Das vierte Kapitel.

[16] Simplicius' Residenz wird ausgeplündert,

Niemand ist, der die Soldaten verhindert.


Wiewohl ich nicht bin gesinnet gewesen, den friedliebenden Leser mit dieser leichtfertigen Reuter-Bursch in meines Knäns Haus und Hof zu führen, weil es schlimm genug darin hergehen wird, so erfodert jedoch die Folge meiner Histori, daß ich der lieben Posterität hinterlasse, was vor abscheuliche und ganz unerhörte Grausamkeiten in diesem unserm teutschen Krieg hin und wieder verübet worden, zumalen mit meinem eigenen Exempel zu bezeugen, daß alle solche Übel von der Güte des Allerhöchsten zu unserm Nutz oft notwendig haben verhängt werden müssen. Dann, lieber Leser! wer hätte mir gesagt, daß ein Gott im Himmel wäre, wann keine Krieger meines Knäns Haus zernichtet und mich durch solche Fahung unter die Leute gezwungen hätten, von denen ich genugsamen Bericht empfangen?[16] Kurz zuvor konnte ich nichts anders wissen noch mir einbilden, als daß mein Knän, Meuder, Ursele, ich und das übrige Hausgesind allein auf Erden sei, weil mir sonst kein Mensch, noch einzige andre menschliche Wohnung bekannt war als meines Knäns zuvor beschriebner adeliger Sitz, darin ich täglich aus und ein gieng.

Aber bald hernach erfuhr ich die Herkunft der Menschen in diese Welt, und daß sie keine bleibende Wohnung hätten, sondern oftermals, ehe sie sichs versähen, wieder daraus müßten; ich war nur mit der Gestalt ein Mensch und mit dem Namen ein Christenkind, im übrigen aber nur eine Bestia! Aber der Allerhöchste sahe meine Unschuld mit barmherzigen Augen an und wollte mich beides, zu seiner und meiner Erkanntnus bringen. Und wiewohl er tausenderlei Wege hierzu hatte, wollte er sich doch ohn Zweifel nur desjenigen bedienen, in welchem mein Knän und Meuder, andern zum Exempel, wegen ihrer liederlichen Auferziehung gestraft würden.

Das erste, das diese Reuter täten und in den schwarz gemalten Zimmern meines Knäns anfiengen, war, daß sie ihre Pferde einställeten; hernach hatte jeglicher seine sonderbare Arbeit zu verrichten, deren jede lauter Untergang und Verderben anzeigte. Dann obzwar etliche anfiengen zu metzgen, zu sieden und zu braten, daß es sahe, als sollte ein lustig Bankett gehalten werden, so waren hingegen andere, die durchstürmten das Haus unten und oben; ja das heimliche Gemach war nicht sicher, gleichsam ob wäre das gölden Fell von Kolchis darin verborgen. Andere machten von Tuch, Kleidungen und allerlei Hausrat große Päck zusammen, als ob sie irgends einen Krempelmarkt anrichten wollten; was sie aber nicht mitzunehmen gedachten, ward zerschlagen und zugrunde gerichtet; etliche durchstachen Heu und Stroh mit ihren Degen, als ob sie nicht Schaf und Schweine genug zu stechen gehabt hätten; etliche schütteten die Federn aus den Betten und fülleten hingegen Speck, andere Dürrfleisch und sonst Gerät hinein, als ob alsdann besser darauf zu schlafen wäre. Andere schlugen Ofen und Fenster ein, gleichsam als hätten sie einen ewigen Sommer zu verkündigen; Kupfer und Zinngeschirr schlugen sie zusammen und packten die gebogene und verderbte Stücken ein; Bettladen, Tische, Stühle und Bänke verbrannten sie, da doch viel Klafter dürr Holz im Hof lag. Häfen und Schüsseln mußte endlich alles entzwei, entweder weil sie lieber Gebraten aßen oder weil sie bedacht waren, nur eine einzige Mahlzeit allda zu halten.

Unsre Magd ward im Stall dermaßen traktiert, daß sie nicht[17] mehr daraus gehen konnte, welches zwar eine Schande ist zu melden. Den Knecht legten sie gebunden auf die Erde, steckten ihm ein Sperrholz ins Maul und schütteten ihm einen Melkkübel voll garstig Mistlachenwasser in Leib: das nannten sie einen schwedischen Trunk, der ihm aber gar nicht schmeckte, sondern in seinem Gesicht sehr wunderliche Mienen verursachte, wodurch sie ihn zwungen, eine Partei anderwärts zu führen, allda sie Menschen und Viehe hinwegnahmen und in unsern Hof brachten, unter welchen mein Knän, meine Meuder und unsre Ursele auch waren.

Da fieng man erst an, die Steine von den Pistolen und hingegen anstatt deren der Bauren Daumen aufzuschrauben und die arme Schelmen so zu foltern, als wann man hätte Hexen brennen wollen, maßen sie auch einen von den gefangenen Bauren bereits in Backofen steckten und mit Feuer hinter ihm her waren, unangesehen er noch nichts bekannt hatte. Einem andern machten sie ein Seil um den Kopf und raitelten es mit einem Bengel zusammen, daß ihm das Blut zu Mund, Nas und Ohren heraussprang. In Summa, es hatte jeder seine eigne Invention, die Bauren zu peinigen, und also auch jeder Baur seine sonderbare Marter. Allein mein Knän war meinem damaligen Bedünken nach der glücklichste, weil er mit lachendem Munde bekannte, was andere mit Schmerzen und jämmerlicher Weheklage sagen mußten, und solche Ehre widerfuhr ihm ohn Zweifel darum, weil er der Hausvatter war; dann sie satzten ihn zu einem Feur, banden ihn, daß er weder Hände noch Füße regen konnte, und rieben seine Fußsohlen mit angefeuchtem Salz, welches ihm unsre alte Geiß wieder ablecken und dadurch also kützeln mußte, daß er vor Lachen hätte zerbersten mögen. Das kam so artlich und mir so anmutig vor (weil ich meinen Knän nie mals ein solches langwieriges Gelächter verführen gehöret und gesehen), daß ich Gesellschaft halber, oder weil ichs nicht besser verstund, von Herzen mitlachen mußte. In solchem Gelächter bekannte er seine Schuldigkeit und öffnete den verborgenen Schatz, welcher von Gold, Perlen und Kleinodien viel reicher war, als man hinter den Bauren hätte suchen mögen. Von den gefangenen Weibern, Mägden und Töchtern weiß ich sonderlich nichts zu sagen, weil mich die Krieger nicht zusehen ließen, wie sie mit ihnen umgiengen. Das weiß ich noch wohl, daß man teils hin und wieder in den Winkeln erbärmlich schreien hörte; schätze wohl, es sei meiner Meuder und unserm Ursele nit besser gangen als den andern. Mitten in diesem Elend wandte ich Braten und war umb nichts bekümmert, weil ich noch nit recht verstunde, wie dieses alles gemeinet wäre; ich half auch Nachmittag[18] die Pferde tränken, durch welches Mittel ich zu unsrer Magd in Stall kam, welche wunderwerklich zerstrobelt aussahe; ich kannte sie nicht, sie aber sprach zu mir mit kränklicher Stimme: »O Bub! lauf weg, sonst werden dich die Reuter mitnehmen! guck, daß du davonkommst, du siehest wohl, wie es so übel –!« Mehrers konnte sie nicht sagen.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 16-19.
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