Das neunte Kapitel.

[203] Simplex tut Meldung vom ungleichen Kampf,

Schießt einen, daß von ihm gehet der Dampf.


Meine Hoffart vermehrete sich mit meinem Glück, daraus endlich nichts anders als mein Fall erfolgen konnte. Ungefähr eine halbe Stunde von Rehnen kampierten wir, als ich mit meinem besten Kameraden Erlaubnus begehrte, in dasselbe Städtlein zu gehen, etwas an unserm Gewehr flicken zu lassen, so wir auch erhielten. Weil aber unsre Meinung war, sich einmal rechtschaffen miteinander lustig zu machen, kehreten wir im besten Wirtshaus ein und ließen Spielleute kommen, die uns Wein und Bier hinuntergeigen mußten. Da giengs in floribus her und blieb nichts unterwegen, was nur dem Geld wehe tun möchte, ja ich hielt Bursch von andern Regimentern zu Gast und stellete mich nicht anders als wie ein junger Prinz, der Land und Leute vermag und alle Jahr ein groß Geld zu verzehren hat. Dahero ward uns auch besser als einer Gesellschaft Reuter, die gleichfalls dort zehrete, aufgewartet, weils jene nicht so toll hergehen ließen; das verdroß sie und fiengen an, mit uns zu kippeln. »Woher kommts« sagten sie untereinander, »daß diese Stiegelhupfer« (dann sie hielten uns vor Musketierer, maßen kein Tier in der Welt ist, das einem Musketierer gleicher siehet als ein Dragoner, und wann ein Dragoner vom Pferd fällt, so stehet ein Musketierer wieder auf) »ihre Heller so weisen?« Ein anderer antwortet: »Jener Säugling ist gewiß ein Strohjunker, dem seine Mutter etliche Milchpfennige geschicket, die er jetzo seinen Kameraden spendiert, damit sie ihn künftig irgendswo aus dem Dreck oder etwan durch einen Graben tragen sollen.« Mit diesen Worten zieleten sie auf mich, dann ich ward vor einen jungen Edelmann bei ihnen angesehen. Solches ward mir durch die Kellerin hinterbracht; weil ichs aber nicht selbst gehört, konnte ich anders nichts darzu tun, als daß ich gleich darauf ein groß Bierglas mit Wein einschenken und solches auf Gesundheit aller rechtschaffenen Musketierer herumgehen, auch jedesmal solchen Alarm darzu machen ließ, daß keiner sein eigen Wort hören konnte. Das verdroß sie noch mehr, derowegen sagten sie offentlich: »Was Teufels haben doch die Stiegelhupfer[203] vor ein Leben?« Springinsfeld antwortete: »Was gehets die Stiefelschmierer an?« Das gieng ihm hin, dann er sahe so gräßlich drein und machte so grausame und bedrohliche Mienen, daß sich keiner an ihn reiben dorfte. Doch stieß es ihnen wieder auf, und zwar einen ansehnlichen Kerl, der sagte: »Und wann sich die Maurenscheißer auch auf ihrem Mist (er vermeinte, wir lägen da in der Garnison, weil unsere Kleidungen nicht so wetterfärbig aussahen wie derjenigen Musketierer, die Tag und Nacht im Felde liegen) nicht so breit machen dörften, wo wollten sie sich dann sehen lassen? Man weiß ja wohl, daß jeder von ihnen in offenen Feldschlachten unser Raub sein muß, gleichwie die Taube eines jeden Stoßfalken!« Ich antwortete ihm: »Wir müssen Städt und Festungen einnehmen, und solche werden uns auch zu verwahren vertrauet, dahingegen ihr Reuter auch vor dem geringsten Rattennest keinen Hund aus dem Ofen locken könnet. Warum wollten wir sich dann in dem, was mehr unser als euer ist, nicht dörfen lustig machen?« Der Reuter antwortete: »Wer Meister im Felde ist, dem folgen die Festungen; daß wir aber die Feldschlachten gewinnen müssen, folget aus dem, daß ich so drei Kinder, wie du eins, bist, mitsamt ihren Musketen nicht allein nicht forchten, sondern ein paar davon auf den Hut stecken und den dritten erst fragen wollte, wo deiner noch mehr wären? Und säße ich nur bei dir,« sagte er gar höhnisch, »so wollte ich dem Junker Glattmaul zu Bestätigung der Wahrheit ein paar Dachteln geben!« Ich antwortete ihm: »Obzwar ich vermeine, ein so gut paar Pistolen zu haben als du, wiewohl ich kein Reuter, sondern nur ein Zwidder zwischen ihnen und den Musketierern bin, schau! so hat doch ein Kind das Herz, mit seiner Musketen allein einem solchen Prahler zu Pferd, wie du einer bist, gegen all seinem Gewehr im freien Feld nur zu Fuß zu erscheinen.« – »Ach! du Kujon,« sagte der Kerl, »ich halte dich vor einen Erz-Bärnhäuter, wann du nicht, wie ein redlicher von Adel, alsbald deinen Worten eine Kraft gibest.« Hierauf warf ich ihm einen Handschuh zu und sagte: »Siehe da, wann ich diesen im freien Feld durch meine Muskete nicht zu Fuß wieder von dir bekomme, so habe gnugsame Macht und Gewalt, mich vor denjenigen zu halten und auszuschreien, wie mich deine Vermessenheit gescholten hat.« Hierauf zahlten wir den Wirt, und der Reuter, als mein Antagonist und Widerpart, machte seinen Karbiner und Pistolen, ich aber meine Muskete fertig; und da er mit seinen Kameraden von uns an den bestimmten Ort ritt, sagte er zu meinem Springinsfeld, er sollte mir nur allgemach das Grab bestellen.[204] Dieser aber antwortete ihm, er möchte solches auf eine Vorsorge seinen eigenen Kameraden vor ihn selbst zu bestellen anbefehlen; mir aber verwies er meine Frechheit und sagte unverhohlen, er besorge, ich werde aus dem letzten Loch pfeifen. Ich lachte hingegen, weil ich mich schon vorlängst besonnen hatte, wie ich einem wohlmondierten Reuter begegnen müsse, wann mich einmal einer zu Fuß mit einer Muskete im weiten Feld feindlich angreifen sollte. Da wir nun an den Ort kamen, wo der Betteltanz angehen sollte, hatte ich meine Muskete bereits mit zweien Kugeln geladen, frisch Zindkraut aufgerührt und den Deckel auf der Zündpfanne mit Unschlitt verschmiert, wie vorsichtige Musketierer zu tun pflegen, wann sie das Zindloch und Pulver auf der Pfannen im Regenwetter vor Wasser verwahren wollen.

