1.

Die Einsetzung deß Abendmahls

Auff die Melodie: Jesus Christus vnser Heyland.


1.

Als das Fest der Ostern nahe:

Vnd der HE rr Messias sahe/

Daß Ihn Judas schon bedacht

Zu liefern in der Feinde Macht.


2.

Wolt' Er das Gesetz erfüllen/

Seines Vaters Eyfer stillen/

Vnd der Höll' erhitzte Glut

Außleschen durch sein reines Blut.


3.

Drumb hieß Er zwey Jünger gehen:

Vnd den Speise-Saal bestehen/

In dem vor der letzten Stund/

Er könnt' auffrichten seinen Bund.


4.

Als sich nun der Tag geneiget:

Kam/ auff dehn das La i gezeiget:

Das durch Blut den Würger stillt:

Vnd erster Mütter Frucht erhilt.


5.

Vnd nach dem Er/ vnser Leben/

Sich hat' an den Tisch begeben/

Sprach Er zu der Jünger Zahl:

Wie offt wüntscht ich nach diesem Mahl!
[103]

6.

Wie hab ich mit euch begehret/

Eh' der Creutz-Tod mich beschweret/

Diesen Abschied zu begehn/

Der mich mein höchstes Pfand sol stehn!


7.

Liebsten/ glaubt: es geht aufs scheiden/

Ich kan/ weil ich nun muß leiden/

Vnd zum Thron gehn durch viel Schweiß/

Nicht essen mehr die Oster-Speiß.


8.

Man wird mir den Safft der Reben

Künftig nicht zu trincken geben/

Bis mein aufferweckte Leich

Beherrschen wird deß Vatern Reich.


9.

Vnd in dem die Jünger aßen:

Nam Er recht bedachter maßen

Das Ihm vorgelegte Brodt/

Vnd danckte/ wie gewöhnlich/ Gott.


10.

Brachs/ gabs vnd spach: Nembt vnd esset/

Diß ist mein Leib: vnd ermesset/

Daß der für euch hingereicht/

In herber Todesangst erbleicht.


11.

Als das Mahl zu ende kommen/

Hat Er Wein im Kelch genommen/

Vnd bot den der werthen Schaar/

Zum Zeichen heisser Liebe dar.


12.

Nemt/ (die Worte ließ Er hören)

Was ich kan zu letzt verehren:

Alle trinckt: diß ist mein Blut.

Diß ist die purpurrothe Fluth/


13.

Die für Euch vnd viel wird müssen

Mit fünfffachen Strömen fliessen/

Zu zahlen was die verderbt.

Die Adams Schuld auff sich geerbt.
[104]

14.

Der Bund ist Neu' vnd erhellet/

Was im Alten vorgestellet:

Dort sind Schatten: Hier steht klar/

Was dort nur abgebildet war.


15.

Ihr hierbey mögt stets bedencken/

Daß Ich euch nicht mehr kan schencken/

Vnd das nicht sey grösser Huld/

Als wenn man stirbt vor fre ide Schuld.


16.

Lob sey dir O wahres Leben:

Das für vns vnd vns gegeben

Durch den Tisch/ den du beschickt

Mein nach dir schmachtend Hertz erquickt.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 101-105.
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