Das dritte Kapitel.

[186] Simplex bekommt den Gott Jovem gefangen,

Höret der Götter Ratschlag mit Verlangen.


Solches ward ich bald gewahr; derhalben stellete ich mein vorig gottlos Leben allerdings ab und befliß mich allein der Tugend mit Frömmigkeit. Ich gieng zwar wie zuvor wieder auf Partei, erzeigte mich aber gegen Freunden und Feinden so leutselig und diskret, daß alle diejenige, so mir unter die Hände kamen, ein anders glaubten, als sie von mir gehört hatten; überdas hielt ich auch inn mit den überflüssigen Verschwendungen und sammlete mir viel schöne Dukaten und Kleinodien, welche ich hin und wieder in der Soestischen Börde auf dem Land in hohle Bäume verbarg, weil mir solches die bekannte Wahrsagerin zu Soest riet und mich versicherte, daß ich mehr Feinde in derselben Stadt und unter meinem Regiment als außerhalb und in den feindlichen Garnisonen hätte, die mir und meinem Geld nachstelleten. Und indem man hin und her Zeitung hatte, daß der Jäger ausgerissen wäre, saß ich denen, die sich damit kützelten, wieder unversehens auf der Haube; und eh ein Ort recht erfuhr, daß ich an einem andern Schaden getan, empfand dasselbige schon, daß ich noch vorhanden war; dann ich fuhr herum wie eine Windsbraut, war bald hie, bald dort, also daß man mehr von mir zu sagen wußte als zuvor, da sich noch einer vor mich ausgab.

Ich saß einsmals mit 25 Feurröhren nicht weit von Dorsten und paßte einer Konvoi mit etlichen Fuhrleuten mit sonderlicher Verschlagenheit auf, die nach Dorsten kommen sollte. Ich hielt meiner Gewohnheit nach selbst Schildwacht, weil wir dem Feind nahe waren. Da kam ein einziger Mann daher, fein ehrbar gekleidet; der redte mit ihm selbst und hatte mit seinem Meerrohr, das er in Händen trug, ein seltsam Gefechte. Ich konnte nichts anders verstehen, als daß er sagte: »Ich will einmal die Welt strafen, es wolle mirs dann das große Numen nicht zugeben!«, woraus ich mutmaßete, es möchte etwan ein mächtiger Fürst sein, der so verkleidterweise herumgienge, seiner Untertanen Leben und Sitten zu erkündigen, und sich nun vorgenommen hätte, solche (weil er sie vielleicht nicht nach seinem Willen gefunden) gebührend zu strafen. Ich gedachte: »Ist dieser Mann vom Feind, so setzt es eine gute Ranzion; wo nicht, so wiltu ihn so höflich traktieren und ihm dadurch das Herz dermaßen abstehlen, daß es dir künftig dein Lebtag wohl bekommen soll«, sprang derhalben hervor, präsentierte mein Gewehr[186] mit aufgezogenem Hahn und sagte: »Der Herr wird ihm belieben lassen, vor mir hin in Busch zu gehen, wofern er nicht als ein Feind will traktiert sein.« Er antwortete sehr ernsthaftig: »Solcher Traktation ist meinesgleichen nicht gewohnt.« Ich aber tummelte ihn höflich fort und sagte: »Der Herr wird ihm nicht zuwider sein lassen, sich vor diesmal in die Zeit zu schicken!« Und als ich ihn in den Busch zu meinen Leuten gebracht und die Schildwachten wieder besetzt hatte, fragte ich ihn, wer er sei. Er antwortete gar großmütig, es würde mir wenig daran gelegen sein, wannschon ich es wüßte; er sei doch ein großer Gott. Ich gedachte, er möchte mich vielleicht kennen und etwan ein Edelmann von Soest sein und so sagen, mich zu hetzen, weil man die Soester mit dem großen Gott und seinem göldenen Fürtuch zu vexieren pfleget, ward aber bald innen, daß ich anstatt eines Fürsten einen Erzphantasten gefangen hätte, der sich überstudieret und sonderlich in der Poeterei gewaltig verstiegen; dann da er bei mir ein wenig erwarmete, gab er sich vor den Gott Jupiter aus.

Ich wünschte zwar, daß ich diesen Fang nicht getan; weil ich den Narrn aber hatte, mußte ich ihn wohl behalten, bis wir von dannen rückten, und demnach mir die Zeit ohndas ziemlich lang ward, gedachte ich, diesen Kerl zu stimmen und mir seine Gaben zunutz zu machen, sagte derowegen zu ihm: »Nun dann, mein lieber Jove, wie kommt es doch, daß deine hohe Gottheit ihren himmlischen Thron verlässet und zu uns auf Erden steiget? Vergib mir, o Jupiter, meine Frage, die du vor fürwitzig halten möchtest; dann wir seind den himmlischen Göttern auch verwandt und eitel Sylvani, von den Faunis und Nymphis geboren, denen diese Heimlichkeit billig unverborgen sein solle.« – »Ich schwöre dir beim Styx,« antwortete Jupiter, »daß du hiervon nichts erfahren solltest, wann du meinem Mundschenken Ganymede nicht so ähnlich sähest, und wannschon du Pans eigener Sohn wärest; aber von seinetwegen kommuniziere ich dir, daß ein groß Geschrei über der Welt Laster zu mir durch die Wolken gedrungen, darüber in aller Götter Rat beschlossen worden, ich könnte mit Billigkeit wie zu Lykaons Zeiten den Erdboden wieder mit Wasser austilgen. Weil ich aber dem menschlichen Geschlecht mit sonderbarer Gunst gewogen bin und ohndas allezeit lieber die Güte als eine strenge Verfahrung brauche, vagiere und terminiere ich jetzt herum, der Menschen Tun und Lassen selbst zu erkündigen; und obwohl ich alles ärger finde, als mirs vorkommen, so bin ich doch nicht gesinnt, alle Menschen zugleich und ohn Unterscheid auszureuten, sondern nur diejenige zu strafen,[187] die zu strafen sind, und hernach die übrige nach meinem Willen zu ziehen.«

Ich mußte zwar lachen, verbiß es doch, so gut ich konnte, und sagte: »Ach Jupiter! deine Mühe und Arbeit wird besorglich allerdings umsonst sein, wann du nicht wieder, wie vor diesem, die Welt mit Wasser oder gar mit Feur heimsuchest. Dann schickest du einen Krieg, so laufen alle böse verwegene Buben mit, welche die friedliebende fromme Menschen nur quälen werden; schickest du eine Teurung, so ists eine erwünschte Sache vor die Wucherer, weil alsdann denselben ihr Korn viel gilt; schickest du aber ein Sterben, so haben die Geizhälze und alle übrige Menschen ein gewonnen Spiel, indem sie hernach viel erben; wirst derhalben die ganze Welt mit Butzen und Stiel ausrotten müssen, wann du anderst strafen willt.«

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 186-188.
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