15.
An Gott den Sohn

[101] Erlöser der du mir zu gut ein Mensch gebohren/

Und in der Jungfrau Leib dich in mein Fleisch verhüllt/

Mein Bruder/ der Gesetz und Gottes Fluch bestillt/

Durch dessen Tod der Todt den Stachel hat verlohren.

Herr/ den der Vater selbst zum Richter auserkohren/

Ob dem der Richter Grimm doch streng und grausam hielt/

Vor dessen Anblick nun Welt/ Grufft und Hölle brüllt:

Gedencke was du mir/ O Warheit/ selbst geschworen/

Wie kommt mir Sterbens Furcht in meinem Zagen ein?

Warum entsetz ich mich weil du wirst Richter seyn?

Wer glaubt/ der weiß daß du gerichtet und gestorben!

Gestorben/ daß der Tod mir nicht mehr schädlich sey/

Gerichtet: daß ich gantz von Klag und Urtheil frey.

Diß hast du meinem Fleisch/ O Gott und Fleisch/ erworben.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 101-102.
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