Das siebzehnte Kapitel.

[44] Simplex verstehet, der Adel allein

Im Krieg nicht pflegt beehret zu sein.


Dieses verdroß einen Feldwaibel so sehr, daß er trefflich anfieng zu schmälen, aber Adelhold sagte: »Weißt du nicht, daß[44] man je und allwegen die Kriegsämter mit adeligen Personen besetzt hat, als welche hierzu am tauglichsten sein? Graue Bärte schlagen den Feind nicht, man könnte sonst eine Herde Böcke zu solchem Geschäft dingen. Es heißt:


Ein junger Stier wird vorgestellt

Dem Haufen als erfahren;

Den er auch hübsch beisammen hält,

Trutz dem von vielen Jahren.

Der Hirt darf ihm vertrauen auch

Ohn Ansehn seiner Jugend,

Man judiziert nach bösem Brauch

Aus Altertum die Tugend.


Sage mir, du alter Krachwadel, ob nicht edelgeborne Offizierer von der Soldateska besser respektieret werden als diejenige, so zuvor gemeine Knechte gewesen? und was ist von Kriegsdisziplin zu halten, wo kein rechter Respekt ist? Darf nicht der Feldherr einem Kavalier mehr vertrauen, als einem Baurenbuben, der seinem Vatter vom Pflug entlaufen und seinen eigenen Eltern kein gut tun wollen? Ein rechtschaffener Edelmann, ehe er seinem Geschlecht durch Untreu, Feldflucht oder sonst etwas dergleichen einen Schandflecken anhienge, eh würde er ehrlich sterben. Zudem gebührt dem Adel der Vorzug in allwege, wie solches leg. Honor. dig. de honor. zu sehen. Johannes de Platea will ausdrücklich, daß man in Bestallung der Ämter dem Adel den Vorzug lassen und die Edelleute den Plebejis schlecht soll vorziehen; ja solches ist in allen Rechten bräuchlich und wird in Heiliger Schrift bestätiget, dann Beata terra, cujus Rex nobilis est, saget Sirach, Kap. 10, welches ein herrlich Zeugnüs ist des Vorzugs, so dem Adel gebühret. Und wann schon einer von euch ein guter Soldat ist, der Pulver riechen und in allen Begebenheiten treffliche Anschläge geben kann, so ist er darum nicht gleich tüchtig, andere zu kommandieren und vorsichtiglich sich zu verhalten; dahingegen diese Tugend dem Adel angeboren oder von Jugend auf angewöhnet wird. Seneca saget: Habet hoc proprium generosus animus, qoud concitatur ad honesta, et neminem excelsi ingenii virum humilia delectant et sordida, das ist: Ein heroisches Gemüt hat diese Eigenschaft an sich, daß es zur Ehrerjagung aufgemuntert wird; so hat auch kein hoher Geist einiges Belieben an geringen und nichtswürdigen Dingen. Welches auch Faustus Poeta in diesem Disticho exprimieret hat:


Si te rusticitas vilem genuisset agrestis,

Nobilitas animi non foret ista tui.
[45]

Überdas hat der Adel mehr Mittel, ihren Untergehörigen mit Geld und den schwachen Kompagnien mit Volk zu helfen, als ein Baur. So stünde es auch nach dem gemeinen Sprichwort nicht sein, wenn man den Bauren über den Edelmann setzte; auch würden die Bauren viel zu hoffärtig, wann man sie also strack zu Herren machte, dann man saget:


Es ist kein Schwert, das schärfer schiert,

Als wann ein Baur zum Herren wird.


Hätten die Bauren durch langhergebrachte löbliche Gewohnheit die Kriegs- und andere Ämter in Possession, wie der Adel, so würden sie gewißlich so bald keinen Edelmann einkommen lassen; zudem, obschon euch Soldaten von Fortun (wie ihr genennet werdet) man oft gern helfen wollte, daß ihr zu höhern Ehren erhaben würdet, so seid ihr aber alsdann gemeiniglich schon so abgelebt, wann man euch probieret hat und eines Bessern würdig schätzet, daß man Bedenken haben muß, euch zu befördern; dann da ist die Hitze der Jugend verloschen, und gedenket ihr nur schlechts dahin, wie ihr eueren kranken Leibern, die durch viel erstandene Widerwärtigkeit ausgemergelt und zu Kriegsdiensten wenig mehr nutz seind, gütlich tun und wohl Pflegen möget, Gott gebe, wer fechte und Ehre einlege; hingegen aber ist ein junger Hund zum Jagen viel freudiger als ein alter Löw.«

