Das XXVII. Kapitel.

Endlicher Beschluß von des Springinsfeld seltsamen Lebenslauf.

[210] »Durch diese Erzählung erfuhr ich, was das wunderbarliche Vogelnestlein bei meinem Weib gewürkt, wie sie der Kützel ihres geilen Fleisches zur Ehebrecherin, zur Mörderin (mich, selbst aber zu guter Letze zum Hahnrei) gemacht und sie endlich selbst in einen elenden Tod, ja gar ins Feur gebracht habe. Ich fragte den Wirt, ob sich sonst nichts weiters mit ihr zugetragen. ›Potz!‹ antwortet er, ›das Beste und Notabelste hätte ich schier vergessen. Es ist bei ihrem Tod einer von den Hellebardieren, ein junger frischer Kerl, mit Leib und Seel, Haut und Haar, Kleidern und allem hinwegkommen, daß bisher kein Mensch erfahren, wohin er geflogen oder gestoben sei. Und solches, sagt man, sei ihm widerfahren, als er sich gebuckt, ein Nastüchlein (welches auch zugleich verschwunden) aufzuheben, so diesem wunderbarlichen Weibsbilde zuständig gewesen.‹ – ›Ho ho!‹ gedacht[210] ich, ›jetzt weißt du auch, daß dein Nestlein wieder einen anderen Meister hat; Gott geb, daß es ihm besser als meinem Weib bekomme!‹ Ich hätte den Leuten allen wohl aus dem Traum helfen können, wann ich ihnen nur hätte die Wahrheit sagen wollen; aber ich schwieg still und ließe dieselbige sich untereinander verwundern und disputiern, solang sie wollten, betrachtet darneben, wie grob der Unwissenden Wahn betrüge und was wohl auf etliche wunderbarliche Historien zu halten, die weit anderst erzählt worden wären, wann die Skribenten den Grund recht gewußt hätten.

Nachdem ich nun solchergestalt ohnversehens erfahren, wo mein Weib hinkommen, schaffte ich mir wieder eine Geige und durchstelzte damit das Erzstift Salzburg, das ganze Bayern- und Schwabenland, Franken und die Wetterau. Endlich kam ich durch die Unterpfalz hieher und suchte überall, wo mir mitleidige Leute etwas gaben. Ich bin auch so glückselig hierin, daß ich glaube, es spendierte mir mancher etwas, der selbst nit den zehenden Teil soviel Geld hat als ich. Und weil ich sehe, daß von meinem Kapital nichts abgehet, ich aber gleichwohl einen als den andern Weg in aller Freiheit mein guts Maulfutter und auch zuzeiten, wann ichs bedörftig, eine glatte Leirerin (dann gleich und gleich gesellt sich gern) zur Nothelferin haben kann, so wißte ich nicht, was mich bewögen sollte, ein anders und seligers Leben zu verlangen. Ja ich wißte auch kein bessers für mich zu finden. Weißt du aber, mein Simplice, mir ein anders und bessers zu weisen, so möchte ich deinen Rat gern hören und nach Gestaltsam der Sach demselben auch gern folgen.«

»Ich wollte dir wünschen,« antwortet Simplicius, »du führtest hier zeitlich dein Leben, daß du das ewige nicht verirrest!« – »O Münchspossen!« sagte Springinsfeld; »es ist nicht müglich! du bist seither in einem Kloster gestecken oder hast im Sinn, in Bälde in eines zu schlieffen, daß du immer wider deine alte Gewohnheit so albere Fratzen herfürbringst.« – »Wann du nicht in Himmel willst,« antwortet Simplicius, »so wird dich niemand hineintragen; allein es wäre mir lieber, du tätest auch wie ein Christenmensch und fiengest an zu gedenken an deine letzte Ding, welche zu erfahren du noch einen kurzen Sprung zu tun hast.«

Unter diesem Gespräch fieng es an unvermerkt zu tagen, und solches verursachte bei uns allen wiederum eine Lust zu schlafen, wie dann zum öftern zu geschehen pflegt. Solcher Anmutung folgten wir und täten die Augen zu, uns noch ein paar Stund innerlich zu beschauen, stunden auch nicht ehender[211] auf, als bis uns der Appetit der Mägen zu etlichen Dutzet kleinen Pastetlein und einem Trunk Wermut nötigte. Als wir nun in derselben Arbeit begriffen waren, kriegten wir Zeitung, daß der Rhein die Brück hinweggenommen und noch stark mit Eis gehe, so daß niemand weder herüber- noch hinüberkommen könnte. Derowegen resolvierte sich Simplicius, denselben Tag mit seinen Leuten noch in der Stadt zu verbleiben, in welcher Zeit er weder den Springinsfeld noch mich von sich lassen wollte. Mit mir akkordierte er, daß ich dessen Lebensbeschreibung, wie es Springinsfeld selbst erzählet, schriftlich aufsetzen sollte, damit den Leuten zugleich kund würde, daß sein Sohn der leichtfertigen Courasche Hurenkind nicht seie; und dessentwegen schmierte er mir 6 Reichstaler, die ich damals wohl bedörfte; dem Springinsfeld selbsten aber lude er auf seinen Hof, bei ihm auszuwintern, beteuerte aber gegen mir gar hoch, daß er solches nicht seiner paar hundert Dukaten halber tue, sondern zu sehen, ob er ihm nicht auf den christlichen Weg eines gottseligen Lebens bringen möchte. Wie ich mir aber seithero sagen lassen, so hat ihn der verwichne März aufgerieben, nachdem er zuvor durch Simplicissimum in seinen alten Tagen ganz anders umgegossen und ein christliches und bessers Leben zu führen bewegt worden; nahm also dieser abenteuerliche Springinsfeld auf des ebenso seltsamen Simplicissimi Baurhof, als er ihn zuvor zu seinem Erben eingesetzt, sein letztes


Ende.[212]

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 210-213.
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