Das achte Kapitel.

[29] Simplex ein Storcher und Landfahrer ist,

Bringet die Bauren um ihr Geld mit List.


Ich mochte damals fressen wie ein Drescher, dann mein Magen war nicht zu ersättigen und wollte immerzu mehr von mir haben, wiewohl ich nichts mehr im Vorrat hatte als noch einen einzigen güldenen Ring mit einem Diamant, der etwa zwanzig Kronen wert war. Den versilberte ich um zwölfe, und demnach ich mir leicht einbilden konnte, daß dies bald aus sein würde, da ich nichts darzu gewinnete, resolvierte ich mich, ein Arzt zu werden. Ich kaufte mir die Materialia zu dem Theriaca Diatesseron und richtete ihn zu, um denselben in kleinen Städten und Flecken zu verkaufen. Vor die Bauren aber nahm ich ein Teil Wacholder Latwerge, vermischte solche mit Eichenlaub, Weidenblättern und dergleichen herben Ingredienzien. Alsdann machte ich auch aus Kräutern, Wurzeln, Butter und etlichen Olitäten eine grüne Salbe zu allerhand Wunden, damit man auch wohl ein gedruckt Pferd hätte heilen können;[29] item aus Galmei, Kieselsteinen, Krebsaugen, Schmirgel und Trippel ein Pulver, weiße Zähne damit zu machen; ferner ein blau Wasser aus Lauge, Kupfer, Sal armoniacum und Camphor vor den Scharbock, Mundfäule, Zahn- und Augenwehe, bekam auch ein Haufen blecherne und hölzerne Büchslein, Papier und Gläslein, meine Ware dareinzuschmieren, und damit es auch ein Ansehen haben möchte, ließ ich mir einen französischen Zettel konzipieren und drucken, darin man sehen konnte, worzu ein und anders gut war. In dreien Tagen war ich mit meiner Arbeit fertig und hatte kaum drei Kronen in die Apotheke und vor Geschirr angewendet, da ich dies Städtlein verließ. Also packte ich auf und nahm mir vor, von einem Dorf zum andern bis in das Elsaß hinein zu wandern und meine Ware unterwegs an Mann zu bringen, folgends zu Straßburg, als in einer neutralen Stadt, mich mit Gelegenheit auf den Rhein zu sehen, mit Kaufleuten wieder nach Köln zu begeben und von dort aus meinen Weg zu meinem Weib zu nehmen. Das Vorhaben war gut, aber der Anschlag fehlete weit.

Da ich das erstemal mit meiner Quacksalberei vor eine Kirche kam und failhatte, war die Losung gar schlecht, weil ich viel zu blöd war, mir auch sowohl die Sprache als storgerische Aufschneiderei nicht vonstatten gehen wollte; sahe demnach gleich, daß ichs anderst angreifen müßte, wann ich Geld einnehmen und meinen Quark an den Mann bringen wollte. Ich gieng mit meinem Kram in das Wirtshaus und vernahm über Tisch vom Wirt, daß den Nachmittag allerhand Leute unter der Linden vor seinem Haus zusammenkommen würden, da dörfte ich dann wohl so etwas verkaufen, wann ich gute Ware hätte; allein es gäbe der Betrüger so viel im Land, daß die Leute gewaltig mit dem Geld zurückhielten, wann sie keine gewisse Probe vor Augen sehen, daß der Theriak ausbündig gut wäre. Als ich dergestalt vernahm, wo es mangele, bekam ich ein halbes Trünkgläslein voll guten Straßburger Branntewein und fing eine Art Krotten, die man Reling oder Möhmlein nennet, so im Frühling und Sommer in den unsaubern Pfützen sitzen und singen, sind goldgelb oder fast rotgelb und unten am Bauch schwarzgescheckigt, gar unlustig anzusehen. Ein solches satzte ich in ein Schoppenglas mit Wasser und stellets neben meine Ware auf einen Tisch unter der Linden. Wie sich nun die Leute anfiengen häufig zu versammeln und um mich herumstunden, vermeineten etliche, ich würde mit der Kluft, so ich von der Wirtin aus ihrer Küchen entlehnt, die Zähne ausbrechen; ich aber fieng an: »Ihr Herren und gueti Freund![30] (dann ich konnte noch gar wenig Französisch reden). Bin ich kein Brech-dir-die-Zahn-aus, allein hab ich gut Wasser vor die Aug, es mag all die Flüß aus die rode Aug.« – »Ja,« antwortet einer, »man siehets an Euren Augen wohl; die sehen ja aus wie zween Irrwische.« Ich sagte: »Das ist wahr; wann ich aber der Wasser vor mich nicht hab, so wär ich wohl gar blind werd. Ich verkauf sonst der Wasser nit; der Theriak und der Pulver vor die weiße Zähn und das Wundsalb will ich verkauf und der Wasser noch darzuschenk. Ich bin kein Schreier oder Bescheiß-dir-die-Leut. Hab ich mein Theriak feil, wann ich sie habe probiert und sie dir nicht gefallt, so darfst du sie mir nit kauf ab.« Indem ließ ich einen von dem Umstand eins von meinen Theriakbüchslein auswählen; aus demselben tät ich etwan einer Erbse groß in meinem Brantewein, den die Leute vor Wasser ansahen, zertrieb ihn darin und kriegte hierauf mit der Kluft das Möhmlein aus dem Glas mit Wasser und sagte: »Secht, ihr gueti Freund! wann dies giftig Wurm kann mein Theriak trink und sterbe nit, so ist der Ding nit nutz, dann kauf ihr mir nit ab!« Hiemit steckte ich die arme Krotte, welche im Wasser geboren und erzogen und kein ander Element oder Liquorem leiden konnte, in meinen Branntewein und hielt es mit einem Papier zu, daß es nicht herausspringen konnte. Da fieng es dergestalt an darin zu wüten und zu zablen, ja viel ärger zu tun, als ob ichs auf glühende Kohlen geworfen hätte, weil ihm der Branntewein viel zu stark war; und nachdem es so eine kleine Weil getrieben, verreckte es allgemach und streckte alle viere von sich. Die Bauren sperreten Maul und Beutel auf, da sie diese so gewisse Probe mit ihren Augen angesehen hatten. Da war in ihrem Sinn kein besserer Theriak in der Welt als der meinige, und hatte ich gnug zu tun, den Plunter in die Zettel zu wickeln und Geld davor einzunehmen. Es waren etliche unter ihnen, die kauftens wohl drei-, vier-, fünf- und sechsfach, damit sie auf den Notfall mit so köstlicher Giftlatwerge versehen wären; ja sie kauften auch vor ihre Freunde und Verwandte, die an andern Orten wohneten, daß ich also mit der Narrnweise, da doch kein Marktag war, denselben Abend zehen Kronen löste und doch noch mehr als die Hälfte meiner Ware behielt. Ich machte mich noch dieselbe Nacht in ein ander Dorf, weil ich besorgte, es möchte etwan auch ein Bauer so kurios sein und eine Krotte in ein Wasser setzen, meinen Theriak zu probieren, und wann es dann mißlinge, mir der Buckel geraumt werden. Ich hatte nicht vonnöten, diejenige Betrügereien zu gebrauchen, die der hochgelehrte[31] Matthiolus im sechsten Buch Dioscoridis de Venenis von den Storgen und Markschreiern entdecket. Solange ich gedachte Möhmlein haben konnte, so bedorfte ich auch keines Affen oder anderer seltsamen Tier zum Stand, die närrische Leute herzuzubringen. Dann ich hatte zu Paris von einem teutschen Taschenspieler artliche Stücklein mit der Karten zu üben gelernet, damit ich die Leut herbeigaukeln und aufhalten konnte, bis ich meinen Theriak obigergestalt probierte und den Umstand bewegte, die Riemen zu ziehen. Damit ich aber gleich wohl auch die Vortrefflichkeit mainer Giftlatwerge auf eine andere Manier erweisen könnte, machte ich mir aus Mehl, Safran und Gallus einen gelben Arsenicum, und aus Mehl und Victril einen Mercurium Sublimatum. Und wann ich die Probe tun wollte, hatte ich zwei gleiche Gläser mit frischem Wasser auf dem Tisch, davon das eine ziemlich stark mit Aquafort oder Spiritus Victril vermischt war. In dasselbe zerrührte ich ein wenig von meinem Theriak und schabte alsdann von meinen beiden Giften so viel, als genug war, hinein. Davon ward das ein Wasser, so keinen Theriak und also auch kein Aquafort hatte, so schwarz wie eine Tinte; das ander aber blieb wegen des Scheidwassers, wie es war. »Ha!« sagten dann die Leut, »sehet, das ist fürwahr ein köstlicher Theriak so um ein gering Geld!« Wann ich dann beide untereinander goß, so ward wieder alles klar. Davon zogen dann die gute Bauren ihre Beutel und kauften mir ab, welches nicht allein meinem hungerigen Magen wohl zupaß kam, sondern ich machte mich auch wieder beritten, prosperierte noch darzu viel Geld auf meiner Reise und kam glücklich an die teutsche Grenze. Darum, ihr liebe Bauren, glaubet den fremden Marktschreiern so leicht nit! ihr werdet sonst von ihnen betrogen, als welche nicht eure Gesundheit, sondern euer Geld suchen.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 29-32.
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