Das vierte Kapitel.

[92] Simplex vom Mann, der Geld gibet, berichtet,

Was er dem Schweden vor Kriegsdienst verrichtet.


Wie man nun also schlampamte und wieder wie gestern gut Geschirr machen wollte, meldet die Wacht mit Einhändigung eines Schreibens an den Gouverneur einen Commissarium an, der vor dem Tor sei, welcher von der Kron Schweden Kriegsräten abgeordnet war, die Garnison zu mustern und die Festung zu visitieren. Solches versalzte allen Spaß, und alles Freudengelach[92] verlummerte wie ein Sackpfeifenzipfel, dem der Blast entgangen. Die Musikanten und die Gäste zerstoben, wie Tobackrauch verschwindet, der nur den Geruch hinter sich läßt; mein Herr trollte selbst mit dem Adjutanten, der die Schlüssel trug, samt einem Ausschuß von der Hauptwacht und vielen Windlichtern dem Tor zu, den Plackschmeißer, wie er ihn nannte, selbst einzulassen. Er wünschte, daß ihm der Teufel den Hals in tausend Stücken breche, ehe er in die Festung käme! Sobald er ihn aber eingelassen und auf der innern Fallbrücke bewillkommte, fehlte wenig oder gar nichts, daß er ihm nicht selbst an Stegreif griff, seine Devotion gegen ihm zu bezeugen, ja die Ehrerbietung ward augenblicklich zwischen beiden so groß, daß der Commissarius abstieg und zu Fuß mit meinem Herrn gegen seinem Losament fortwanderte; da wollte jeder die linke Hand haben, etc. »Ach!« gedachte ich, »was vor ein wunderfalscher Geist regieret doch die Menschen, indem er je den einen durch den andern zum Narren machet!« Wir näherten also der Hauptwacht, und die Schildwacht rufte ihr »Werda?«, wiewohl sie sahe, daß es mein Herr war. Dieser wollte nicht antworten, sondern jenem die Ehre lassen; daher stellete sich die Schildwacht mit Wiederholung ihres Geschreis desto heftiger. Endlich antwortete er auf das letztere »Werda?« »Der Mann, ders Geld gibt!« Wie wir nun bei der Schildwacht vorbeipassierten und ich so hinden nachzog, hörete ich ermeldte Schildwacht, die ein neugeworbener Soldat und zuvor ihres Handwerks ein wohlhäbiger junger Baursmann auf dem Vogelsberg gewesen war, diese Wort brummlen: »Du magst wohl ein verlogener Kund sein; ein Mann, ders Geld gibt! Ein Schindhund, ders Geld nimmt, das bist du! Soviel Gelds hast du mir abgeschweißt, daß ich wollte, der Hagel erschlüge dich, eh du wieder aus der Stadt kämest.« Von dieser Stund an faßte ich die Gedanken, dieser fremde Herr im sammeten Mutzen müsse ein heiliger Mann sein, weil nicht allein keine Flüche an ihm hafteten, sondern dieweil ihm auch seine Hasser alle Ehre, alles Liebes und alles Gutes erwiesen; er ward noch dieselbe Nacht fürstlich traktieret, blind vollgesoffen und noch darzu in ein herrlich Bette gelegt.

Folgende Tage giengs bei der Musterung bund über Eck her. Ich einfältiger Tropf war selbst geschickt genug, den klugen Commissarium (zu welchen Ämtern und Verrichtungen man wahrlich keine Kinder nimmt) zu betrügen und über den Tölpel zu werfen, welches ich eher als in einer Stund lernete, weil die ganze Kunst nur in 5 und 9 bestunde, selbige auf einer Trommel zu schlagen, weil ich noch zu klein war, einen Musketierer zu[93] präsentieren. Man staffierte mich zu solchem Ende mit einem entlehnten Kleid und auch mit einer entlehnten Trommel (dann meine geschürzte Pagehosen taugten nichts zum Handel), ohn Zweifel darum, weil ich selbst entlehnt war; damit passierte ich glücklich durch die Musterung. Demnach man aber meiner Einfalt nicht zugetraute, einen fremden Namen im Gedächtnüs zu behalten, auf welchen ich antworten und hervortretten sollte, mußte ich der Simplicius verbleiben; den Zunamen ersatzte der Gouverneur selbsten und ließ mich Simplicius Simplicissimus in die Rolle einschreiben, mich also wie ein Hurenkind zum ersten meins Geschlechts zu machen, wiewohl ich seiner eigenen Schwester seiner Selbstbekenntnüs nach ähnlich sahe. Ich behielt auch nachgehends diesen Namen und Zunamen, bis ich den rechten erfuhr, und spielte unter solchem meine Person zunutz des Gouverneurs und geringen Schaden der Kron Schweden ziemlich wohl, welches dann alle meine Kriegsdienste sein, die ich derselben mein Lebtag geleistet, derowegen dann ihre Feinde mich deswegen zu neiden keine Ursache haben.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 92-94.
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