Der Feldwaibel antwortete: »Welcher Narr wollte dann dienen und sich in augenscheinliche Todesgefahr begeben, wann er nicht hoffen darf, durch sein Wohlverhalten befördert und also um seine getreue Dienste belohnet zu werden. Der Teufel hole solchen Krieg! Auf diese Weise gilt es gleich, ob sich einer wohl hält oder nicht, ob einer dem Feind frisch unter die Augen tritt oder das Hasenpanier aufwirft. Ich habe von unserm alten Obristen vielmals gehöret, daß er keinen Soldaten unter sein Regiment begehre, der ihm nicht festiglich einbilde, durch Wohlverhalten ein General zu werden. So muß auch alle Welt bekennen, daß diejenige Nationen, so gemeinen, aber doch rechtschaffenen Soldaten forthelfen und ihre Tapferkeit bedenken, gemeiniglich viktorisieren, welches man an den Persern und Türken wohl siehet. Es heißt:


Die Lampe leucht dir fein, doch mußt du sie auch laben

Mit fett Olivensaft; die Flamm sonst bald verlischt:

Getreuer Dienst durch Lohn gemehrt wird und erfrischt;

Soldatentapferkeit will Unterhaltung haben.«
[46]

Adelhold antwortete: »Wann man eines redlichen Manns rechtschaffene Qualitäten siehet, so wird er freilich nicht übersehen, maßen man heutigentags viel findet, welche vom Pflug, von der Nadel, von dem Schusterleist und vom Schäferstecken zum Schwert gegriffen, sich wohl gehalten und durch solche ihre heroische Tapferkeit und rühmliche Unerschrockenheit weit über den gemeinen Adel in Grafen und Freiherrenstand geschwungen. Wer war der Kaiserliche Johann von Werd? Wer der Schwedische Stallhans? wer der Hessische kleine Jakob und St. Andreas? Ihresgleichen sind noch viel bekannt, die ich Kürze halber nicht alle nennen mag. Ist also gegenwärtiger Zeit nichts Neues, wird auch bei der Posterität nicht abgehen, daß geringe, doch redliche Leute durch Krieg zu hohen Ehren gelangen, welches auch bei den Alten geschehen. Tamerlanes ist ein mächtiger König und schröckliche Forcht der ganzen Welt worden, der doch zuvor nur ein Säuhirt war. Agathokles, König in Sizilien, ist eines Häfners Sohn gewesen; Telephas, ein Wagner, ward König in Lydien; des Kaisers Valentiniani Vatter war ein Seiler; Mauritius Cappadox, ein leibeigener Knecht, ward nach Tiberio Kaiser; Johannes Zemisces kam aus der Schule zum Kaisertum. So bezeuget Flavius Vopiscus, daß Bonosus Imperator eines armen Schulmeisters Sohn gewesen sei; Hyperbolus, Chermidis Sohn, war erstlich ein Laternenmacher und nachgehends Fürst zu Athen; Justinus, so vor Justiniano regierte, war vor seinem Kaisertum ein Säuhirt; Hugo Capetus eines Metzgers Sohn, hernach König in Frankreich; Pizarus gleichfalls ein Schweinhirt und hernach Markgraf in den westindischen Ländern, welcher das Gold mit Zentnern auszuwägen hatte.«

Der Feldwaibel antwortete: »Dies alles lautet zwar wohl auf meinen Schrot, indessen sehe ich aber, daß uns die Türen, zu ein- und andrer Würde zu gelangen, durch den Adel verschlossen gehalten werden. Man setzet den Adel, wann er nur aus der Schale gekrochen, gleich an solche Örter, da wir uns nimmermehr keine Gedanken hin machen dörfen, wanngleich wir mehr getan haben als mancher Nobilist, den man jetzt für einen Obristen vorstellet. Und gleichwie unter den Bauren manch edel Ingenium verdirbt, weil es aus Mangel der Mittel nicht zu den Studiis angehalten wird, also veraltet mancher wackerer Soldat unter seiner Musket, der billiger ein Regiment meritierte und dem Feldherrn große Dienst zu leisten wüßte.«[47]

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 44-48.
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