Das achtzehnte Kapitel.

[130] Simplex bitt, man woll ja etwan nicht meinen,

Als woll er mit großem Messer erscheinen.


Demnach es etliche, und zwar auch vornehme, gelehrte Leute darunter, gibt, die nicht glauben, daß Hexen oder Unholden sein, geschweige, daß sie in der Luft hin und wieder fahren sollten; als zweifele ich nicht, es werden sich etliche finden, die sagen werden, Simplicius schneide hier mit dem großen Messer auf. Mit denselben begehre ich nun nicht zu fechten, dann weil Aufschneiden keine Kunst, sondern jetziger Zeit fast das gemeinste Handwerk ist, als kann ich nicht leugnen, daß ichs nicht auch könnte, dann ich müßte ja sonst wohl ein schlechter Tropf sein. Welche aber der Hexen Ausfahren verneinen, die stellen ihnen nur Simonem den Zauberer vor, welcher vom bösen Geist in die Luft erhaben ward und auf St. Petri Gebet wieder heruntergefallen. Nikolaus Remigius, welcher ein tapferer, gelehrter und verständiger Mann gewesen und im Herzogtum Lothringen nicht nur ein halb Dutzet Hexen verbrennen lassen, erzählet von Johanne von Hembach, daß ihn seine Mutter, die eine Hexe war, im sechzehnten Jahr seines Alters mit sich auf ihre Versammlung genommen, daß er ihnen, weil er hatte lernen pfeifen, beim Tanz aufspielen sollte. Zu solchem Ende[130] stieg er auf einen Baum, pfiff daher und siehet dem Tanz mit Fleiß zu (vielleicht, weil ihm alles so wunderlich gedeuchte; dann da gehet alles auf eine närrische Weise zu); endlich spricht er: »Behüte, lieber Gott, woher kommt so viel närrisch und unsinniges Gesind?« Er hatte aber kaum diese Worte ausgesaget, da fiel er vom Baum herab, verrenkte eine Schulter und rufte ihnen um Hülfe zu; aber da war niemand als er. Wie er dieses nachmals ruchbar machte, hieltens die meiste vor ein Fabel, bis man kurz hernach Catharinam Prävotiam Zauberei halber fieng, welche auch bei selbigem Tanz gewesen; die bekannte alles, wie es hergangen, wiewohl sie von dem gemeinen Geschrei nichts wußte, das Hembach ausgesprengt hatte. Majolus setzet zwei Exempel, von einem Knecht, so sich an seine Frau gehängt, und von einem Ehebrecher, so der Ehebrecherin Büchsen genommen, sich mit deren Salbe geschmieret und also beide zu der Zauberer Zusammenkunft kommen sein. So sagt man auch von einem Knecht, der frühe aufgestanden und den Wagen geschmieret; weil er aber die unrechte Büchse in der Finstre ertappt, hat sich der Wagen in die Luft erhoben, also daß man ihn wieder herabziehen müssen. Olaus Magnus erzählet in lib. 3. Hist. de gentibus Septentrional. I. cap. 19., daß Hadingus, König in Dennemark, wieder in sein König reich, woraus er durch etliche Aufrührer vertrieben worden, fern über das Meer auf des Othini Geist durch die Luft gefahren, welcher sich in ein Pferd verstellet hätte. So ist auch mehr als genugsam bekannt, wasgestalt teils Weiber und ledige Dirnen in Böhmen ihre Beischläfer des Nachts einen weiten Weg auf Böcken zu sich holen lassen. Was Torquemadius in seinem Hexamerone von seinem Schulgesellen erzählet, mag bei ihm gelesen werden. Ghirlandus schreibt auch von einem vornehmen Mann, welcher, als er gemerkt, daß sich sein Weib salbe und darauf aus dem Haus fahre, habe er sie einsmals gezwungen, ihn mit sich auf der Zauberer Zusammenkunft zu nehmen. Als sie daselbst aßen und kein Salz vorhanden war, habe er dessen begehrt, mit großer Mühe auch erhalten und darauf gesagt: »Gott sei gelobt, jetzt kommt Salz!« darauf die Liechter erloschen und alles verschwunden. Als es nun Tag worden, hat er von den Hirten verstanden, daß er nahend der Stadt Benevento im Königreich Neapolis und also wohl 100 Meil von seiner Heimat sei. Derowegen, obwohl er reich gewesen, habe er doch nach Haus bettlen müssen; und als er heimkam, gab er alsbald sein Weib vor eine Zauberin bei der Obrigkeit an, welche auch verbrannt worden. Wie Doktor Faust neben noch andern mehr, die gleichwohl keine Zauberer[131] waren, durch die Luft von einem Ort zum andern gefahren, ist aus seiner Historie genugsam bekannt. So lieset man bei dem Boccaccio von einem Edelmann aus Lombardia, dessen Vatter vorzeiten den Sultan in Ägypten unbekannterweise beherberget; als dieser gefangen, dem Sultan überliefert und erkannt worden, habe er ihn in ein köstlich Bett legen, mit vielen Gold schlafend nach Pavia durch einen Zauberer führen und in die Hauptkirche daselbst niedersetzen lassen. So habe ich selbst auch eine Frau und eine Magd gekannt, seind aber, als ich dieses schreibe, beide tot, wiewohl der Magd Vatter noch im Leben. Diese Magd schmierte einsmals auf dem Herd beim Feuer ihrer Frau die Schuhe, und als sie mit einem fertig war und solchen beiseit setzte, den andern auch zu schmieren, fuhr der geschmierte unversehens zum Kamin hinaus; diese Geschicht ist aber vertuscht geblieben. Solches alles melde ich nur darum, damit man eigentlich darvorhalte, daß die Zauberinnen und Hexenmeister zuzeiten leibhaftig auf ihre Versammlungen fahren, und nicht deswegen, daß man mir eben glauben müsse, ich sei, wie ich gemeldet habe, auch so dahingefahren; dann es gilt mir gleich, es mags einer glauben oder nicht, und wers nicht glauben will, der mag einen andern Weg ersinnen, auf welchem ich aus dem Stift Hirschfeld oder Fulda (dann ich weiß selbst nicht, wo ich in den Wäldern herumgeschwaift hatte) in so kurzer Zeit ins Erzstift Magdeburg marschiert sei.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 130-132.
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