Eh wir nun auf einander giengen, bedingten beiderseits Kameraden miteinander, daß wir uns im freien Feld angreifen und zu solchem Ende der eine von Ost, der ander aber von West in ein umgezäuntes Feld eintretten sollten, und alsdann möge ein jeder sein Bestes gegen dem andern tun, wie ein Soldat tun soll, welcher dergestalt seinen Feind vor Augen kriegt. Es sollte sich auch weder vor, in, noch nach dem Kampf keiner von beiden Parteien unterstehen, seinem Kameraden zu helfen, noch dessen Tod oder Beschädigung zu rächen. Als sie solches einander mit Mund und Hand versprochen hatten, gaben ich und mein Gegner einander auch die Hände und verziehe je einer dem andern seinen Tod; in welcher allerunsinnigsten Torheit, welche je ein vernünftiger Mensch begehen kann, ein jeder hoffte, seiner Gattung Soldaten das Prä zu erhalten, gleichsam als ob des einen oder andern Teils Ehre und Reputation an dem Ausgang unsers teuflischen und höchst freveln Beginnens gelegen gewesen wäre. Da ich nun an meinem bestimmten Ende mit doppeltbrennendem Lunden in angeregtes Feld trat und meinen Gegenteil vor Augen sahe, stellete ich mich, als ob ich das alte Zindkraut im Gang abschütte; ich täts aber nicht, sondern rührte Zindpulver nur auf den Deckel meiner Zindpfanne, blies ab und paßte mit zween Fingern auf der Pfanne auf, wie bräuchlich ist; und eh ich meinem Gegenteil, der mich auch wohl im Gesicht hielt, das Weiße in Augen sehen konnte, schlug ich auf ihn an und brannte mein falsch Zündkraut auf dem Deckel der Pfannen vergeblich hinweg. Mein toller Gegner vermeinte, die Muskete hätte mir versagt und das Zündloch wäre mir verstopft, sprengte derowegen mit einer Pistol in der Hand gar zu begierig recta auf mich dar in Meinung, mir meinen Frevel zu bezahlen und den letzten Rest[205] zu geben. Aber eh er sichs versahe, hatte ich die Pfanne offen und wieder angeschlagen, hieß ihn auch dergestalt willkommen sein, daß Knall und Fall eins war.

Ich retirierte mich hierauf zu meinen Kameraden, die mich gleichsam küssend empfiengen; die seinige aber entledigten ihn aus seinem Stegraif und täten gegen ihm und uns wie redliche Kerl, maßen sie mir auch meinen Handschuh mit großem Lob wieder schickten. Aber da ich mein Ehre am größten zu sein schätzte, kamen 25 Musketierer aus Rehnen, welche mich und meine Kameraden gefangennahmen. Ich zwar ward alsbald in Ketten und Banden geschlossen und der Generalität überschickt, weil alle Duell bei Leib- und Lebensstraf verbotten waren.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 203-206.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Der Abenteuerliche Simplicissimus Teutsch: Roman
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Die Mappe meines Urgroßvaters

Die Mappe meines Urgroßvaters

Der Erzähler findet das Tagebuch seines Urgroßvaters, der sich als Arzt im böhmischen Hinterland niedergelassen hatte und nach einem gescheiterten Selbstmordversuch begann, dieses Tagebuch zu schreiben. Stifter arbeitete gut zwei Jahrzehnte an dieser Erzählung, die er sein »Lieblingskind« nannte.

156 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon