10.

[20] 1. Satz.


Was trawr' ich noch! was zittern meine glieder?

Wie das mein abgemattes hertz

Noch mitt sich selbst will streiten/

Mein schmertz wird nuhmer ja zum schertz

In diesen frewden zeiten.

Was wanckt mein sinn den trawrig hin vndt wider?

Wie/ wen die winde streitten/

Vndt Nordt vndt Ost raast wider seine brüder:

Ein ast erbebt im arwen mertz.


1. Gegensatz.


Gib dich zue ruh' vndt las dein sorgen fahren.

Durch so viell noth bestürmbter Geist.

Die wehmutt/ die dich drücket/

Die geissell die dich schmeist vnd beist

Hatt Gott nun weggerücket:

Gott der dich offt gerissen von der bahren

Hatt dich mitt hülff erqüicket.

Vnd nach den truben/ rawen donner jahren

Dier gnad' vndt trew/ vndt gunst erweist.


1. Zusatz.


Dv aller Herren Herr/ den Erdt vnd Himmell ehren.

Für dem die Hell erschrickt.

Du du hast mich/ du hast mich wollen hören

Da als ich gantz verstrickt/

Im jägergarn des Todes mich nach dir

Vmbsahe/ da mein heilãd hastu mir[21]

Gebotten hülff vndt handt/ du hast das netz zutrennet.

Ich bin durch dich dem pfeill/ dem vntergang entrennet.


2. Satz.


Die haisse flutt/ der trüben lichter brunnen/

Der schier erstartten augen röhr/

Die reichen threnen bäche

Ergossen sich je mehr vndt mehr/

Der strom von dem ich spreche/

Ist tag vndt nacht/ ja für vnd für geronnen.

Herr das ich itzt vorbreche

Mitt jauchtzen Herr! das machstu meine Sonnen

Mein trost/ mein schutz/ mein ruhm vnd ehr.


2. Gegensatz.


Dv hast mein Gott die immer nassen wangen/

Getrucknet mitt liebreicher handt/

Dein arm hatt mich erhalten

Wen ich den müden fuß verwandt

Den hastu lassen walten

Die süsse gunst/ durch die ich bin entgangen/

Wen mancher must erkalten/

Wen mancher fiell/ von dir hab ich empfangen/

Manch' ewig-trewer liebe pfandt.


2. Zusatz.


Ich wil für dir/ mit dir/ durch dich/ in deinen wegen

Mit vollen schritten gehn/

Da wo kein sterben sich/ vndt keine seuchen regen[22]

Wo keine gräber stehn/

Wo alles lebt/ wo alles singt vndt klingt

Vnd einen danck dir nach dem andern bringt;

Wo alle schmertzen frey/ dich der du selbst das leben/

Mit alzeit newem preiß in ewikeit erheben.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 20-23.
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