlebt, daß unter den Unserigen eine Kuh nicht nur um einen halben Batzen, sondern auch sogar um eine verächtliche Pfeife Tabak hingegeben worden. Damals stund unser Sach liederlich, der von Gronsfeld konnte sowenig als Melander zuwegen bringen, daß jemand aus den Unserigen füglich mit Lorbeerkränzen bekrönt werden möchte, sondern wir mußten, was nicht in den wehrlichen Örtern liegen bliebe, auch sogar über den Innstrom hinüberpassieren, welchen zu überstreiten auch das Gegenteil erkühnete.

Aber an diesem strengen Fluß hat sich der strenge Siegslauf und das Glück der Schweden und Franzosen gestoßen. Ich lag unter sieben doch schwachen Regimentern in Wasserburg, als beide Feindsarmeen suchten, denselbigen Ort zu bezwingen und über besagtem Fluß in das gegenüberliegende volle Land zu gehen, in welchem etliche steinalte Leute die Tag ihres Lebens noch niemalen keine Soldaten gesehen hatten. Weil aber wegen unserer tapferer Gegenwehr unmüglich war, etwas daselbst auszurichten, unangesehen sie uns mit glühenden Kugeln zusprachen, giengen sie auf Mühldorf und wollten dort ins Werk setzen, was sie zu Wasserburg nicht zu tun vermocht; aber ihnen widerstund daselbst einer von Hunoltstein, ein Kaiserliche Generalsperson, bis sie der vergeblichen Arbeit müd wurden und ihr Hauptquartier zu Pfarrkirchen nahmen, allwo sie erstlich der Hunger und endlich die Pest zu besuchen anfieng, die sie auch endlich zwischen dem tirolischen Gebirg und der Donau, zwischen dem Inn und der Isar hinausgetrieben, wann sie das Generalarmistitium, so dem völligen Frieden vor gieng, nicht veranlaßt hätte, bessere Quartier zu beziehen.

Unter währendem Stillstand wurde unser Regiment nach Hilperstein, Heydeck und selbiger Orten herum gelegt, da sich ein artliches Spiel unter uns zugetragen. Dann es fande sich ein Korporal, der wollte Obriste sein, nicht weiß ich, was ihn vor eine Narrheit darzu angetrieben. Ein Musterschreiber, so allererst aus der Schul entloffen, war sein Sekretarius, und also hatten auch andere von seinen Kreaturen andere Officia und Ämpter; viel neigten sich zu ihm, sonderlich junge unerfahrne Leute, und jagten die höchste Offizier zum Teil von sich oder nahmen ihnen sonst ihr Kommando und billigen Gewalt; meinesgleichen aber von Unteroffizieren ließen sie gleichwohl gleichsam wie neutrale Leut in ihren Quartieren noch passieren; und sie hätten auch ein Großes ausgerichtet, wann ihr Vorhaben zu einer andern Zeit, nämlich in Kriegsnöten, wann der Feind in der Nähe und man unserer beiseits nötig[189] gewesen, ins Werk gesetzt worden wäre. Dann unser Regiment war damals eins von den stärksten und vermochte eitel geübte, wohlmondierte Soldaten, die entweder alt und erfahren oder junge Wagehäls waren, welche alle gleichsam im Krieg auferzogen worden. Als dieser von seiner Torheit auf gütlichs Ermahnen nicht abstehen wollte, kam Lapier und der Obriste Elter mit kommandierten Völkern, welche zu Hilperstein ohn alle Mühe und Blutvergießung Meister wurden und den neuen Obristen vierteilen oder, besser zu sagen, fünfteilen (dann der Kopf kam auch sonder) und an vier Straßen auf Räder legen, 18 ansehenliche Kerl aber von seinen Prinzipalanhängern zum Teil köpfen und zum Teil an ihre allerbeste Hälse aufhenken, dem Regiment aber die Musketen abnehmen und uns alle auf ein neues dem Feldherrn wieder schwören ließen. Also wurde ich noch vor meinem Ende oder vor dem völligen Frieden aus einem Forier zu einem Quartiermeister und das Regiment aus Dragonern zu Reutern gemacht; und dieses ist das letzte, was ich dir, mein Simplice, von meiner teutschen Kriegshistori zu erzählen weiß, ohne daß wir bald hernach abgedankt worden, zu welcher Zeit ich drei schöne Pferd, einen Knecht und einen Jungen, auch ohngefähr bei 300 Dukaten in barem Geld ohne die drei Monatsold vermöchte, die ich bei der Abdankung empfieng; dann ich hatte nun ein geraume Zeit hero kein Unglück gehabt, sondern Geld gesammlet. Und also mußte ich aufhören zu kriegen, da ich vermeinte, ich könnte es zum besten. Den Knecht und Jungen fertigte ich ab, so gut als ich konnte, versilberte zwei Pferd und sonst alles, was Geld golte, und begab mich mit dem Überrest nach Regensburg, um zu sehen, wie ich meinen Handel ferner anstellen oder was mir sonst vor ein Glück zustehen möchte.«

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 188-190.
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