37.
Uber das Unglück seiner Tochter/ an eine Fürstliche Person

[112] Mein Kind/ Loise fleht/ doch mit erstarrter Zungen/

Und sucht/ O Fürstin! Hülff aus der Durchlauchten Hand;

Sie tret' an Gottes statt und helff/ O Himmels-Pfand!

Der/ die von etwas mehr denn Menschlich wird besprungen.

Ich flehe vor mein Kind/ und werd' aus Angst bezwungen

Zu schweigen: Wehmuth ists die meine Lippen band/

Der Mutter Thränen-Fluth erhitzt den grausen Brand/

Der nunmehr durch diß Hertz biß an den Geist gedrungen.

Princeß' ich bitte nur diß einig/ sie vergönne

Daß man doch auf ihr Wort der Noth abhelffen könne/

Die drey so unerhört als unaussprechlich kränckt.

Princeß'/ es ist was viel/ was ich von ihr begehre/

Doch such' ich nichts als das Ihr schuldigst Lob gewähre

Ein Kindlich Mund/ dem sie die Zung auffs neu geschenckt.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 112-113.
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