Das zweite Kapitel.

[182] Simplex, der Jäger von Soest, schafft ab

Einen, der sich vor den Jäger ausgab.


Als ich nun so fort hausete und im Werk begriffen war, mir einzige Teufelslarven und darzu gehörige schröckliche Kleidungen mit Roß- und Ochsenfüßen machen zu lassen, vermittelst deren ich die Feinde erschrecken, zumal auch den Freunden als unerkannt das Ihrige zu nehmen, darzu mir dann die Begebenheit mit dem Speckstehlen Anlaß gab, bekam ich Zeitung, daß ein Kerl sich in Werle aufhielte, welcher ein trefflicher Parteigänger sei, sich grün kleiden lassen und hin und her auf dem Land, sonderlich aber bei unsern Kontribuenten, unter meinem Namen mit Weiberschänden und Plünderungen allerhand Exorbitantien verübe, maßen dahero greuliche Klagen auf mich einkamen, dergestalt, daß ich übel eingebüßt hätte, da ich nicht ausdrücklich dargetan und erwiesen, daß ich in denjenigen Zeiten, da er ein und ander Stücklein auf mich verrichtet, mich anderswo befunden. Solches gedachte ich ihm nicht zu schenken, viel weniger zu leiden, daß er sich länger meines Namens bedienen, unter meiner Gestalt Beuten machen und mich dadurch so schänden sollte. Ich ließ ihn mit Wissen des Kommandanten in Soest auf einen Degen oder paar Pistolen ins freie Feld zu Gast laden; nach dem er aber das Herz nicht hatte zu erscheinen, ließ ich mich vernehmen, daß ich mich an ihm revanchieren wollte, und sollte es zu Werle in desselbigen Kommandanten Schoß geschehen, als der ihn nicht drum strafe. Ja ich sagte offentlich, daß, so ich ihn auf Partei ertappte, er als ein Feind von mir traktiert werden sollte! Das machte, daß ich meine Larven liegen ließ, mit denen ich ein Großes anzustellen vorhatte, sondern auch mein ganz grünes Kleid in kleine Stücken zerhackte und in Soest vor meinem[182] Quartier offentlich verbrannte, unangesehen allein meine Kleider ohn Federn und Pferdgezeug über die 100 Dukaten wert waren. Ja ich fluchte in solcher Wut noch drüber hin, daß der nächste, der mich mehr einen Jäger nenne, entweder mich ermorden oder von meinen Händen sterben müsse, und sollte es auch meinen Hals kosten! Wollte auch keine Partei mehr führen (so ich ohndas nicht schuldig, weil ich noch kein Offizier war), ich hätte mich dann zuvor an meinem Widerpart zu Werle gerochen. Also hielt ich mich ein und tät nichts Soldatisches mehr, als daß ich meine Wacht versahe, ich wäre dann absonderlich irgendshin kommandieret worden, welches [ich] jedoch alles wie ein anderer Bärnhäuter sehr schläferig verrichtete. Dies erscholl gar bald in der Nachbarschaft und wurden die Parteien vom Gegenteil so kühn und sicher davon, daß sie schier täglich vor unsern Schlagbäumen lagen, so ich in die Länge auch nicht ertragen konnte. Was mir aber gar zu unleidlich fiel, war, daß der Jäger von Werle noch immerzu fortfuhr, sich vor mich auszugeben und ziemliche Beute in meinem Namen zu machen.

Indessen nun, als jedermann vermeinete, ich hätte mich auf eine Bärnhaut schlafen gelegt, von deren ich so bald nicht wieder aufstehen würde, kündigte ich meines Gegenteils von Werle Tun und Lassen aus und befand, daß er mir nicht nur mit dem Namen und in den Kleidern nachäffte, sondern auch bei Nacht heimlich zu stehlen pflegte, wann er etwas erhaschen kunnte; derhalben erwachte ich wieder unversehens und machte meinen Anschlag darauf. Meine beiden Knechte hatte ich nach und nach abgerichtet wie die Wachtelhunde; so waren sie mir auch dermaßen getreu, daß jeder auf den Notfall für mich durch ein Feur geloffen wäre, weil sie ihr gut Fressen und Saufen bei mir hatten und treffliche Beuten machten. Deren schickte ich einen nach Werle zu meinem Gegenteil; der wande vor, weil ich, als sein gewesener Herr, nunmehr anfienge zu leben wie ein Schlingel und ander Kujon und verschworen hätte, nimmermehr auf Partei zu gehen, so hätte er nicht mehr bei mir bleiben mögen, sondern sei kommen ihm zu dienen, weil er anstatt seines Herrn ein Jägerkleid angenommen und sich wie ein rechtschaffener Soldat gebrauchen lasse. Er wisse alle Wege und Stege im Lande und könnte ihm manchen Anschlag geben, gute Beuten zu machen etc. Mein guter einfältiger Narr glaubte meinem Knecht und ließ sich bereden, daß er ihn annahm und auf eine bestimmte Nacht mit seinem Kameraden und ihm auf eine Schäferei gieng, etliche fette Hammel zu holen, da ich und Springinsfeld mit einem andern Knecht schon aufpaßten und den Schäfer bestochen[183] hatten, daß er seine Hunde anbinden und die Ankömmlinge in die Scheure unverhindert minieren lassen sollte, so wollte ich ihnen das Hammelfleisch schon gesegnen. Da sie nun ein Loch durch die Wand gemachet hatten, wollte der Jäger von Werle haben, mein Knecht sollte gleich zum ersten hineinschliefen. Er aber sagte: »Nein, es möchte jemand darin aufpassen und mir eins vorn Kopf geben; ich sehe wohl, daß Ihr nicht recht mausen könnet, man muß zuvor visitieren«; zog darauf seinen Degen aus und hieng seinen Hut an die Spitze, stieß ihn also etlichemal durchs Loch und sagte: »So muß man zuvor sehen, ob Bläsi zu Haus sei oder nicht.« Als solches geschehen, war der Jäger von Werle selbst der erste, so hineinkroch. Aber Springinsfeld erwischte ihn gleich beim Arm, darin er seinen Degen hatte, und fragte ihn, ob er Quartier wollte. Das hörete sein Geselle und wollte durchgehen; weil ich aber nicht wußte, welches der Jäger, und geschwinder als dieser auf den Füßen war, eilete ich ihm nach und ertappte ihn in wenig Sprüngen. Ich fragte: »Was Volks?« Er antwortete: »kaiserisch!« Ich fragte: »Was Regiments? Ich bin auch kaiserisch, ein Schelm, der seinen Herrn verleugnet!« Jener antwortete: »Wir sein von den Dragonern aus Soest und kommen, ein paar Hämmel zu holen; Bruder, ich hoffe, wann Ihr auch kaiserisch seid, Ihr werdet uns passieren lassen.« Ich antwortete: »Wer seid Ihr dann aus Soest?« Jener antwortete: »Mein Kamerad im Stall ist der Jäger.« »Schelmen seid ihr!« sagte ich; »warum plündert ihr dann euer eigen Quartier? Der Jäger von Soest ist so kein Narr, daß er sich in einem Schafstall fangen lässet.« – »Ach, von Werle wollt ich sagen«, antwortete mir jener wiederum; und indem ich so disputierte, kam mein Knecht und Springinsfeld mit meinem Gegenteil auch daher. »Siehe da, du ehrlicher Vogel,« sagte ich zu ihm, »kommen wir hier zusammen? wann ich die kaiserliche Waffen, die du wider den Feind zu tragen aufgenommen hast, nicht respektierte, so wollte ich dir gleich eine Kugel durch den Kopf jagen! Ich bin der Jäger von Soest bis dahero gewesen, und dich halte ich vor einen Schelmen, bis du einen von gegenwärtigen Degen zu dir nimmst und den andern auf Soldatenmanier mit mir missest!« Indem legte mein Knecht (der, sowohl als Springinsfeld, ein abscheuliches Teufelskleid mit großen Bockshörnern anhatte) uns zween gleiche Degen vor die Füße, die ich mit aus Soest genommen hatte, und gab dem Jäger von Werle die Wahl, einen davon zu nehmen, welchen er wollte, davon der arme Jäger so erschrak, daß es ihm gieng wie mir zu Hanau, da ich den Tanz[184] verderbte. Dann er hofierte die Hosen so voll, daß schier niemand bei ihm bleiben konnte: er und sein Kamerad zitterten wie nasse Hunde, sie fielen nieder auf die Kniee und baten um Gnade! Aber Springinsfeld kollerte wie aus einem hohlen Hafen heraus und sagte zum Jäger: »Du mußt einmal raufen, oder ich will dir den Hals brechen!« – »Ach hochgeehrter Herr Teufel,« antwortete er hingegen, »ich bin nicht Raufens halber herkommen; der Herr Teufel überhebe mich dessen, so will ich hingegen tun, was du willt.« In solchen verwirrten Reden gab ihm mein Knecht den einen Degen in die Hand und mir den andern; er zitterte aber so sehr, daß er ihn nicht halten konnte. Der Mond schien sehr hell, so daß der Schäfer und sein Gesinde alles aus ihrer Hütten sehen und hören konnten. Ich rufte demselben, herbeizukommen, damit ich einen Zeugen dieses Handels hätte. Dieser, als er kam, stellete sich, als ob er die zween in den Teufelskleidern nicht sähe, und sagte, was ich mit diesen Kerlen lang in seiner Schäferei zu zanken; wann ich etwas mit ihnen hätte, sollte ichs an einem andern Ort ausmachen, unsere Händel giengen ihn nichts an; er gebe monatlich seine Konterbission, hoffte darum bei seiner Schäferei in Ruhe zu leben. Zu jenen zweien aber sagte er, warum sie sich nur so von mir geheien ließen und mich nicht niederschlügen. Ich sagte: »Du Flegel, sie haben dir deine Schafe wollen stehlen.« Der Baur antwortete: »So wollte ich, daß sie mich und meine Schafe müßten im Hindern lecken«, und gieng damit hinweg. Hierauf drang ich wieder auf das Fechten; mein armer Jäger aber konnte schier nicht mehr vor Forcht auf den Füßen stehen, also daß er mich daurete; ja, er und sein Kamerad brachten so bewegliche Worte vor, daß ich ihm endlich alles verziehe und vergab. Aber Springinsfeld war damit nicht zufrieden, sondern zwang den Jäger, daß er drei Schafe (dann so viel hatten sie stehlen wollen) mußte im Hindern küssen, und zerkratzte ihm noch dazu so abscheulich im Gesicht, daß er aussahe, als ob er mit den Katzen gefressen hätte, mit welcher schlechten Sache ich zufrieden war. Aber der Jäger verschwand bald aus Werle, weil er sich viel zu sehr schämte; dann sein Kamerad sprengte allerorten aus und beteuret es mit heftigen Flüchen, daß ich wahrhaftig zween leibhaftiger Teufel hätte, die mir auf den Dienst warteten, darum ich noch mehr geförchtet, hingegen aber desto weniger geliebet ward.[185]

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 182-186.
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