Das vierzehnte Kapitel.

[48] Simplex kämpft mit einem um Leib und Leben,

Der sich auch ihme hat endlich ergeben.


Ich konnte damals greifen, daß ich nur zum Unglück geboren; dann ungefähr vier Wochen zuvor, eh das gedachte Treffen geschahe, hörete ich etliche Götzische gemeine Offizier von ihrem Krieg diskurrieren; da sagte einer: »Ungeschlagen gehets diesen Sommer nicht ab! Schlagen wir dann den Feind, so müssen wir den künftigen Winter Freiburg und die Waldstädte einnehmen; kriegen wir aber Stöße, so kriegen wir auch Winterquartier.« Auf diese Prophezei machte ich meinen richtigen Schluß und sagte bei mir selbst: »Nun freue dich, Simplici, du wirst künftigen Frühling guten See- und Neckerwein trinken und genießen, was die Weimarische verdienen werden.« Aber ich betrog mich weit, dann weil ich nunmehr weimarisch war, so war ich auch prädestiniert, Breisach belägern zu helfen, maßen solche Belägerung gleich nach mehrbemeldter Wittenweier Schlacht völlig ins Werk gesetzt ward, da ich dann wie andere Musketier Tag und Nacht wachen und schanzen mußte und nichts davon hatte, als daß ich lernete, wie man mit den Approchen einer Festung zusetzen muß, darauf ich vor Magdeburg wenig Achtung geben. Im übrigen aber war es lausig bei mir bestellt, weil je zwo oder drei aufeinander saßen; der Beutel war leer und öd, Wein, Bier und Fleisch eine Rarität, Äpfel und hart schimmlig Brot (jedoch kümmerlich genug) mein bestes Wildpret.

Solches war mir saur zu ertragen, Ursache, wann ich zurück an die ägyptische Fleischtöpfe, das ist an die westfälischen[48] Schinken und Knackwürste zu L. gedachte. Ich gedachte niemal mehr an mein Weib, als wann ich in meinem Zelt lag und vor Frost halb erstarrt war. Da sagte ich dann oft zu mir selber: »Hui, Simplici, meinest du auch wohl, es geschehe dir unrecht, wann dir einer wieder wettspielte, was du zu Paris begangen?« Und mit solchen Gedanken quälte ich mich wie ein ander eifersichtiger Hahnrei, da ich doch meinem Weib nichts anders als Ehre und Tugend zutrauen konnte. Zuletzt war ich so ungedultig, daß ich meinem Kapitän eröffnete, wie meine Sachen bestellet wären, schrieb auch auf der Post nach L. und erhielt vom Obristen de S.A. und meinem Schwährvatter, daß sie durch ihre Schreiben bei dem Fürsten von Weimar zuwege brachten, daß mich mein Kapitän mit einem Paß mußte laufen lassen.

Ungefähr eine Woche oder vier vor Weihnachten marschierte ich mit einem guten Feurrohr vom Läger ab, das Brißgäu hinunter der Meinung, selbige Weihnachtmesse zu Straßburg 20 Taler, von meinem Schwähr übermacht, zu empfahen und mich mit Kaufleuten den Rhein hinunter zu begeben, da es doch unterwegs viel kaiserliche Garnisonen hatte. Als ich aber bei Endingen vorbeipassiert und zu einem einigen Haus kam, geschahe ein Schuß nach mir, so daß mir die Kugel den Rand am Hut verletzt, und gleich darauf sprang ein starker vierschrötiger Kerl aus dem Haus auf mich los, der schriee, ich sollte das Gewehr ablegen. Ich antwortete: »Bei Gott, Landsmann, dir zu Gefallen nicht!« und zog den Hahnen über. Er aber wischte mit einem Ding von Leder, das mehr einem Henkersschwert als Degen gleichete, und eilete damit auf mich zu. Wie ich nun seinen Ernst spürete, schlug ich an und traf ihn dergestalt an die Stirn, daß er herumdurmelte wie eine Garnwinde und endlich zu Boden fiel. Dieses mir zunutz zu machen, rang ich ihm geschwind sein Schwerd aus der Faust und wollts ihm in Leib stoßen; da es aber nicht durchgehen wollte, sprang er wieder unversehens auf die Füße, erwischte mich beim Haar und ich ihn auch; sein Schwert aber hatte ich schon weggeworfen, weil ich ihn nicht damit beschädigen konnte. Darauf fiengen wir ein solch ernstlich Spiel miteinander an, so eines jeden verbitterte Stärk genugsam zu erkennen gab, und konnt doch keiner des andern Meister werden. Bald lag ich, bald er oben, und im Hui kamen wir wieder auf die Füße, so aber nicht lang dauerte, weil je einer des andern Untergang und Tod suchte. Das Blut, so mir häufig zu Nas und Mund herauslief, speiete ich meinem Feind ins Gesicht, weil ers so hitzig begehrte: das war mir gut, dann es hinderte ihn am Sehen. Also zogen[49] wir einander bei anderthalb Stund im Kot und Schnee herum; davon wurden wir so matt, daß allem Ansehen nach des einen Unkräften des andern Müdigkeit allein mit den Fäusten nicht völlig überwinden, noch einer den andern aus eigenen Kräften und ohne Waffen vollends zum Tod hätte bringen mögen.

Die Ringkunst, darin ich mich zu L. oft übte, kam mir damals wohl zustatten, sonst hätte ich ohne Zweifel eingebüßt und den kürzern gezogen, dann mein Feind war viel stärker als ich und überdas eisenfest. Als wir einander fast tödlich abgemattet und ich meinen Gegenteil unter mir fast schwerlich mehr halten konnte, sagte er endlich: »Bruder, höre auf, ich ergebe mich dir zu eigen.« – Ich sagte: »Du solltest mich anfänglich haben passieren lassen!« – »Was hast du mehr,« antwortete jener, »wanngleich ich sterbe?« – »Und was hättest du gehabt,« sagte ich, »wann du mich hättest niedergeschossen, sintemal ich keinen Heller Geld bei mir habe?« Darauf bat er um Verzeihung, und ich ließ mich erweichen und ihn aufstehen, nachdem er mir zuvor teuer geschworen, daß er nicht allein Friede halten, sondern auch mein treuer Freund und Diener sein wollte. Ich hätte ihm aber weder geglaubt noch getraut, wann mir seine verübte leichtfertige Handlungen und greuliche Taten bekannt gewesen wären.

Da wir nun beide auf waren, gaben wir einander die Hände, daß alles, was geschehen, vergessen sein sollte, und verwunderte sich einer über den andern, daß er seinen Meister gefunden; dann jener meinete und bildete sich nicht anders ein, ich sei auch mit einer solchen Schelmenhaut wie er überzogen gewesen. Ich ließ ihn auch dabei bleiben, damit, wann er sein Gewehr bekäme, [er] sich nicht noch einmal an mich reiben dörfte. Er hatte von meinem Schuß eine große Beule an der Stirn, und ich hatte mich sehr verblutet; doch klagte keiner mehr als den Hals, welche so zugerichtet, daß keiner den Kopf aufrechttragen konnte: so langwierig hatten wir einander bei den Haaren herumgezauset.

Weil es dann gegen Abend war und mir mein Gegenteil erzählete, daß ich bis an die Kitzing weder Hund noch Katze, viel weniger einen Menschen antreffen würde, er aber hingegen unweit von der Straße in einem abgelegenen Häuslein ein gut Stück Fleisch und einen Trunk zum besten hätte, also ließ ich mich überreden und gieng mit ihm, da er dann unterwegs oft mit Seufzen bezeugte, wie leid ihm sei, daß er mich beleidigt habe.[50]

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 48-51.
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