Das neunte Kapitel.

[111] Simplex bekommt Kindsweh, die ihn anstoßen,

Er wird zum Witwer, das acht er vor Possen.


Ohnlängst hernach nahm ich meinen Petter zu mir und tät mit ihm einen Ritt hinunter in Spessert, glaubwürdigen Schein und Urkund meines Herkommens und ehelicher Geburt halber zuwege zu bringen, welches ich ohnschwer aus dem Taufbuch und meines Petters Zeugnus erhielt. Ich kehrte auch gleich bei dem Pfarrer ein, der sich zu Hanau aufgehalten und meiner angenommen; derselbe gab mir einen schriftlichen Beweis mit, wo mein Vatter sel. gestorben, und daß ich bei demselben bis in seinen Tod und endlich unter den Namen Simplicii eine Zeitlang bei Herrn Ramsay, dem Gubernator in Hanau, gewesen wäre; ja ich ließ über meine ganze Histori aus der Zeugen Mund durch einen Notarium ein Instrument aufrichten, dann ich gedachte: »Wer weiß, wo du es noch einmal brauchest.« Solche Reise kostete mich über 400 Taler, dann auf dem Zurückweg ward ich von einer Partei erhascht, abgesetzt und geplündert, also daß ich und mein Knän oder Petter allerdings nackend und kaum mit dem Leben davonkamen.

Indessen gieng es daheim auch schlimm zu; dann nachdem mein Weib vernommen, daß ihr Mann ein Junker sei, spielte sie nicht allein der großen Frauen, sondern verliederlichte auch alles in der Haushaltung, welches ich, weil sie großen Leibes war, stillschweigend übertrug; überdas war mir ein Unglück in den Stall kommen, so mir das meiste und beste Viehe hingerafft.

Dies alles wäre noch zu verschmerzen gewesen, aber o mirum! kein Unglück allein! in der Stunde, darin mein Weib genase, ward die Magd auch Kindbetterin. Das Kind zwar, so sie brachte, sahe mir allerdings ähnlich; das aber, so mein Weib gebar, sahe dem Knecht so gleich, als wann es ihm aus dem Gesicht wäre geschnitten worden. Zudem hatte diejenige Dame, deren oben gedacht, in ebenderselben Nacht auch eins[111] vor meine Tür legen lassen mit schriftlichem Bericht, daß ich der Vatter wäre, also daß ich auf einmal drei Kinder zusammenbrachte, und war mir nicht anders zu Sinn, als es würde aus jedem Winkel noch eins herfürkriechen, welches mir nicht wenig graue Haar machte. Aber es gehet nit anders her, wann man in einem so gottlosen und verruchten Leben, wie ich eins geführet, seinen viehischen Begierden folget.

Nun was halfs? Ich mußte taufen und mich noch darzu von der Obrigkeit rechtschaffen strafen lassen; und weil die Herrschaft damals eben schwedisch war, ich aber hiebevor dem Kaiser gedienet, ward mir die Zeche desto höher gemachet, welches lauter Präludia meines abermaligen gänzlichen Verderbens waren. Gleichwie mich nun so vielerlei unglückliche Zufälle höchlich betrübten, also nahm es andernteils mein Weibchen nur auf die leichte Achsel, ja sie trillete, tribulierte und plagte mich noch darzu Tag und Nacht wegen des schönen Fundes, der mir vor die Tür geleget, und daß ich um so viel Geldes wäre gestraft worden. Hätte sie aber gewußt, wie es mit mir und der Magd beschaffen gewesen, so würde sie mich noch wohl ärger gequälet haben; aber das gute Mensch war so aufrichtig, daß sie sich durch so viel Geld, als ich sonst ihrentwegen hätte Strafe geben müssen, bereden ließ, ihr Kind einem Stutzer zuzuschreiben, der mich das Jahr zuvor unterweilen besuchet und bei meiner Kochzeit gewesen, den sie aber sonst weiters nit gekannt. Doch mußte sie aus dem Haus, dann mein Weib argwähnete, was ich ihrentwegen vom Knecht gedachte und dorfte doch nichts ahnden, dann ich hätte ihr sonst vorgehalten, daß ich in einer Stunde nicht zugleich bei ihr und der Magd sein können. Indessen ward ich mit dieser Anfechtung heftig gepeiniget, daß ich meinem Knecht ein Kind aufziehen und die meinige nicht meine Erben sein sollten, und daß ich noch darzu stillschweigen und froh sein mußte, daß gleichwohl sonst niemand nichts davon wußte.

Mit solchen Gedanken marterte ich mich täglich, aber mein Weib delektierte sich stündlich mit Wein, dann sie hatte ihr das Kännchen sint unsrer Hochzeit dergestalt angewehnt, daß es ihr selten vom Maul und sie selbsten gleichsam keine Nacht ohne einen ziemlichen Rausch schlafen gieng. Davon soff sie ihrem Kind zeitlich das Leben ab und entzündete ihr selbsten das Gehäng dergestalt, daß es ihr auch bald hernach entfiel und mich wiederum zu einem Witwer machte, welches mir so zu Herzen gieng, daß ich mich fast krank hierüber gelachet hätte.[112]

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 111-113.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Der Abenteuerliche Simplicissimus Teutsch: Roman
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch