Das sechste Kapitel.

[194] Simplex hört weiter von Jove erdicht,

Was die Flöh haben bei ihm ausgericht.


Ich gedachte bei mir selbst: Der Kerl dörfte vielleicht kein Narr sein, wie er sich stellet, sondern mirs kochen, wie ichs zu Hanau gemacht, um desto besser von uns durchzukommen; gedachte ihn derowegen mit dem Zorn zu probieren, weil man einen Narrn am besten bei solchem erkennet, und sagte: »Die Ursache, daß ich aus dem Himmel kommen, ist, daß ich dich selbst darin mangelte, nahm derowegen des Dädali Flügel und flog auf Erden, dich zu suchen. Wo ich aber nach dir fragte, fand ich, daß man dir aller Orten und Enden ein schlechtes Lob verliehe, dann Zoilus und Moscus haben dich und alle andere Götter in der ganzen weiten Welt vor so verrucht, leichtfertig und stinkend ausgeschrieen, daß ihr bei den Menschen allen Kredit verloren. Du selbst, sagen sie, seist ein filzlausiger ehebrecherischer Hurenhengst. Mit was vor Billigkeit du dann die Welt wegen solcher Laster strafen mögest? Vulcanus sei ein gedultiger Hahnrei und habe den Ehebruch Martis ohn sonderbare namhafte Rache müssen hingehen lassen; was der hinkende Gauch dann vor Waffen werde schmieden können? Venus sei selbsten die verhaßteste Vettel von der Welt wegen ihrer Unkeuschheit; was sie dann vor Gnade und Gunst einem andern werde mitteilen können? Mars sei ein Mörder und Rauber, Apollo ein[194] unverschämter Hurenjäger, Mercurius ein unnützer Plauderer, Dieb und Kuppler, Priapus ein Unflat, Hercules ein hirnschelliger Wüterich, und kurzab, die ganze Schar der Götter sei so verrucht und leichtfertig, daß man sie sonst nirgendshin als in des Augei Stall logieren sollte, welcher ohndas durch die ganze Welt stinkt.« – »Ach!« sagte Jupiter, »wär es ein Wunder, wann ich meine Güte beiseitsetzte und diese heillose Ehrendiebe und Gott schändende Verleumder mit Donner und Blitz verfolgte? Was dünket dich, mein getreuer und allerliebster Ganymede? Soll ich diese Schwätzer mit ewigem Durst plagen wie den Tantalum? oder soll ich sie neben dem mutwilligen Plauderer Daphitas auf dem Berg Therace aufhängen lassen? oder sie mit Anaxarcho in einem Mörsel zerstoßen? oder soll ich sie zu Agrigento in Phalaris' glühenden Ochsen stecken? Nein, nein! Ganymede! diese Strafen und Plagen sind alle miteinander viel zu gering. Ich will der Pandorae Büchse von neuem füllen und selbe den Schelmen auf ihre heillose Köpfe ausleeren lassen; die Nemesis soll die Alecto, Megaera und Tesiphone erwecken und ihnen über den Hals schicken, und Hercules soll den Cerberum vom Pluto entlehnen und diese böse Buben damit hetzen wie die Wölfe. Wann ich sie dann dergestalt genugsam gejaget, gepeiniget und geplaget haben werde, so will ich sie erst neben den Hesiodum und Homerum in das höllische Haus an eine Säule binden und sie durch die Eumenides ohn einzige Erbarmung ewiglich abstrafen lassen.« Indem Jupiter so drohete, zog er in Gegenwart meiner und der ganzen Partei die Hosen herunter ohn einzige Scham und stöberte die Flöhe daraus, welche ihn, wie man an seiner sprenklichten Haut wohl sahe, schröcklich tribuliert hatten. Ich konnte mir nicht einbilden, was es abgeben sollte, bis er sagte: »Schert euch fort, ihr kleine Schinder! Ich schwöre euch beim Styx, daß ihr in Ewigkeit nicht erhalten sollet, was ihr so sorgfältig sollizitiert!