Das dritte Kapitel.

[90] Simplex erzählet und zeigt deutlich an,

Was er im Winter mit seim Freund getan.


Ich dingete daselbst eine lustige Stube und Kammer vor uns, deren sich sonsten, sonderlich Sommerszeit, die Badgäste zu gebrauchen pflegen, welches gemeiniglich reiche Schweizer sein, die mehr hinziehen, sich zu erlustieren und zu prangen als einiger Gebrechen halber zu baden. So verdingte ich uns auch zugleich in die Kost, und als Herzbruder sahe, daß ichs so herrlich[90] angriff, vermahnete er mich zur Gesparsamkeit und erinnerte mich des langen rauhen Winters, den wir noch zu überstehen hätten, maßen er nicht getraue, daß mein Geld so weit hinauslangen würde. Ich würde meinen Vorrat, sagte er, auf den Frühling wohl brauchen, wann wir wieder von hinnen wollen; viel Geld sei bald vertan, wann man nur davon und nichts darzu tue; es stäube hinaus wie der Rauch und verspreche nimmermehr wiederzukommen etc. Auf solche treuherzige Erinnerung konnte ich Herzbrudern nicht länger verbergen, wie reich mein Säckel wäre, und daß ich bedacht, uns beiden Gutes davon zu tun, sintemal dessen Ankunft und Erwerbung ohndas alles Segens so unwürdig wäre, daß ich keinen Meierhof daraus zu erkaufen gedächte: und wannschon ichs nicht anlegen wollte, meinen liebsten Freund auf Erden damit zu unterhalten, so wäre doch billig, daß er, Herzbruder, aus Oliviers Geld vergnüget würde um diejenige Schmach, die er hiebevor von ihm vor Magdeburg empfangen. Und demnach ich mich in aller Sicherheit zu sein wußte, zog ich meine beide Skapulier ab, trennete die Dukaten und Pistoleten heraus und sagte zu Herzbrudern, er möge nun mit diesem Geld nach seinem Belieben disponieren und solches anlegen und austeilen, wie er vermeine, daß es uns beiden am nützlichsten wäre.

Da er neben meinem Vertrauen, das ich zu ihm trug, so viel Geld sahe, mit welchem ich auch ohn ihn Wohl ein ziemlicher Herr hätte sein können, sagte er: »Bruder, du tust nichts, solang ich dich kenne, als deine gegen mir habende Liebe und Treue zu bezeugen! Aber sage mir, womit vermeinst du wohl, daß ichs wieder um dich werde beschulden können? Es ist nicht nur um das Geld zu tun, damit du mich dir obligierest, dann solches ist vielleicht mit der Zeit wieder zu bezahlen, sondern umb deine Liebe und Treue, vornehmlich aber um dein zu mir habendes hohes Vertrauen, so nicht zu schätzen ist. Dasselbe machet mich schamrot, wann ich bekennen muß, daß ich nimmermehr so viel einem einzigen Menschen in der Welt vertrauet hätte, als du mir vertrauet hast. Bruder, mit einem Wort, dein tugendhaft Gemüt machet mich zu deinem Sklaven, und was du gegen mir tust, ist mehr zu verwundern, als zu widergelten müglich. O ehrlicher Simplici, dem bei diesen gottlosen Zeiten, in welchen die Welt voll Untreue stecket, nicht in Sinn kommt, der arme und hochbedörftige Herzbruder möchte mit einem so ansehnlichen Stück, Geld fortgehen und ihn anstatt seiner in Mangel setzen! Versichert, Bruder, dieser Beweistum deiner wahren Freundschaft verbindet mich mehr gegen dir als[91] ein reicher Herr, der mir viel tausend verehrete. Allein bitte ich, mein Bruder, bleib selber Herr, Verwahrer und Austeiler über dein Geld; mir ist gnug, daß du mein Freund bist!« Ich antwortete: »Was wunderliche Reden sein das, hochgeehrter Herzbruder! Er gibt mündlich zu vernehmen, daß er mir verbunden sei, und will doch nicht davor sein, daß ich unser Geld, beides ihm und mir zu Schaden, nicht unnütz verschwende.« Also redeten wir beiderseits gegeneinander läppisch genug, weil je einer in des andern Liebe trunken war, welches mich schier glauben machte, daß eine schlechte Liebe und Vertraulichkeit zwischen denenjenigen Menschen seie, zwischen denen die Reden zuzeiten nicht auch fein närrischen fallen. Also ward Herzbruder zugleich mein Hofmeister, mein Säckelmeister, mein Diener und mein Herr, und in solcher müßigen Zeit erzählete er mir seinen Lebenslauf, und durch was Mittel er bei dem Grafen von Götz bekannt und befördert worden, worauf ich ihm auch erzählete, wie mirs ergangen, sint sein Vatter sel. gestorben, dann wir uns bisher noch niemal so viel Zeit genommen; und da er hörete, daß ich ein junges Weib zu L. hatte, verwiese er mir, daß ich mich nicht ehender zu derselbigen als mit ihm in das Schweizerland begeben; dann solches wäre mir anständiger und auch meine Schuldigkeit gewesen. Demnach ich mich aber entschuldiget, daß ich ihn als meinen allerliebsten Freund in seinem Elend zu verlassen nicht übers Herz bringen können, beredete er mich, daß ich meinem Weib schrieb und ihr meine Gelegenheit zu wissen machte, mit Versprechen, mich mit ehistem wieder zu ihr zu begeben; tät auch meines langen Ausbleibens halber meine Entschuldigungen, daß ich nämlich allerhand widriger Begegnüssen halber, wie gern ich auch gewollt, mich nicht ehender bei ihr hätte einfinden können.

