Das dritte Kapitel.

[176] Simplex Aufzüge der höllischen Geister

Siehet mit Entsetzen samt ihrem Meister.


Das freundliche Gespräche dieser zweien höllischen Geister war so ungestüm und schröcklich, daß es einen Haubtlärmen in der ganzen Höllen erregte, maßen in einer Geschwinde das ganze höllische Heer zusammenkam, um zu vernehmen, was etwan zu tun sein möchte. Da erschien Luzifers erstes Kind, die Hoffart mit ihren Töchtern, der Geiz mit seinen Kindern, der Zorn samt Neid und Haß, Rachgier, Mißgunst, Verleumdung und was ihnen weiters verwandt war, sodann auch Wollust mit seinem Anhang, als Geilheit, Fraß, Müßiggang und dergleichen, item die Faulheit, die Untreue, der Mutwill, die Lügen, der Fürwitz, so Jungfern teuer machet, die Falschheit mit ihrem lieblichen Töchterlein, der Schmeichelei, die anstatt der Windfach einen Fuchsschwanz trug, welches alles einen seltsamen Aufzug abgab und verwunderlich zu sehen war: dann jedes kam in sonderbarer eigner Liberei daher. Ein Teil war aufs prächtigste herausgeputzt, das ander ganz bettelhaftig angetan, und das dritte,[176] als die Unschamhaftigkeit und dergleichen, gieng beinahe überall nackend. Ein Teil war so fett und wohlleibig wie ein Bacchus, das ander so gelb, bleich und mager wie eine alte dürre Ackermähre; ein Teil schien so lieblich und anmutig wie eine Venus, das ander sahe so sauer wie Saturnus, das dritte so grimmig wie Mars, das vierte so tückisch und dockmäusig wie Mercurius. Ein Teil war stark wie Hercules oder so gerad und schnell wie Hippomenes, das ander lahm und hinkend wie Vulcanus, also daß man so unterschiedlicher seltsamen Arten und Aufzüge halber vermeinen hätte mögen, es wäre das wütende Heer gewesen, davon uns die Alte so viel wunderlichen Dings erzählet haben. Und ohne diese obgenannte erschienen noch viel, die ich nicht kannte noch zu nennen weiß, maßen auch etliche ganz vermummet und verkappt aufgezogen.

Zu diesem ungeheuren Schwarm tät Luzifer eine scharfe Rede, in welcher er dem ganzen Haufen in genere und einer jeden Person insonderheit ihre Nachlässigkeit verwiese und allen aufrupfte, daß durch ihre Saumsal lerna malorum Europam raumen müssen; er musterte auch gleich die Faulheit aus als einen untüchtigen Bankert, der ihm die Seinige verderbe, ja er verwiese ihr sein höllisches Reich auf ewig mit Befelch, daß sie gleichwohl ihren Unterschleif auf dem Erdboden suchen sollte.

Demnach hetzte er die übrige alles Ernstes zu größerm Fleiß, als sie bishero bezeuget, sich bei den Menschen einzunisteln; bedrohete darbeneben schröcklich, mit was vor Strafen er diejenige ansehen wollte, von welchen er künftig im geringsten verspüre, daß durch deren Amtsgeschäfte seiner Intention gemäß nicht eiferig genug verfahren worden wäre; er teilete ihnen benebens auch neue Instructiones und Memorial aus, und tat stattliche Promessen gegen denen, die sich tapfer gebrauchen würden.

Da es nun sahe, als wann diese Reichsversammlung sich endigen und alle höllische Stände wiederum an ihre Geschäfte gehen wollten, ritt ein zerlumpter und von Angesicht sehr bleicher Kerl auf einem alten schäbigen Wolf hervor: Roß und Mann sahe so verhungert, mager, matt und hinfällig aus, als wann beides schon lange Zeit in einem Grab oder auf der Schindgrube gelegen wäre. Dieser beklagte sich über eine ansehnliche Dame, die sich auf einem neapolitanischen Pferd von 100 Pistoletten Wert tapfer vor ihm tummlete. Alles an ihren und des Pferdes Kleidungen und Zierden glänzte von Perlen und Edelgesteinen; die Stegreifen, die Buckeln, die Stangen, alle Rinken, das Mundstück oder Gebiß samt der Kinnketten war[177] von klarem Gold; die Hufbeschläge aber an des Pferdes Füßen von seinem Silber, dahero man sie auch keine Hufeisen nennen kann. Sie selbst sahe ganz herrlich, prächtig und trotzig aus, blühete darneben im Angesicht wie eine Rose am Stock oder war doch wenigst anzusehen, als wann sie einen halben Rausch gehabt hätte, maßen sie sich auch sonst in allen ihren Gebärden so frisch stellete. Es roch um sie herum so stark nach Haarpulver, Balsam, Bisam, Ambra und andern Aromaten, daß wohl einer andern, als sie war, die Mutter hätte rebellisch werden mögen. In Summa, es war alles so kostbarlich um sie bestellt, daß ich sie vor die allermächtigste Königin gehalten hätte, wann sie nur auch wäre gekrönet gewesen, wie sie dann auch eine sein muß, weil man von ihr saget, sie allein herrsche über das Gelde und das Geld nit über sie; gab mich derowegen anfänglich wunder, daß obengedachter elender Schindhund auf dem Wolf wider sie mutzen dorfte; aber er machte sich mausiger, als ich ihm zugetraut.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 176-178.
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