« Ich fragte ihn, was er mit solchen Worten meine? Er antwortete, daß das Geschlecht der Flöhe, als sie vernommen, daß er auf Erden kommen sei, ihre Gesandten zu ihm geschickt hätten, ihn zu komplimentieren. Diese hätten ihm darneben angebracht, obzwar er ihnen die Hundshäute zu bewohnen assigniert, daß dannoch zuzeiten wegen etlicher Eigenschaften, welche die Weiber an sich hätten, teils aus ihnen sich verirreten und den Weibern in die Pelze gerieten; solche verirrete arme Tropfen aber würden von den Weibern übel traktieret, gefangen und nicht allein ermordet, sondern auch zuvor zwischen ihren Fingern so elendiglich gemartert und zerrieben, daß es einen[195] Stein erbarmen möchte. »Ja,« sagte Jupiter ferner, »sie brachten mir die Sache so beweglich und erbärmlich vor, daß ich Mitleiden mit ihnen haben mußte und also ihnen Hülfe zusagte, jedoch mit Vorbehalt, daß ich die Weiber zuvor auch hören möchte. Sie aber wandten vor, wann den Weibern erlaubet würde, Widerpart zu halten und ihnen zu widersprechen, so wüßten sie wohl, daß sie mit ihren giftigen Hundszungen entweder meine Frömmigkeit und Güte betäuben, die Flöhe selbsten aber überschreien oder aber durch ihre liebliche Worte und Schönheit mich betören und zu einem falschen, ihnen höchst nachteiligen Urteil verleiten würden; mit fernerer Bitte, ich wollte sie ihrer untertänigen Treue genießen lassen, welche sie mir allezeit erzeiget und ferner zu leisten gedächten, indem sie allezeit am nächsten darbei gewesen und am besten gewußt hätten, was zwischen mir und der Jo, Kallisto, Europa und andern mehr vorgangen, hätten aber niemals nichts aus der Schule geschwätzt, noch der Juno, wiewohl sie sich auch bei ihr pflegten aufzuhalten, einziges Wort gesagt, maßen sie sich noch solcher Verschwiegenheit beflissen, wie dann kein Mensch bis dato (unangesehen sie sich gar nahe bei allen Buhlschaften finden ließen) von ihnen wie Apollo von den Raben etwas dergleichen erfahren hätte. Wann ich aber je zulassen wollte, daß die Weiber sie in ihren Bann jagen, fangen und nach Waidmanns Recht metzeln dörften, so wäre ihre Bitte, zu verschaffen, daß sie hinfort mit einem heroischen Tod hingerichtet und entweder mit einer Axt wie Ochsen niedergeschlagen oder wie Wildpret gefället würden, und nicht mehr so schimpflich zwischen ihren Fingern zerquetschen und radbrechen sollten, wodurch sie ohndas ihre eigene Glieder, damit sie oft was anders berührten, zu Henkersinstrumenten machten, welches allen ehrlichen Mannsbildern eine große und unausleschliche Schande wäre. Ich sagte: ›Ihr Herren müßt sie greulich quälen, weil sie euch so schröcklich tyrannisieren!‹ – ›Jawohl,‹ gaben sie mir zur Antwort, ›sie sind uns sonst so neidig und vielleicht darum, daß sie sorgen, wir sehen, hören und empfinden zuviel, eben als ob sie unsrer Verschwiegenheit nicht genugsam versichert wären. Was wollte es sein? Können sie uns doch in unserm eigenen Territorio nicht leiden, gestalt manche ihr Schoßhündlein mit Bürsten, Kämmen, Seifen, Laugen und andern Dingen dermaßen durchstreift, daß wir unser Vatterland notdringlich quittieren und andere Wohnungen suchen müssen, unangesehen sie solche Zeit besser anlegen und etwan ihre eigene Kinder von den Läusen säubern könnten.‹ Darauf erlaubte ich ihnen, bei mir einzukehren und meinen menschlichen Leib[196] ihre Beiwohnung, Tun und Lassen empfinden zu machen, damit ich ein Urteil darnach fassen und aussprechen könnte. Da fieng das Lumpengesind an, mich zu geheien, daß ich sie, wie ihr gesehen habet, wieder abschaffen müssen. Ich will ihnen ein Privilegium auf die Nase hofieren, daß sie die Weiber verrieblen und vertrieblen mögen, wie sie wollen; ja wann ich selbst so einen schlimmen Kunden ertappe, will ichs ihm nicht besser machen.«

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 194-197.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Der Abenteuerliche Simplicissimus Teutsch: Roman
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch