Das zweite Kapitel.

[12] Simplex bekommt einen bessern Patron,

Dessen Gunst träget er völlig darvon.


Monsigneur Canard, so hieß mein neuer Herr, erbot sich, mir mit Rat und Tat beholfen zu sein, damit ich des Meinigen zu Köln nicht verlustigt würde; dann er sahe wohl, daß ich traurig war. Sobald er mich in seine Wohnung brachte, begehrte er, ich wollte ihm erzählen, wie meine Sachen beschaffen wären, damit er sich drein finden und Ratschläg ersinnen könnte, wie mir am besten zu helfen sei. Ich gedachte wohl, daß ich nicht viel gülte, wann ich mein Herkommen öffnen sollte, gab mich derhalben vor einen armen teutschen Edelmann aus, der weder Vatter noch Mutter, sondern nur noch etliche Verwandte in einer Festung hätte, darin schwedische Garnison läge, welches ich aber vor meinem Kostherrn und beiden von Adel, als welche Kaiserliche Partei hielten, verborgen halten müssen, damit sie das Meinige als ein Gut, so dem Feind zuständig, nicht an sich zögen. Meine Meinung wäre, ich wollte an den Kommandanten bemeldter Festung schreiben, als unter dessen Regiment ich die Stelle eines Fähnrichs hätte, und ihn nicht allein berichten, wasgestalten ich hieher praktiziert worden, sondern ihn auch bitten, daß er belieben wollte, sich des Meinigen habhaft zu machen und solches, bis ich wieder Gelegenheit kriege, zum Regiment zu kommen, indessen meinen Freunden zuzustellen. Canard befand mein Vorhaben ratsam und versprach mir, die Schreiben an ihren gehörigen Ort zu bestellen, und sollten sie gleich nach Mexiko oder in China lauten. Demnach verfertigte ich Schreiben an meine Liebste, an meinen Schwährvatter und an den Obristen de S.A., Kommandanten in L., an welchen ich auch das Kopert richtete und ihm die übrige beide beischloß. Der Einhalt war, daß ich mit ehistem mich wieder einstellen wollte, da ich nur Mittel an die Hand kriegte, eine so weite Reise zu vollenden, und bat beides, meinen Schwäher und den Obristen, daß sie vermittels der Militiae das Meinige zu bekommen unterstehen wollten, eh das Gras darüber wüchse, berichtete darneben, wieviel es an Gold, Silber und Kleinodien sei. Solche Briefe verfertigte ich in Duplo; ein Teil bestellte Mons. Canard, das ander gab ich auf die Post, damit, wann irgend das eine nicht überkäme, jedoch das ander einliefe. Also ward ich wieder fröhlich und instruierte meines Herrn zween Söhne desto leichter, die als junge Prinzen erzogen wurden; dann weil Mons. Canard sehr reich, als war er auch[12] überaus hoffärtig und wollte sich sehen lassen, welche Krankheit er von großen Herren an sich genommen, weil er gleichsam täglich mit Fürsten umgieng und ihnen alles nachäffte, was allein mächtigen Prinzen geziemet. Sein Haus war wie eines Grafen Hofhaltung, in welcher kein anderer Mangel erschien, als daß man ihn nicht auch einen gnädigen Herrn nannte, und seine Imagination war so groß, daß er auch einen Marquis, da ihn etwan einer zu besuchen kam, nicht höher als seinesgleichen traktierete. Es mußte ein Prinz vom Geblüt oder sonst ein gewaltiger Fürst sein und nicht allein viel zu spendieren haben, sondern auch sonst viel gelten, wann er von ihm rechtschaffen bedient hätte sein wollen. Er teilete zwar geringen Leuten auch von seinen Mitteln mit, er nahm aber kein gering Geld, sondern schenkte ihnen eher ihre Schuldigkeit, damit er einen großen Namen haben möchte. Wie er sich dann allerorten herfürzuwerfen und zutäppisch zu machen wußte und dahero nicht allein beim königlichen Hof und in der Stadt Paris, sondern auch sonst im ganzen Königreich hoch ästimieret wurde, also daß andere Doctores von ihme zu sagen pflegten, wann er seinen Patienten nur das verbrannte Mehl vom Brod schabe, so hätten sie einen bessern Glauben dran, als wann sie die quintam essentiam anbrächten. Solches trug ihm trefflich ein, und er lebte davon wie der reiche Mann, welches ich mitgenosse, dann da schneiete sowohl das Geld als alle andere Victualia von allen Orten überflüssig her, also daß ich wohl neben ihm mit einem schmutzigen Maul zum Fenster hinaussehen konnte. Weil ich ziemlich kurios war und wußte, daß er mit meiner Person prangte, wann ich neben andern Dienern hinter ihm her trat und er Kranke besuchte, als half ich ihm auch stets in seinem Laboratorio arzneien. Davon ward ich ziemlich gemein mit ihm, wie er dann ohndas die teutsche Sprache gern redete; sagte derowegen einsmals zu ihm, warumb er sich nicht von seinem adeligen Sitz schreibe, den er neulich nahend Paris um 20000 Kronen gekauft hätte? item, warum er lauter Doctores aus seinen Söhnen zu machen gedenke und sie so streng studieren lasse, ob nicht besser wäre, daß er ihnen (indem er doch den Adel schon hätte), wie andere Cavaliers, irgends Ämter kaufe und sie also vollkommen in den adeligen Stand tretten lasse. »Nein!« antwortete er, »wann ich zu einem Fürsten komme, so heißt es: ›Herr Doktor, Er setze sich nieder‹; zum Edelmann aber wird gesagt: ›Wart auf!‹« Ich sagte: »Weiß aber der Herr Doktor nicht, daß ein Arzt dreierlei Angesichter hat, das erste eines Engels, wann ihn der Kranke ansichtig wird,[13] das ander eines Gottes, wann er hilft, das dritte eines Teufels, wann man gesund ist und ihn wieder abschaffet? Also währt solche Ehre nicht länger, als solang dem Kranken der Wind im Leib herumgehet; wann er aber hinaus ist und das Rumpeln aufhöret, so hat die Ehre ein Ende und heißt alsdann auch: ›Doktor, vor der Tür ists dein!‹ Hat demnach der Edelmann mehr Ehre von seinem Stehen als ein Doktor von seinem Sitzen, weil er nämlich seinem Prinzen beständig aufwartet und die Ehr hat, niemals von seiner Seite zu kommen. Der Herr Doktor hat neulich etwas von einem Fürsten in Mund genommen und demselben seinen Geschmack abgewinnen müssen; ich wollte lieber zehen Jahr stehen und aufwarten, eh ich eines andern Kot versuchen wollte, und wanngleich man mich auf lauter Rosen setzen wollte.« Er antwortete: »Das mußte ich nicht tun, sondern tats gern, damit, wann der Fürst sähe, wie sauer michs ankäme, seinen Zustand recht zu erkündigen, meine Verehrung desto größer würde. Und warum wollte ich dessen Kot nicht versuchen, der mir etliche hundert Pistolen davor zu Lohn gibet, ich aber hingegen ihm nichts gebe, wann er noch gar was anders von mir muß fressen? Ihr redet von der Sache wie ein Teutscher; wann Ihr aber einer andern Nation wäret, so wollte ich sagen, Ihr hättet davon geredet wie ein Narr!« Mit diesem Sentenz nahm ich vorlieb, weil ich sahe, daß er sich erzörnen wollte, und damit ich ihn wieder auf einen guten Laun brächte, bat ich, er wollte meiner Einfalt etwas zugute halten, und brachte etwas Annehmlichers auf die Bahne.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 12-14.
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