Das XXII. Kapitel.

Türkenkrieg des Springinsfeld in Ungarn und dessen Verehlichung mit einer Leirerin.

[193] »Was ich mir gewünscht, das hab ich auch gefunden und erhalten, ohne daß ich nicht dem Serin, sondern dem Römischen Kaiser selbst gedienet. Ich kam eben, als etliche freiwillige Franzosen sich eingefunden, ihrem König zu Gefallen wider die türkische Säbel Ehr einzulegen. Derselbe Krieg gefiele mir nicht halber, und ich hatte auch weder ganzes noch halbes Glück darinnen, weil ich mich anfänglich nicht darein richten oder den Brief recht finden konnte zu lernen, wie mans machen müßte, daß man sich auch reich und groß kriegete. Doch schlendert ich so mit und suchte jederzeit in den allerschärpfsten Okkasionen entweder meinen Tod oder Ehre und Beuten zu erlangen, verblieb aber allezeit in dem Pfad der Mittelmaß, und wann ich gleich zuzeiten irgendseine Beute machte, so[193] hatte ich doch niemals weder das Glück noch die Witz noch die Gelegenheit, solches zu meinem Nutz aufzuheben und zu verwahren. Und solchergestalt brachte ich mich durch solche Biß in die allerletzte Hauptaktion, in deren die Unserige zwar oben lagen, ich aber mein vortrefflich Pferd durch einen Schuß verlor und unter demselben liegen verbleiben mußte mit gesundem Leibe, bis beides, Freund und Feind, das Feld geteilt und sich etlichemal über mich hinübergeschwenkt hatten, da ich dann von den Pferden so elend zertretten worden, daß ich alle Kräfte meiner Sinnen verloren, von den Siegern selbst vor tod gehalten und auch als ein Toder gleich andern Toten meiner Kleider beraubt wurde, in denen ich etliche schöne Dukaten versteppet hatte.

Da ich nun wieder zu mir selber kam, war mir nicht anders, als wann ich geradbrecht oder mir sonst Arm und Bein entzweigeschlagen worden wären; ich hatte nichts mehr an als das Hembd und konnte weder gehen, sitzen noch stehen, und weil jeder verpicht war, die Tode zu plündern und Beuten zu machen, als ließe mich auch ein jeder liegen, wie ich lag, bis mich endlich einer von meinem Regiment fande, durch dessen Anstalt ich zu unserer Bagage gebracht und da von diesem, dort von jenem, mit Kleidern und einem Feldscherer versehen wurde, der mich hin und wieder mit seinem Oleum Bapolium schmierete.

Da war ich nun zum allerelendesten Tropfen von der Welt worden. Der Markedenter, so mich führen, und der Feldscherer, so mich kurieren sollte, waren beide unwillig, und überdas mußte ich Hunger leiden um einen geringen Pfenning; dann mit dem Kommißbrod wurde meiner mehrmals vergessen, und bettlen zu gehen hatte ich die Kräften nicht. Indem ich mich nun allerdings darein ergeben hatte, ich müßte auf dem Markedenterwagen endlich krepiern, blickte mich wieder ein geringes Glück an, daß ich nämlich mit andern Kranken und Beschädigten mehr in die Steiermark mußte, allwo wir verlegt wurden, unsere Gesundheit wieder zu erholen. Das währete, bis wir nach dem unversehenen Friedenschluß zum Teil unseren Abschied kriegten, unter welchen Abgedankten ich mich auch befande, und nachdem ich meine Schulden bezahlt, weder Heller noch Pfenning und noch darzu kein gut Kleid auf dem Leib behielte.

Überdas war es mit meiner Gesundheit auch noch nicht gar richtig; in Summa, da war guter Rat teuer und bei mir Bettlen das beste Handwerk, das ich zu treiben getraute.[194] Dasselbe schlug mir auch besser zu als der ungarische Krieg; dann ich fande ein faules Leben und süßes Brod, bei welchem ich bald wieder meine vorige Kräfte eroberte, weil diejenige gerne gaben, die bedachten, daß ich um Erhaltung der Christenheit Vormaur willen in Armut und Krankheit geraten war.

Als ich nun meine Gesundheit wieder völlig erhalten, kam mir drum nit in Sinn, mein angenommenes Leben wieder zu verlassen und mich ehrlich zu ernähren, sondern ich machte vielmehr mit allerhand Bettlern und Landstörzern gute Bekannt- und Kameradschaft, vornehmlich mit einem Blinden, der viel bresthafte Kinder und gleichwohl unter denselbigen eine einzige gerade Tochter hatte, die auf der Leier spielte und nicht allein sich selbst damit ernährete, sondern noch Geld zurücklegte und ihrem Vatter davon mitteilte. In diese verliebte ich mich alter Geck, dann ich gedachte: ›Diese wird in deiner angenommenen Profession ein Stab deines vorhandenen und nunmehr verwiesenen Alters sein.‹ Und damit ich auch ihre Gegenlieb und also sie selbsten zu einem Weib bekommen möchte, überkam ich eine Diskantgeige ihr zu Gefallen, und half ihr beides, vor den Türen und auf den Jahrmärken, Baurentänzen und Kirchweihen in ihre Leier spielen, welches uns trefflich eintrug; und was wir so miteinander eroberten, teilete ich mit ihr ohne allen Vortel. Die allerweißeste Stücklein Brod ließe ich ihr zukommen, und was wir an Speck, Eier, Fleisch, Butter und dergleichen bekamen, ließe ich allein ihren Eltern, dahingegen ich bisweilen bei ihnen etwas Warms schmarotzete, insonderheit wann ich etwan da oder dort einem Bauren eine Henne abgefangen, die uns ihre Altmutter auf gut bettlerisch (das ist beim allerbesten) zu säubern, zu füllen, zu spicken und entweder gesotten oder gebraten zuzurichten wußte. Und damit bekam ich so wohl der Alten als der Jungen ihre Gunst; ja sie wurden so verträulich mit mir, daß ich mein Vorhaben nicht länger verbergen oder aufschieben konnte, sondern um die Tochter anhielte, darauf ich dann auch das Jawort stracks bekam, doch mit dem ausdrücklichen Geding und Vorbehalt, daß ich mich, solang ich seine Tochter hätte, nirgendshin häuslich niederlassen noch den freien Bettlerstand verlassen und mich unter dem Namen eines ehrlichen Burgersmann irgendseinem Herrn untertänig zu machen nicht verführen lassen sollte. Zweitens sollte ich auch fürterhin des Krieges müßig stehen, und drittens mich jeweils auf des Blinden Ordre mit seiner Familia aus einem friedsamen guten Land in das andere begeben. Dahingegen versprach er mir, mich auf solchen Gehorsam also[195] zu leiten und zu führen, daß ich und seine Tochter keinen Mangel leiden sollten, ob wir gleich bisweilen in einer kalten Scheuer verliebnehmen müßten.

Unsere Hochzeit wurde auf einem Jahrmarkt begangen, da sich allerhand Landstörzer von guten Bekannten beifanden, als Pupaper, Seiltänzer, Taschenspieler, Zeitungssinger, Haftenmacher, Scherenschleifer, Spengler, Leirerinnen, Meisterbettler, Spitzbuben und was des ehrbaren Gesindels mehr ist. Ein einzige alte Scheuer war genug beides, Tafel und das Beilager, darin zu halten, in deren wir auf türkisch auf der Erden herumsaßen und gleichwohl auf altteutsch herumsoffen. Der Hochzeiter und seine Braut mußte selbst in Stroh verliebnehmen, weil ehrlichere Gäste die Wirtshäuser eingenommen hatten; und als er murren wollte, um daß sie ihre Jungfrauschaft nicht zu ihm bracht, sagte sie: ›Bist du dann so ein elender Narr, daß du bei einer Leirerin zu finden vermeint hast, das noch wohl andere Kerl, als du einer bist, bei ihren ehrlich geachten Bräuten nicht finden? Wann du in solchen Gedanken gewesen bist, so müßte ich mich deiner Einfalt und Torheit zu krank lachen, sonderlich weil dessentwegen keine Morgengab mit dir bedingt worden.‹ Was sollte ich tun? es war halt geschehen! Ich wollte zwar das Maul um etwas henken, aber sie sagte mir ausdrücklich, wann ich sie dies Narrenswerk halber, das doch nur in einem eitelen Wahn bestünde, verachten wollte, so wüßte sie noch Kerl, die sie nicht verschmähen würden.«

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 193-196.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der seltzame Springinsfeld
Der seltzame Springinsfeld