8.

Quis avolvet nobis lapidem ab ostio monumenti?

[85] 1.

Halleluja! meiner Schmertzen

Jammer-trübe Nacht vergeht.

Weil das Licht gekränckter Hertzen

Meine Freuden Sonn auffsteht

Halleluja! weg mit klagen!

Weg mit winseln vnd verzagen!


2.

Nun vergeß' ich aller Threnen

Die die Angst mir außgeprest!

Nun verfleucht mein trübes sehnen/

Vnd die Sorgen-strenge Pest

Weil der hohe Tag sich findet

An dem Noth vnd Tod verschwindet.


3.

Ihr! die neben mir gestanden/

Als am Creutz mein Heiland lied/

Als er nach Hohn/ Pein vnd Schanden

Voll von Angst in Ach verschied

Kommt vnd helfft ihn mit mir grüssen/

Nun er Grufft vnd Tod durchrissen.


4.

Kommt: ich muß ihm früh' begegnen

Weil sein Gnaden Tau abfält[85]

Ach! er wird mit Trost mich segnen

Er/ der Trost der müden Welt!

Kommt: wer mag sich hier entsetzen!

Nichts ist daß vns kan verletzen!


5.

Eins noch (fühl ich) wil mich drücken:

Ach wer! ach wer steht mir bey/

Wer hilfft mir das Werck beschicken

Wer macht mich deß Kummers frey?

Wer kan Rath/ der tauglich/ geben?

Wer legt Hand an vnd hilfft heben?


6.

Mich beschwert/ ich muß es klagen

Ein sehr vngeheurer Stein:

Diese Last/ die ich getragen

Drückt mir Hals vnd Schultern ein.

Ja/ ich kan darvor nicht schauen

Dem ich ich wil mein Hertz vertrauen.


7.

Wil ich mich zu Gott erheben:

Dieser Stein hält mich zurück

Hoff ich Kummerfrey zu leben:

Er macht/ daß ich schier erstick/

Wil ich flihn/ er kan mich hindern

Wer wird doch die Sorge mindern?


8.

Auff mein Geist! auff! ich empfinde

Daß ich dieser Wehmuth loß.

Gott! durch den ich überwinde/

Dem kein Wunder-Werck zu groß:

Hat/ eh' ich es recht ward innen/

Diesen Stein abweltzen künnen.
[86]

9.

Halleluja! weg mit Klagen!

Ich bin meiner Wehmuth frey!

Weg mit winseln vnd verzagen!

Mein Erlöser steht mir bey;

Weil mein Finsternüß vergehet

Vnd die Freuden-Sonn auffstehet.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 85-87.
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