Dieweil dann Herzbruder aus den gemeinen Zeitungen erfuhr, daß es um den Grafen von Götz wohl stünde, sonderlich daß er mit seiner Verantwortung bei der Kaiserl. Majestät hinauslangen, wieder auf freien Fuß kommen und gar wiederum das Kommando über eine Armee kriegen würde, berichtete er demselben seinen Zustand nach Wien, schrieb auch nach der kurbayrischen Armee wegen seiner Bagage, die er noch dort hatte, und fieng an zu hoffen, sein Glück und Aufkommen würde wieder grünen; derhalben machten wir den Schluß, künftigen Frühling voneinander zu scheiden, indem er sich zu bemeldtem Grafen, ich aber mich nach L. zu meinem Weib begeben wollte. Damit wir aber denselben Winter nicht müßig zubrächten, lerneten wir von einem Ingenieur auf dem Papier mehr fortifizieren,[92] als die Könige in Hispanien und Frankreich ins Werk setzen können. Darneben kam ich mit etlichen Alchimisten in Kundschaft. Die wollten mich, weil sie Geld hinter mir merkten, Gold machen lernen, da ich nur den Verlag darzu hergeben wollte, und ich glaube, sie hätten mich überredet, wann ihnen Herzbruder nicht abgedankt hätte, dann er sagte, wer solche Kunst könnte, würde nicht so bettelhaftig dahergehen, noch andere um Geld ansprechen.

Gleichwie nun Herzbruder von hochermeldtem Grafen eine angenehme Wiederantwort und treffliche Promessen von Wien aus erhielt, also bekam ich von L. keinen einzigen Buchstaben, unangesehen ich unterschiedliche Posttäge in duplo hinschriebe. Das machte mich unwillig und verursachete, daß ich denselben Frühling meinen Weg nicht nach Westfalen antrat, sondern von Herzbrudern erhielt, daß er mich mit ihm nach Wien nahm, mich seines verhoffenden Glücks genießen zu lassen. Also mondierten wir uns aus meinem Geld wie zwei Kavaliers, beides mit Kleidungen, Pferden, Dienern und Gewehr, giengen durch Konstanz auf Ulm, allda wir uns auf die Donau satzten und von dort aus in acht Tagen zu Wien glücklich anlangeten. Auf demselben Weg observierte ich, weil wir eilten, sonst nichts, als daß die Weibsbilder, so an dem Strand wohnen, den Vorüberfahrenden, so ihnen zuschrieen, nicht mündlich, sondern schlechthin mit dem Beweistum selbst antworten, davon ein Kerl manch seines Einsehen haben kann.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 90-93.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Der Abenteuerliche Simplicissimus Teutsch: Roman
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch