Das fünfte Kapitel.

[192] Simplex vernimmt, wie der teutsche Held werde

Alle Religion schlichten auf Erde.


Springinsfeld, der uns auch zuhörete, hätte den Jupiter schier unwillig gemacht und den Handel beinahe verderbet, weil er sagte: »Und alsdann wirds in Teutschland hergehen wie im Schlauraffenland, da es lauter Muskateller regnet und die Kreuzerpastetlein über Nacht wie die Pfifferlinge wachsen! Da werde ich mit beiden Backen fressen müssen wie ein Drescher und Malvasier saufen, daß mir die Augen übergehen.« – »Ja freilich!« antwortete Jupiter: »vornehmlich wann ich dir die Plage Erysichthonis anhängen würde, weil du, wie mich dünken will, meine Hoheit verspottest.« Zu mir aber sagte er: »Ich habe vermeint, ich sei bei lauter Sylvanis; so sehe ich aber wohl, daß ich den neidigen Momum oder Zoilum angetroffen habe. Ja man sollte solchen Verrätern das, was der Himmel beschlossen, offenbaren und so edle Perlen vor die Säue werfen! ja freilich! auf den Buckel geschissen vor ein Brusttuch!« Ich gedachte: »Dies ist mir wohl ein visierlicher und unflätiger Abgott, weil er neben so hohen Dingen auch mit so weicher Materi umgehet.« Ich sahe wohl, daß er nicht gern hatte, daß man lachte, verbiß es derowegen so gut, als ich immer konnte, und sagte zu ihm: »Allergütigster Jove, du wirst ja eines groben Waldgotts Unbescheidenheit halber deinem andern Ganymede nicht verhalten, wie es weiter in Teutschland hergehen wird.« – »O nein!« antwortete er, »aber befiehle zuvor diesem Theoni, daß er seine Hipponacis-Zunge fürderhin im Zaum halten solle, eh ich ihn (wie Mercurius den Battum) in einen Stein verwandele. Du selbst aber gestehe mir, daß du mein Ganymedes seist, und ob dich nicht mein eifersichtige Juno in meiner Abwesenheit aus dem himmlischen Reich gejaget habe.« Ich versprach, ihm alles zu erzählen, da ich zuvor würde gehört haben, was ich zu wissen verlange. Darauf sagte er: »Lieber Ganymede (leugne nur nicht mehr, dann ich sehe wohl, daß du es bist), es wird alsdann in Teutschland das Goldmachen so gewiß und so gemein werden als das Hafnerhandwerk, also daß schier ein jeder Roßbub den lapidem phliosophorum wird umschleppen!« Ich fragte: »Wie wird aber Teutschland bei so unterschiedlichen Religionen einen so langwierigen Frieden haben können? Werden so unterschiedliche Pfaffen nicht die Ihrige hetzen und wegen ihres Glaubens wiederum einen neuen Krieg über den andern anspinnen?« – »O nein!« sagte Jupiter, »mein Held wird dieser[192] Sorge weislich vorkommen und vor allen Dingen alle christliche Religionen in der ganzen Welt miteinander vereinigen.« Ich sagte: »O Wunder, das wäre ein groß, rares und recht vortreffliches Werk! Wie müßte das zugehen?« Jupiter antwortete: »Das will ich dir herzlich gern offenbaren. Nachdem mein Held den Universalfrieden der ganzen Welt verschafft, wird er die geist- und weltliche Vorsteher und Häupter der christlichen Völker und unterschiedlichen Kirchen mit einer sehr beweglichen Sermon anreden und ihnen die bisherige hochschädliche Spaltungen in den Glaubenssachen trefflich zu Gemüt führen, sie auch durch hoch vernünftige Gründe und unwidertreibliche Argumenta dahinbringen, daß sie von sich selbst eine allgemeine Vereinigung wünschen und ihm das ganze Werk seiner hohen Vernunft nach zu dirigiern übergeben werden. Alsdann wird er die allergeistreichste, gelehrteste und frömmste Theologos von allen Orten und Enden her aus allen Religionen zusammenbringen und ihnen einen Ort, wie vor diesem Ptolomäus Philadelphus den 72 Dolmetschern getan, in einer lustigen, doch stillen Gegend, da man wichtigen Sachen ungehindert nachsinnen kann, zurichten lassen, sie daselbst mit Speise und Trank, auch aller anderer Notwendigkeit versehen und ihnen auflegen, daß sie, sobald immer müglich und jedoch mit der allerreifsten und fleißigsten Wohlerwägung, die Strittigkeiten, so sich zwischen ihren Religionen enthalten, erstlich beilegen und nachgehends mit rechter Einhelligkeit die rechte, wahre, heilige und christliche Religion, der Hl. Schrift, der uralten Tradition und der probierten Hl. Vätter Meinung gemäß schriftlich verfassen sollen. Um dieselbige Zeit wird sich Pluto gewaltig hintern Ohren kratzen, weil er alsdann die Schmälerung seines Reichs besorgen wird; ja, er wird allerlei Fünd, Ränk, Bosheit und List erdenken, ein Que dareinzumachen und die Sache, wo nicht gar zu hintertreiben, jedoch solche ad infinitum oder indefinitum zu bringen, sich gewaltig bemühen. Er wird sich unterstehen, einem jeden Theologo sein Interesse, seinen Stand, sein geruhig Leben, sein Weib und Kinder, sein Ansehen und je so etwas, das ihm seine Opinion zu behaupten einraten möchte, vorzumalen. Aber mein tapferer Held wird auch nicht feiren; er wird, solang dieses Concilium währet, in der ganzen Christenheit alle Glocken läuten und damit das christliche Volk zum Gebet an das höchste Numen unablässig anmahnen und um Sendung des Geistes der Wahrheit bitten lassen. Wann er aber merken würde, daß sich einer oder ander von Plutone einnehmen läßt, so wird er die ganze Kongregation wie in einem Konklave mit Hunger quälen: und wann[193] sie noch nicht daran wollen, ein so hohes Werk zu befördern, so wird er ihnen allen vom Hängen predigen oder ihnen sein wunderbarlich Schwert weisen und sie also erstlich mit Güte, endlich mit Ernst, Erschrecken und Bedrohungen dahin bringen, daß sie ad rem schreiten und mit ihren halsstarrigen falschen Meinungen die Welt nicht mehr wie vor alters foppen. Nach erlangter Einigkeit wird er ein groß Jubelfest anstellen und der ganzen Welt diese geläuterte Religion publizieren; und welcher alsdann darwider glaubet, den wird er mit Schwefel und Pech martyrisieren oder einen solchen Ketzer mit Buchsbaum bestecken und dem Plutoni zum Neuen Jahr schenken. Jetzt weißt du, lieber Ganymede, alles, was du zu wissen begehret hast; nun sage mir aber auch, was die Ursache ist, daß du den Himmel verlassen, in welchem du mir so manchen köstlichen und vortrefflichen Trunk Nektar eingeschenkt hast.«

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 192-194.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Der Abenteuerliche Simplicissimus Teutsch: Roman
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch