Das sechzehnte Kapitel.

[229] Simplex nun aus dem Schloß wieder abscheidet,

Wird mit eim Rock von Dukaten bekleidet.


Es war schon ziemlich lang Tag gewesen, als der Schloßherr mit seinem Diener wieder vor mein Bette kam. »Wohl! Herr Simplici,« sagte er, »wie hats Ihm heint nacht zugeschlagen? hat Er keine Karbatsch vonnöten gehabt?« – »Nein, Monsieur,« antwortete ich, »diese, so hierin zu wohnen pflegen, brauchten es nicht wie derjenige, so mich im Saurbrunn foppen wollte.« – »Wie ist es aber abgangen?« fragte er weiters; »förchtet Er sich noch nicht vor den Geistern?« Ich antwortete: »Daß es ein kurzweilig Ding um die Geister sei, werde ich nimmermehr sagen; daß ich sie darum aber eben förchte, werde ich nimmermehr gestehen. Aber wie es abgangen, bezeuget[229] zum Teil dies verbrannte Leilachen; und ich werde es dem Herrn erzählen, sobald er mich nur in seinen grünen Saal führet, allwo ich ihm des Prinzipalgeistes, der bisher hierin gangen, wahren Conterfait weisen soll.« Er sahe mich mit Verwunderung an und konnte sich leicht einbilden, daß ich mit den Geistern geredet haben müßte, weil ich nicht allein vom grünen Saal zu sagen wußte, den ich noch nie sonst, von jemand hatte nen nen hören, sondern auch, weil das verbrannte Leilachen solches bezeugte. »So glaubet Er dann nun,« sagte er, »was ich Ihm hievor im Saurbrunn erzählet habe?« Ich antwortete: »Was bedarf ich des Glaubens, wann ich ein Ding selbst weiß und erfahren habe?« – »Ja,« sagte er weiters, »tausend Gülden wollte ich darum schuldig sein, wann ich dies Kreuz aus dem Haus hätte!« Ich antwortete: »Der Herr gebe sich nur zufrieden; er wird davon erlediget werden, ohne daß es ihn einen Heller kosten solle; ja er wird noch Geld darzu empfangen.«

Mithin stund ich auf, und wir giengen stracks miteinander dem grünen Saal zu, welches zugleich ein Lustzimmer und eine Kunstkammer war. Unterwegs kam des Schloßherrn Bruder an, den ich im Saurbrunn karbaitscht hatte; dann ihn sein Bruder meinetwegen von seinem Sitz, der etwan zwo Stunden von dannen lag, eilends holen lassen; und weil er ziemlich mürrisch aussahe, besorgte ich mich, er sei etwan auf eine Rache bedacht. Doch erzeigte ich im geringsten keine Forcht; sondern als wir in den gedachten Saal kamen, sahe ich unter anderen kunstreichen Gemälden und Antiquitäten eben dasjenige Conterfait, das ich suchte. »Dieser«, sagte ich zu beiden Gebrüdern, »ist euer Urähne gewesen und hat dem Geschlecht von N. zwei Dörfer, als N. und N., unrechtmäßigerweise abgedrungen, welche Dörfer aber jetzunder ihre rechtmäßige Herren wieder inhaben. Von denselbigen Dörfern hat euer Urähne ein namhaftes Stück Geld erhoben und bei seinen Lebzeiten in demjenigen Zimmer, darin ich heint gebüßet, was ich hiebevor im Saurbrunn mit der Karbeitsch begangen, einmauren lassen, weswegen er dann samt seinen Helfern bishero an hiesigem Haus so schröcklich sich erzeiget.« Wollten sie nun, daß er zur Ruhe komme und das Haus hinfort geheur sei, so möchten sie das Geld erheben und anlegen, wie sie vermeinten, daß sie es gegen Gott verantworten können. Ich zwar wollte ihnen weisen, wo es läge und alsdann in Gottes Namen meinen Weg weiters suchen. Weilen ich nun wegen der Person ihres Urähnen und beider Dörfer die Wahrheit[230] geredet hatte, gedachten sie wohl, ich würde des verborgenen Schatzes halber auch nicht lügen, verfügten sich derowegen mit mir wiederum in mein Schlafzimmer, allwo wir die steinerne Platte erhuben, daraus die Geister den Schererzeug genommen und wieder hingestecket hatten. Wir fanden aber anders nichts als zween irdene Häfen, so noch ganz neu schienen, davon der eine mit rotem, der ander aber mit weißem Sand gefüllt war, weswegen beide Brüder die gefaßte Hoffnung, diesorts einen Schatz zu fischen, allerdings fallen ließen. Ich aber verzagte darum nicht, sondern freuete mich, dermaleins die Gelegenheit zu haben, daß ich probieren könnte, was der wunderbarliche Theophrastus Paracelsus in seinen Schriften Tom. 9, in Philosophia occulta von der Transmutation der verborgenen Schätze schreibet; wanderte derowegen mit den beiden Häfen und in sich habenden Materien in die Schmiede, die der Schloßherr im Vorhof des Schlosses stehen hatte, satzte sie ins Feur und gab ihnen ihre gebührliche Hitze, wie man sonst zu prozedieren pfleget, wann man Metall schmelzen will. Und nachdem ichs von sich selbsten erkalten ließ, fanden wir in dem einen Hafen eine große Massa Dukatengold, in dem andern aber einen Klumpen vierzehenlötig Silber, und konnten also nicht wissen, was es vor Münze gewesen war. Bis wir nun mit dieser Arbeit fertig wurden, kam der Mittag herbei, bei welchem Imbiß mir nicht allein weder Essen noch Trinken schmecken wollte, sondern mir ward auch so übel, daß man mich zu Bette bringen mußte; nicht weiß ich, war es die Ursache, daß ich mich etliche Tage zuvor im Regenwetter gar unbescheiden mortifizieret oder daß mich die verwichne Nacht die Geister so erschröcket hatten.

Ich mußte wohl zwölf Tage des Bettes hüten und hätte ohn Sterben nicht kränker werden können. Eine einzige Aderlässe bekam mir trefflich neben der Gutwartung, die ich empfieng. Indessen hatten beide Gebrüder ohn mein Wissen einen Goldschmied holen und die zusammengeschmolzene Massaten probieren lassen, weil sie sich eines Betrugs besorgeten. Nachdem sie nun dieselbige just befunden, zumalen sich kein Gespenst im ganzen Haus mehr merken ließ, wußten sie beinahe nicht zu ersinnen, was sie mir nur vor Ehr und Dienst erweisen sollten; ja sie hielten mich allerdings vor einen heiligen Mann, dem alle Heimlichkeiten unverborgen, und der ihnen von Gott insonderheit wäre zugeschickt worden, ihr Haus wiederum in richtigen Stand zu setzen. Derowegen kam der Schloßherr selbst schier nie von meinem Bette, sondern freuete sich, wann[231] er nur mit mir diskurieren konnte. Solches währete, bis ich meine vorige Gesundheit wieder völlig erlangete.

In solcher Zeit erzählete mir der Schloßherr ganz offenherzig, daß, als er noch ein junger Knabe gewesen, sich ein frevler Landstörtzer bei seinem Herrn Vatter angemeldet und versprochen, den Geist zu fragen und dadurch das Haus von solchem Ungeheuer zu entledigen; wie er sich dann auch zu solchem Ende in das Zimmer, darin ich über Nacht liegen müssen, einsperren lassen. Da sein aber ebendiejenige Geister in solcher Gestalt, wie ich sie beschrieben hatte, über ihn hergewischet, hätten ihn aus dem Bette gezogen, auf einen Sessel gesetzet, ihn seines Bedunkens gezwagt, geschoren und bei etlichen Stunden dergestalt tribulieret und geängstiget, daß man ihn am Morgen halbtod dort liegend gefunden; es sei ihm auch Bart und Haar dieselbe Nacht ganz grau worden, wiewohl er den Abend als ein dreißigjähriger Mann mit schwarzen Haaren zu Bette gangen sei; gestund mir auch darneben, daß er mich keiner andern Ursachen halber in solches Zimmer geleget, als seinen Bruder an mir zu revanchieren und mich glauben zu machen, was er vor etlichen Jahren von diesen Geistern erzählet und ich nicht glauben wollen; bat mich mithin gleich um Verzeihung und obligierte sich, die Tage seines Lebens mein getreuer Freund und Diener zu sein.

Als ich nun wiederum allerdings gesund worden und meinen Weg ferner nehmen wollte, offerierte er mir die Pferde, Kleidung und ein Stück Gelt zur Zehrung; weil ich aber alles rund abschlug, wollte er mich auch nicht hinweglassen mit Bitte, ich wollte ihn doch nicht zum allerundankbarsten Menschen in der Welt machen, sondern aufs wenigste ein Stück Gelt mit auf den Weg annehmen, wann ich je in solchem armseligen Habit meine Wallfahrt zu vollenden bedacht wäre. »Wer weiß,« sagte er, »wo es der Herr bedarf?« Ich mußte lachen und sagte: »Mein Herr, es gibet mich wunder, wie Er mich einen Herrn nennen mag, da Er doch siehet, daß ich mit Fleiß ein armer Bettler zu verbleiben suche.« – »Wohl,« antwortete er, »so verbleibe Er dann Sein Lebtag bei mir und nehme Sein Almosen täglich an meiner Tafel.« – »Herr,« sagte ich hingegen, »wann ich solches täte, so wäre ich ein größer Herr, als Er selbsten. Wie würde aber alsdann mein tierischer Leib bestehen, wann er so ohn Sorge wie der reiche Mann auf den alten Kaiser hineinlebte? würden ihn so gute Tag nicht gumpen machen? Will mein Herr mir aber je eine Verehrung tun, so bitte ich, Er lasse mir meinen Rock füttern, weil es jetzt auf den[232] Winter losgehet.« – »Nun gottlob,« antwortete er, »daß sich gleichwohl etwas findet, meine Dankbarkeit zu bezeugen!« Darauf ließ er mir einen Schlafpelz geben, bis mein Rock gefüttert ward, welches mit wüllenem Tuch geschahe, weil ich kein ander Futter annehmen wollte. Als solches geschehen, ließ er mich passieren und gab mir etliche Schreiben mit, selbige unterwegs an seine Verwandte zu bestellen, mehr, mich ihnen zu rekommendieren, als daß er viel Nötiges zu berichten gehabt hätte.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 229-233.
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