Das achtundzwanzigste Kapitel.

[160] Simplex vermeldet, wie Herzbruder wird,

Als er obsieget, gefangen geführt.


Gleichwie mich nun meines Erretters Knecht aus fernerer Gefahr führete, also ließ sich sein Herr hingegen erst durch Begierde der Ehre und Beute recht hineintreiben, allermaßen er sich so weit verhauen, daß er gefangen ward. Demnach die sieghafte Überwinder die Beuten teilten und ihre Toden begruben, mein Herzbruder aber manglete, erbte dessen Rittmeister mich mitsamt seinem Knecht und Pferden, bei welchem ich mich vor einen Reuterjungen mußte gebrauchen lassen, wovor ich nichts hatte als diese Promessen, wann ich mich wohlhielte und ein wenig besser meiner Jugend entgienge, daß er mich alsdann aufsetzen, das ist, zu einem Reuter machen wollte, womit ich mich dann also dahin gedulten mußte.

Gleich hernach ward mein Rittmeister zum Obr. Leutenant vorgestellet; ich aber bekam das Amt bei ihm, welches David vor alten Zeiten bei dem König Saul vertretten; dann in den Quartieren schlug ich auf der Laute, und im Marschieren mußte ich ihm seinen Küriß nachführen, welches mir eine beschwerliche Sache war. Und obzwar die Waffen, ihren Träger vor feindlichen Püffen zu beschützen, erfunden worden, so befand ich jedoch allerdings das Widerspiel, weil mich meine eigene Jungen, die ich ausheckte, unter ihrem Schutz desto sicherer verfolgten. Darunter hatten sie ihren freien Paß, Spaß und Tummelplatz, so daß es das Ansehen hatte, als ob ich den Harnisch ihnen und nicht mir zur Beschützung antrüge, sintemal ich mit meinen Armen nicht darunterkommen und keinen Streif unter sie tun konnte. Der Soldaten Tageweis reimte sich damal trefflich auf mich, welche also lautete:


Jetzund will ich von Herzen singen eine Tageweis,

Uf meiner linken Achsel, da gehen bei 1000 Läus,

Und auf der rechten noch viel mehr,

Dahinden auf dem Buckel, da steht das ganze Heer.


Ich war auf allerhand Stratagemata bedacht, wie ich diese Armada vertilgen möchte; aber ich hatte weder Zeit noch Gelegenheit, sie durchs Feur (wie in den Backöfen geschiehet), noch durchs Wasser oder durch Gift (maßen ich wohl wußte, was das Quecksilber vermochte) auszurotten; viel weniger vermochte ich die Mittel, sie durch ein ander Kleid oder weiße Hemder abzuschaffen,[160] sondern mußte mich mit ihnen schleppen und Leib und Blut zum besten geben. Wann sie mich dann so unter dem Harnisch plagten und nagten, so wischte ich mit einer Pistoln heraus, als ob ich hätte Kugeln mit ihnen wechseln wollen, nahm aber nur den Ladstecken und stieß sie damit von der Kost. Endlich erfand ich diese Kunst, daß ich einen Pelzfleck darum wickelte und ein artlich Klebgarn vor sie zurichtete; wann ich dann mit diesem Lausangel unter den Harnisch fuhr, fischte ich sie duzetweis aus ihrem Vortel, unter welchen ich manchen fetten Prinzen gefangen bekam, welche ich wie die geringe traktierte und die Häls über das Pferd abstürzte; es mochte aber wenig erklecken.

Einsmals ward mein Obristleutenant kommandieret, eine Cavalcada mit einer starken Partei in Westfalen zu tun, und wäre er damals so stark an Reutern gewesen als ich an Läusen, so hätte er die ganze Welt erschreckt; weil solches aber nicht war, mußte er behutsam gehen, auch solcher Ursachen halber sich in der Gemmer Mark, das ist ein so genannter Wald zwischen Hamm und Soest, heimlich halten. Damals war es mit den Meinigen aufs höchste kommen; sie quäleten mich so hart mit Minieren, daß ich sorgte, sie möchten sich gar zwischen Fell und Fleisch hineinlogieren. Kein Wunder ist es, daß die Brasilianer ihre Läuse aus Zorn und Rachgier fressen, weil sie einen so drängen! Einmal ich getraute, meine Pein nicht länger zu gedulten, sondern gieng, als teils Reuter fütterten, teils schliefen und teils Schildwacht hielten, ein wenigs beiseits unter einen Baum, meinen Feinden eine Schlacht zu liefern. Zu solchem Ende zog ich den Harnisch aus, unangesehen andere denselben anziehen, wann sie fechten wollen, und fieng ein solches Würgen und Morden an, daß mir gleich beide Schwerder an den Daumen von Blut troffen und voller toten Körper oder vielmehr Bälge hiengen; welche ich aber nicht umbringen mochte, die verwies ich ins Elend und ließ sie unter dem Baum herumspazieren. Ich denke an das zweite Gesetzel der Tagweis; das hab ich folgender Gestalt hören singen:


Da ich anfieng zu schlachten, die Nägel wurden rot,

Sprach ein Laus zu der andern: »O wie ein bittrer Tod!

O daß er nicht herkommen wär!

So wär unmolestiert unser hochbetrübtes Heer.«


So oft mir diese Renkontre zu Gedächtnus kommt, beißt mich die Haut noch allenthalben, natürlich, als ob ich noch mitten in der Schlacht begriffen wäre. Ich dachte zwar, ich sollte nicht so[161] wider mein eigen Geblüt wüten wie Herodes, vornehmlich wider so getreue Diener, die sich mit einem hängen und radbrechen ließen, und auf deren Menge ich oft im freien Feld auf harter Erde sanft gelegen wäre. Aber ich fuhr doch in meiner Tyrannei so unbarmherzig fort, daß ich auch nicht gewahr ward, wie die Kaiserlichen meinen Obristenleutenant chargierten, bis sie endlich auch an mich kamen, die arme Läus entsetzten und mich selbst gefangennahmen; dann diese scheueten meine Mannheit gar nicht, vermittelst deren ich kurz zuvor viel tausend erlegt und den Titul eines Schneiders (sieben auf einen Streich) überstiegen hatte. Mich kriegte ein Dragoner, und die beste Beute, die er von mir hatte, war meines Obristenleutenants Küriß, welchen er zu Soest, da er im Quartier lag, dem Kommandanten ziemlich wohl verkaufte. Also ward er im Krieg mein sechster Herr, weil ich sein Jung sein mußte.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 160-162.
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