Das dreiunddreißigste Kapitel.

[80] Simplex sieht, wie sein Herr ein Fuchsen schießet,

Und er auch etliche Brocken genießet.


Da es nun wieder Friede worden, nahmen die Meistersäufer die Spielleute samt dem Frauenzimmer und wanderten in ein ander Haus, dessen Saal auch zu einer andern Torheit erkoren und gewidmet war. Mein Herr aber satzte sich auf sein Lotterbette, weil ihm entweder vom Zorn oder der Überfüllung wehe war. Ich ließ ihn liegen, wo er lag, damit er ruhen und schlafen könnte, war aber kaum unter die Tür des Zimmers kommen, als er mir pfeifen wollte und solches doch nicht konnte. Er rief, aber nicht anders als: »Simpls!« Ich sprang zu ihm und fand ihn die Augen verkehren wie ein Viehe, das man absticht. Ich stund da vor ihm wie ein Stockfisch und wußte nicht, was zu tun war; er aber deutet aufs Trysor und lallete:[80] »Br, bra, bring da das; du Schuft, la, la, lang, langs Lavor, ich m, mu, muß, e, ein Fu, Fuchs schießen.« Ich eilete und brachte das Lavorbecken, und als ich zu ihm kam, hatte er ein paar Backen wie ein Trompeter. Er erwischte mich geschwind bei dem Arm und akkommodierte mich zu stehen, daß ich ihm das Lavor gerad vors Maul halten mußte. Solches brach ihm mit schmerzlichen Herzstößen unversehens auf und goß eine solche wüste Materi in bemeldtes Lavor, daß mir vor unleidlichem Gestank schier ohnmächtig ward, sonderlich weil mir etliche Brocken (sal. ven.) ins Gesicht sprützten. Ich hätte beinahe auch mitgemacht, aber als ich sahe, wie er verblaichte, ließe ichs aus Forcht unterwegen und besorgte, die Seel würde ihm samt dem Unflat durchgehen, weil ihm der kalte Schweiß ausbrach und sein Angesicht einem Sterbenden ähnlich sahe. Als er sich aber gleich wieder erholete, hieß er mich frisch Wasser bringen, damit er seinen Weinschlauch wieder ausspülete.

Demnach befahl er mir, den Fuchs hinwegzutragen, welcher mich, weil er in einem silbern Lavor lag, nichts Verächtliches, sondern eine Schüssel voller Voressen vor vier Mann zu sein bedünkte, das sich beileib nicht hinwegzuschütten gebühre. Zudem wußte ich wohl, daß mein Herr nichts Schlimmes in seinen Magen gesammlet, sondern herrliche und delikate Pastetlein, wie auch von allerhand Gebackens, Geflügel, Wildpret und zahmen Viehe, welches man alles noch artlich unterscheiden und kennen konnte. Ich schummelte mich damit, wußte aber nicht wohin, oder was ich daraus machen sollte, dorfte auch meinem Herrn nicht fragen. Ich gieng zum Hofmeister; dem wiese ich dieses schöne Traktament und fragte, was ich mit dem Fuchs machen sollte? Er antwortete: »Narr, gehe und bring ihn dem Körschner, daß er den Balg bereite!« Ich fragte, wo der Körschner sei? »Nein,« antwortete er, da er meine Einfalt sahe, »bring ihn dem Doktor, damit er daran sehe, was vor einen Zustand unser Herr habe.« Solchen Aprilengang hätte ich getan, wann der Hofmeister nicht was anders geförchtet hätte; er hieß mich derowegen den Bettel in die Küche tragen, mit Befelch, die Mägde solltens aufheben und einen Pfeffer drüber machen, welches ich ernstlich ausrichtete und deswegen von den Schleppsäcken mächtig agieret worden.[81]

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 80-82.
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